Den beiden war am 23. Dezember 2008 aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt worden. Dementsprechend war ihnen danach keine Vergütung mehr überwiesen worden. Dagegen hatten beide einen Urkundsprozess angestrengt.
In einem ersten Schritt prüft das Gericht, ob der streitige Zahlungsanspruch mit Urkunden – etwa einem Arbeitsvertrag – belegt werden kann. Gleiches gilt für die Einwendungen des Gegners – etwa die Behauptung, der Arbeitsvertrag sei wirksam gekündigt worden; auch Einwendungen des Gegners können im Urkundsprozess nur mit Urkunden bewiesen werden. Kann der Kläger seinen Anspruch mit Urkunden beweisen, der Beklagte seine Einwendungen hingegen nicht, ergeht ein Vorbehaltsurteil zugunsten des Klägers. Der Beklagte ist dann darauf verwiesen, seine Gegenrechte in einem sog. Nachverfahren geltend zu machen; im Nachverfahren sind alle Beweismittel (Zeugen, Sachverständige etc.) zugelassen.
Und genau so ist es im hiesigen Fall: Während die Kläger einfach ihre Vorstandsdienstverträge vorlegen konnten, ließ sich die Behauptung der HRE, für die Kündigung habe ein wichtiger Grund bestanden, nicht durch Urkunden belegen.
So wird die eigentliche Streitfrage, ob den beiden Vorständen zurecht gekündigt wurde, in diesem Rechtsstreit möglicherweise erst im Nachverfahren beantwortet werden können. Die HRE stützt die Kündigung auf
- die mangelhafte Vorbereitung des Erwerbs der DEPFA Bank plc.
- die unterbliebene Änderung der Refinanzierungsstrategie
- deutliche Mängel bei Risikosteuerungs- und –controllingprozessen
- die Korrektur des Liquiditätsbedarfs zwischen den Ende September und Anfang Oktober 2008 in Frankfurt am Main stattgefundenen Krisengipfeln
- Verstöße gegen das irische Aufsichtsrecht
Zu diesen umstrittenen Vorwürfen heißt es in der Urteilsbegründung der 5. Handelskammer: „All diesen Vorwürfen ist gemeinsam, dass sie – sollten sie nachgewiesen werden können – entweder jeder für sich alleine oder doch in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB begründen können.“
Zum Beweis der Richtigkeit dieser Vorwürfe – und damit der Rechtmäßigkeit der Kündigung – bedarf es allerdings der Anhörung von Zeugen und vor allem von Sachverständigen. Dazu bietet das Nachverfahren die Möglichkeit. So kann etwa die Frage, ob die Refinanzierungsstruktur der von der HRE erworbenen DEPFA-Gruppe unter den Bedingungen der Finanzkrise hätte geändert werden können und müssen, nur mithilfe eines Sachverständigen beantwortet werden. Hinsichtlich anderer Fragen, wie etwa die, ob bestehende Mängel bei der Risikoüberwachung bzw. Verstöße gegen das irische Aufsichtsrecht (rechtzeitig) dem Aufsichtsrat gemeldet und vor allem auch beseitigt wurden, wird es möglicherweise der Einvernahme von Zeugen bedürfen.
1. Alternative: Beide Seiten sind mit dem Vorbehaltsurteil zufrieden; die Beklagte beantragt daher keinen Termin für das Nachverfahren und legt auch keine Berufung gegen das Vorbehaltsurteil ein. Ergebnis: Die Kläger dürfen das Geld dann behalten. Prognose für diese Alternative: unwahrscheinlich.
2. Alternative: Die Beklagte kann einerseits Berufung gegen das Vorbehaltsurteil einlegen, wenn sie etwa meint, die Wirksamkeit der Kündigung doch mit Urkunden belegt zu haben; über die Berufung entscheidet dann das Oberlandesgericht München. Andererseits kann die Beklagte einen baldigen Termin für das Nachverfahren beantragen, damit Zeugen und Sachverständige zur Feststellung der Wirksamkeit der Kündigungen gehört werden können; das Nachverfahren findet wieder bei der 5. Handelskammer statt und endet mit einem Endurteil. Dieses Endurteil kann dann wieder mit der Berufung angegriffen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.10.2010
Quelle: ra-online, Landgericht München I