Im zugrunde liegenden Fall wurde ein junger Mann wegen eines akuten und schwerwiegenden Ausbruchs einer schizophrenen Psychose auf eine geschlossene Station in der Psychiatrie eingeliefert. Dort fanden Filmaufnahmen für eine Fernsehdokumentation statt, die wenig später von einem Privatsender gezeigt - und unter anderem von Mitschülern des Patienten gesehen wurde.
Nachdem der Mann die Ausstrahlung des Films "Das Wüten des Wahnsinns - Alltag in der Psychiatrie" nicht mehr verhindern konnte, verklagte er den Regisseur und die Produzentin der Dokumentation ebenso wie den ausstrahlenden Sender und den ärztlichen Direktor des Krankenhauses - der die Filmaufnahmen zugelassen hatte - auf Schadensersatz.
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand die Frage, ob der Kläger den Filmaufnahmen zugestimmt hatte bzw. ob er solcherlei - und sei es auch nur durch "schlüssiges Verhalten" - in seinem Zustand überhaupt wirksam erklären konnte. Der ärztliche Direktor hatte die Patienten, die auf dem Gang der Station versammelt waren, vor den Filmaufnahmen gebeten, auf ihr Zimmer zu gehen, wenn sie nicht gefilmt werden wollten; der Regisseur hatte daraufhin die Patienten gefragt, wer mitwirken wolle und nochmals darauf hingewiesen, dass nur gefilmt werde, wer damit einverstanden sei. Daraus, dass der Kläger geblieben sei und im weiteren Verlauf sogar mehrmals versucht habe, ins Bild zu kommen, sei - so die Beklagten - die Einwilligung des Klägers zu schließen gewesen.
Dieser Sichtweise wollten sich die Richter der 7. Zivilkammer nicht anschließen, nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige erläutert hatte, dass der Kläger in seinem Zustand der "psychotischen Ambivalenz" zu bewusst-rationalen Entscheidungen gar nicht in der Lage gewesen sei: Die Erkrankung des Klägers zeichne sich gerade dadurch aus, dass er sich in der akuten Phase nicht entscheiden könne und daher mal so, mal anders und dann auch wieder gar nicht entscheide. Gerade impulshaftes und provokantes Verhalten - wie das sich-ins-Bild-Drängen - sei Teil des Krankheitsbildes. Allen Beklagten sei - so die 7. Zivilkammer in ihrem Urteil - grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen; insbesondere der ärztliche Direktor hätte aufgrund seines Fachwissens erkennen müssen, dass das Verhalten des Klägers als Ausdruck seiner akuten schizophrenen Psychose und nicht als Einwilligung in die Filmaufnahmen zu bewerten gewesen sei. Und auch ein Privat-Sender darf eben nicht ohne weiteres Privates senden.
Wegen des schwerwiegenden Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Klägers verurteilte die Kammer die Beklagten zu einer Geldentschädigung in Höhe von insgesamt € 30.000,00.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.04.2008
Quelle: ra-online, LG München I