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Landgericht Magdeburg Urteil22.04.2010
Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt – Unterschreiten des Mindestlohns ist StraftatStundenlöhne unter 1,- € unangemessen und sittenwidrig
Ein Arbeitgeber eines Dienstleistungsunternehmens, der seinen Angestellten ein sittenwidriges Gehalt zahlt, das unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegt und die Beiträge an die Sozialkassen nicht auf den Mindestlohn sondern auf den tatsächlich gezahlten Lohn abführt, macht sich strafbar. Dies entschied das Landgericht Magdeburg.
Im zugrunde liegenden Fall beschäftigte der im Juni 1953 geborenen Oleg S. mit seiner in Magdeburg ansässigen Firma im Zeitraum August 2004 bis Januar 2006 Frauen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjet-Union als Reinigungskräfte in westlichen Bundesländern für Toiletten und Waschräume an Autobahnraststätten, Autohöfen und einem Schnellrestaurant. Die Mitarbeiterinnen stellte der Angeklagte auf Minijobbasis ein. Sie mussten 14 Tage lang täglich 12 Stunden arbeiten und verdienten zwischen 60,- und 170,- € monatlich. Weiterhin erhielten sie freie Kost und Logis.
Trinkgeld flossen Unternehmer und nicht Putzfrauen zu
Durch einen Zweischicht-Betrieb war sichergestellt, dass der Angeklagte als Pächter der Toilettenanlagen seiner Verpflichtung gegenüber den Raststättenbetreibern nachkommen konnte, die Nassräume rund um die Uhr sauber zuhalten. Der Angeklagte erhielt für die Tätigkeit von den Raststätten rund 500,- € monatlich zzgl. des Trinkgeldes und der Entgelte, die für die Benutzung der Duschen anfielen. Das Trinkgeld floss damit nicht den Putzfrauen, sondern dem Angeklagten zu.
Deutliche Unterschreitung des verbindlichen und damit gesetzlichen Mindestlohns
Das Landgericht Magdeburg ermittelte Stundenlöhne von maximal 1, 79 € und minimal unter 1,- €, die die Putzfrauen erhielten. Der allgemein verbindliche und damit gesetzliche Mindestlohn betrug im Tatzeitraum mindestens 7,68 €/Stunde.
Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt
Da der Angeklagte die Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung) nur aus dem geringeren tatsächlich gezahltem Lohn und nicht aus dem Mindestlohn bezahlte, geht das Gericht davon aus, dass der Tatbestand des § 266 a Strafgesetzbuch, StGB, (Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt) erfüllt ist. Im konkreten Fall ist den Sozialkassen ein Schaden von insgesamt rund 69.000,- € entstanden.
Beiträge müssen nicht auf tatsächlich gezahlten Lohn sondern auf Mindestlohn abgeführt werden
Nach der Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 8. Juli 2009 (Az. 2 SS 90/09) in diesem Verfahren muss bei der Festsetzung der an die Sozialkassen abzuführenden Beiträge nicht auf den tatsächlich gezahlten (geringeren) Lohn sondern auf den (höheren) Mindestlohn abgestellt werden, der den Arbeitnehmerinnen zustand.
Betätigungslose Zeit während der Schicht kann nicht als Bereitschaftszeit oder Freizeit angesehen werden
Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass Stundenlöhne unter 1,- € ganz offensichtlich unangemessen und sittenwidrig sind. Das Gericht ist nicht der Ansicht der Verteidigung gefolgt, dass die Reinigungskräfte lediglich 2 bis 3 h täglich putzen mussten und die restliche Zeit der 12 Stundenschicht nur Bereitschaftszeit oder sogar Freizeit gewesen sei.
Insolvenz der Firma bei Strafmaß berücksichtigt
Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen Verstößen gegen § 266 a StGB in 18 Fällen zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10,- €. Bei der Strafzumessung hat das Gericht im Wesentlichen berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und seine Firma sich mittlerweile in Insolvenz befindet. Auch die überlange Verfahrensdauer wirkte sich zugunsten des Angeklagten aus.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.07.2010
Quelle: ra-online, Landgericht Magdeburg
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