Im zugrunde liegenden Streitfall wurde bei einem Autounfall die Brille des Klägers gänzlich zerstört. Für die Neuanschaffung einer neuen Brille in gleicher Qualität, Stärke und Ausführung zahlte der Kläger einen Betrag in Höhe von 722,45 Euro. Noch kurz vor dem streitgegenständlichen Unfall unterzog der Kläger sich einer augenärztlichen Untersuchung, bei der festgestellt wurde, dass die alte Brille genügte und insbesondere keine neuen Gläser anzufertigen waren. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte an den Kläger zum Ausgleich seines Schadens jedoch nur den von ihr angenommenen Zeitwert der Brille in Höhe von 300 Euro.
Der Kläger zog daraufhin vor Gericht, da er der Ansicht war, die Beklagte sei verpflichtet, nicht nur den Zeitwert der Brille, sondern den gesamten Wiederbeschaffungspreis zu ersetzen. Eine gebrauchte und gleichwertige Brille sei nicht beschaffbar, da ein Markt für gebrauchte Brillen nicht existiere.
Der Mann erhielt sowohl vom Amtsgericht Coesfeld als auch vom Landgericht Münster Recht. Infolge der Zerstörung der Brille ist von der Versicherung gemäß § 251 Abs. 1 BGB Ausgleich des Schadens in Höhe des so genannten Wiederbeschaffungswertes einer entsprechenden Brille zu leisten. Angesichts des fehlenden Angebotes gebrauchter Brillen ist dabei auf den Neupreis einer entsprechenden Brille abzustellen.
Auch einen Abzug "neu für alt" müsse der Kläger nicht akzeptieren, urteilte das Gericht. Zwar sei im Ansatz davon auszugehen, dass er als Geschädigter in Folge des Kaufs einer neuen Brille wirtschaftlich besser gestellt sei, als vor dem Schadensfall. Es handele sich jedoch bei Brillen um Gegenstände, die einer Abnutzung unterlägen und die grundsätzlich nicht für eine lebenslange Nutzungsdauer bestimmt seien, so dass keineswegs von einem praktisch stets gleichbleibenden Wert einer Brille ausgegangen werden könne.
Grundsätzlich solle der Schadensersatz dem Geschädigten vollen Ausgleich des Schadens verschaffen, ihn andererseits aber nicht bereichern, so die Richter. Der Wertausgleich "neu für alt" sei in diesem Fall aber auszuschließen da der Geschädigte aus medizinischen oder sonstigen wichtigen Gründen zwingend und sofort auf einen Ersatz der beschädigten Sache und damit – mangels Gebrauchtmarktes – auf einen Neuerwerb angewiesen ist, so dass ihm letztlich keine Dispositionsfreiheit in Bezug auf die Frage des Obs und des Zeitpunktes einer Ersatzbeschaffung bzw. der Verwendung des Schadensersatzbetrages verbleibe.
Dementsprechend komme ein Abzug "neu für alt" bei Beschädigungen von Brillen nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Gebrauchswert der alten Brille gerade für den Geschädigten schon zum Zeitpunkt des Schadensfalles reduziert gewesen sei, z.B. aufgrund von nutzungsbedingten Vorschäden der Brille oder dass infolge einer Sehstärkenveränderung eine Anpassung der Gläser auch ohne den Schadensfall bevorgestanden habe. Ein solcher Fall sei aber hier unstreitig nicht gegeben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.12.2010
Quelle: ra-online (ac)