15.11.2024
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Landgericht Hamburg Urteil26.04.2010

Landgericht Hamburg verbietet Verwendung des „Top 100“-Siegels im Zeitschrif­ten­handelVerstoß gegen Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen

Die Bauer Vertriebs KG darf künftig nicht mehr Zeitschrif­tentitel aus der Bauer Media Group mit dem "Top 100"-Siegel auf der Titelseite vertreiben und / oder vertreiben lassen, da das Siegel die Gefahr einer Irreführung begründet und damit gegen das Verbot irreführender geschäftlicher Handlungen (§ 5 UWG) verstößt. Dies entschied das Landgericht Hamburg.

Mit seinem Urteil erließ das Landgericht Hamburg auf Antrag der Gruner+Jahr AG & Co KG eine einstweilige Verfügung gegen die Bauer Vertriebs KG.

Angesprochen würden mit dem Siegel vornehmlich die Endverbraucher. Jedenfalls bei den privaten Endverbrauchern bestehe die Gefahr, das streit­ge­gen­ständliche „Top 100“-Siegel dahingehend zu verstehen, dass die „Bauer Media Group“ 100 „Top 100“-Titel herausbringe, zu denen die jeweils so gekenn­zeichneten Zeitschriften gehören. Dieser Eindruck einer konzern­zu­ge­hörigen „Top 100“ ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass im oberen Bogen des Siegels die Aufschrift „Bauer Media Group“ zu sehen ist. Ein erheblicher Teil der Verbraucher werde diese Aufschrift als Zuordnung des Siegels zu der „Bauer Media Group“ verstehen, zumal auch nur Zeitschriften der Antragsgegnerin mit dem Siegel gekennzeichnet sind. Dass es sich dabei um ein „Top 100“-Ranking der Zeitschriften aller Verlage handelt, werde aus dem Siegel dagegen nicht hinreichend deutlich.

Verstoß gegen Neutra­li­täts­ver­pflichtung durch Presse-Grossisten

Weiter wird der Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfügung verboten, die Presse-Grossisten dazu aufzurufen, die „Top 100-Aktion“ zu unterstützen und / oder fortzusetzen. Die Beteiligung der Presse­gros­sisten an der „Top 100“-Aktion stellt nach Ansicht des Gerichts einen Verstoß gegen die sich aus § 20 Abs. 1 GWB ergebende Neutra­li­täts­ver­pflichtung gegenüber dem Einzelhandel dar.

Siegel veranlasst Einzelhändler zur bevorzugten Behandlung einzelner Zeitschriften

Markt­be­herr­schenden Unternehmen wie den Presse-Grossisten sei es nach § 20 Abs. 1 GWB untersagt, gleichartige Unternehmen bzw. wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte ohne sachliche Rechtfertigung unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln. Eine solche Ungleichbehandlung liege hier jedoch vor. Die „Top 100“-Aktion ziele (unter anderem) darauf ab, dass die Presse-Grossisten die Einzelhändler dazu veranlassen sollen, sämtliche „Top 100-Titel“ bevorzugt, möglichst mit Vollsicht der Zeitschrif­tencover, zu präsentieren. Dadurch würden gleichartige Unternehmen, nämlich alle Zeitschrif­ten­verlage, mit Blick auf die Präsentation ihrer jeweiligen Zeitschriften unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob die betroffene Zeitschrift in dem „Top 100“-Ranking aufgeführt ist oder die anderen Zeitschrif­ten­verlage sich an der „Top 100“-Aktion beteiligten. Einen tragfähigen sachlichen Grund für diese Ungleich­be­handlung habe die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.

Im Wettbewerb stehende Verlage werden geradezu gezwungen, sich an Aktion zu beteiligen

Ferner beanstandet das Gericht, dass mit der von der Antragsgegnerin initiierten „Top 100“-Aktion im Wettbewerb stehende Verlage nachgerade gezwungen würden, sich an der Aktion zu beteiligen, anderenfalls ihre „Top 100“-Titel nicht an der bevorzugten Behandlung durch den Einzelhandel teilnehmen könnten. Das Gericht sieht darin einen Eingriff in die „negative unter­neh­me­rische Entschei­dungs­freiheit“ der betroffenen Mitbewerber. Es handele sich um eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB.

Gekennzeichnete Zeitschriften möglichst in Vollsicht zu zeigen untersagt

Schließlich wird der Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfügung verboten, die Presse-Grossisten dazu aufzurufen, die Presse­ein­zel­händler dazu zu veranlassen, die mit dem Siegel gekenn­zeichneten Zeitschriften im Zeitschriften-Einzelhandel möglichst in Vollsicht zu zeigen.

Gericht sieht in Vorgehensweise der Bauer Vertriebs KG bewussten Aufruf zu kartell­rechts­widrigem Verhalten

Die Antragsgegnerin haftet nach Auffassung des Gerichts für das kartell­rechts­widrige Verhalten der Presse­gros­sisten, denn sie hat diese bewusst und in Kenntnis möglicher rechtlicher Probleme zu dem kartell­rechts­widrigen Verhalten aufgerufen und veranlasst.

Quelle: ra-online, LG Hamburg.

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