21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Landgericht Karlsruhe Urteil26.07.2005

FlowTex: LG Karlsruhe weist milli­a­r­den­schwere Amtshaf­tungsklage gegen das Land Baden-Württemberg ab

Die zweite Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe hat mit Urteil vom 26. Juli 2005 die Amtshaf­tungs­klagen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro gegen das Land Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem FlowTex-Betrug abgewiesen.

Das Landgericht hatte an sechs Verhand­lungstagen insgesamt sieben Zeugen vernommen. Es sieht nach dieser Beweisaufnahme den Vorwurf nicht als erwiesen, ein für die Betriebsprüfung der FlowTex-Firmengruppe in den Jahren 1996 und 1997 zuständiger Betriebsprüfer des Finanzamts Karlsruhe-Stadt oder ein anderer Finanzbeamter habe Beihilfe zum Betrug geleistet, indem er die Aufdeckung des Betrugs mit fingierten Bohrsystemen verhindert habe.

Durch die Betriebsprüfung hätten die Finanzbeamten zwar festgestellt, dass in dem von ihnen überprüften Zeitraum Leasingraten und Mietkosten nicht aus Einnahmen aus dem Einsatz der Bohrsysteme, sondern aus dem Verkauf von Geräten an Leasingfirmen gedeckt wurden. Sie hätten jedoch die Erläuterung des FlowTex-Chefs Schmider akzeptiert, dies beruhe nur auf Anlauf­schwie­rig­keiten bei der Markteinführung der FlowTex-Technologie, und deshalb das Betrugssystem nicht durchschaut. Den Hinweisen in anonymen Anzeigen, dass die an Leasingfirmen verkauften Geräte gar nicht existierten, seien sie zwar nachgegangen, hätten ihnen aber keinen Glauben geschenkt, insbesondere nachdem ihnen für eine Stichprobe von Geräten mit ausländischen Standorten Testate ausländischer Wirtschafts­prüfer vorgelegt wurden. Schmider und sein Kompagnon Dr. Kleiser hatten eigens Bohrsysteme ins Ausland verbringen lassen, um die Testate vorlegen zu können.

Auch einen Amtsmissbrauch durch die Finanzbeamten konnte das Landgericht Karlruhe nicht feststellen. Die Zivilkammer führt in ihrem 186-seitigen Urteil weiter aus, soweit bei der Durchführung der Betriebsprüfung und der Information der Staats­an­walt­schaft sowie bei deren Tätigkeit möglicherweise Fehler unterlaufen seien, führe dies nicht zu einer Haftung des Landes, weil die Amtspflichten der mit Besteuerung und Strafverfolgung befassten Beamten nicht Dritte vor der Begehung von Straftaten schützten.

Zu dem Beschluss des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe, das erst vor wenigen Tagen die Anklage gegen einen Betriebsprüfer auch wegen des Vorwurfs des versuchten Betruges zugelassen hatte, führt die Zivilkammer aus, diese Entscheidung gebe keine Veranlassung, das Verfahren über den Amtshaf­tun­gan­spruch bis zur Erledigung des Strafverfahrens auszusetzen. Im Zivilprozess sei eine Beweisaufnahme, wie sie das Oberlan­des­gericht im Strafverfahren zur Klärung der Vorwürfe für erforderlich hält, erfolgt, und bei weiterem Zuwarten sinke die Möglichkeit der Aufklärung. Bereits in den Vernehmungen im Juni hatten die Zeugen weitgehende Erinne­rungs­lücken geltend gemacht.

Hinweis auf den Gesetzestext:

§ 839 BGB

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

Zur Erklärung:

Amtspflicht ist jede persönliche Verhal­tenspflicht des Amtsträgers bezüglich seiner Amtsführung; deren Verletzung kann sowohl in der Vornahme einer unzulässigen Handlung wie im Unterlassen einer gebotenen Handlung liegen. Diese Amtspflicht muss einem Dritten gegenüber bestehen, nicht nur gegenüber der Allgemeinheit oder der Behörde. Maßgebend ist der Schutzzweck, dem die Amtspflicht nach den sie begründenden und umreißenden Bestimmungen und nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts dienen soll. Dieser persönliche Schutzbereich ist nur dann gegeben, wenn Zweck der Vorschrift mindestens auch die Wahrnehmung der Interessen des Einzelnen ist oder wenn zwischen der verletzten Amtspflicht und dem jeweils Geschädigten eine besondere Beziehung besteht. Die einer Aufsichts- oder Prüfungsbehörde obliegenden Pflichten können ausschließlich öffentlichen Interessen dienen, u.U. aber auch dem Interesse des Beaufsichtigten oder anderen Personen.

Quelle: Pressemitteilung des LG Karlsruhe vom 26.07.2005

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil774

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI