14.11.2024
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Dokument-Nr. 10984

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Urteil15.01.1997Landgericht Hamburg302 S 112/96
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 1997, 1205Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 1997, Seite: 1205
  • RRa 1997, 45Zeitschrift: Reiserecht aktuell (RRa), Jahrgang: 1997, Seite: 45
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Landgericht Hamburg Urteil15.01.1997

"Der Massentourist von heute": Reisende müssen sich an die Natur im Urlaubsland anpassen - Moskitos in den Tropen sind kein ReisemangelLG Hamburg zu den natürlichen Unterschieden zwischen Dortmund und den Tropen

Das Landgericht Hamburg hat in einem Fall aus dem Jahr 1994, in dem ein Urlauber wegen Reisemängeln eine Minderung des Urlaubspreises durchsetzen wollte, klare Worte zu den hinzunehmenden Unannehm­lich­keiten auf Fernreisen gefunden. Nicht Reisemängel, sondern falsche Vorstellungen und mangelnde Anpassungs­willigkeit an fremde Gegebenheiten hätten bei dem Urlauber den Eindruck eines Fehlschlags seiner Reise hervorgerufen. Die Klage wurde weitgehend abgewiesen.

Der Kläger warf seinem Reiseveranstalter verschiedene Reisemängel vor. Er bemängelte, dass nach der Landung in Santo Domingo die Abfahrt ins Hotel um 45 Minuten verspätet erfolgt sei. Weiter beanstandete er die Sandfliegen, Moskitos und anderen Stechfliegen am hoteleigenen Strand. Diese hätten ihn heftig belästigt. Anders als seine Ehefrau und seine Tochter, die nicht so sehr gelitten hätten, sei er 500 Mal gestochen worden. Insgesamt verlangte der Kläger, der für die Reise 5.994 DM bezahlt hatte, einen Betrag von 9.458,76 DM von dem Veranstalter als Minderung, Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs und Schmerzensgeld.

In den Tropen herrschen andere Gesetze als in Dortmund

Die Richter fanden klare Worte für den aus Dortmund stammenden Kläger: Ein deutscher Fernrei­se­tourist, der in tropische und subtropische Gebiete fliegt, kann nicht davon ausgehen, dass er dort ähnliche Natur­ge­ge­ben­heiten wie an seinem Heimatort vorfindet. Wenn ein deutscher Tourist aus einer deutschen Großstadt wie Dortmund in ein subtropisches Gebiet fliegt, kann er nicht davon ausgehen, dass er die Natur­ge­ge­ben­heiten seines Umfeldes quasi mitnehmen kann.

Schnelle Flugrouten in exotische Länder lassen klimatische und biologische Unterschiede vergessen

Der heutige Massentourist - so die Richter weiter - ist sich weitgehend nicht mehr darüber im klaren, dass in anderen Ländern und anderen Klimazonen andere Gegebenheiten vorherrschen als am Heimatort. Der Massentourist erwartet vielfach unüberlegt gleiche bzw. zumindest ähnliche Natur­ge­ge­ben­heiten wie an seinem Heimatort. Der Massentourist hat heute vergessen, infolge der leichten Zugänglichkeit auch des fernsten globalen Reisezieles und dem schnellen Hinflug, dass er sich in eine andere globale Umwelt begibt - mit anderem Klima, anderer Vegetation und einer anderen Tierwelt.

Nicht überall ist die Natur so friedlich wie in Dortmund

Viele Massentouristen kennen auch nicht die Infek­ti­o­ns­gefahr anderer Länder und versäumen nötige Schutzimpfungen. Der Massentourist erwartet heute gleiche, mindestens ähnliche Gegebenheiten wie in seinem angestammten Umfeld. Er hat vielfach den natürlichen Instinkt dafür verloren, dass in anderen globalen Regionen der Welt andere Gegebenheiten vorherrschen, an die er nicht gewöhnt ist. Der heutige Tourist erwartet vielfach, dass ihm nicht nur die Reise­leis­tungs­träger, sondern im weiteren Kontext auch die am Reiseort vorhandenen Natur­ge­ge­ben­heiten unproblematisch und vor allem gefahrenlos gegenübertreten.

Das Fremde des Urlaubsorts gehört zum Reisevergnügen und ist kein Fehlschlag der Reise

Wird ein solcher Tourist mit anderen Natur­ge­ge­ben­heiten an seinem Reiseort konfrontiert, so ist er nicht willens, diese anderen Gegebenheiten als naturgemäß und spezifisch für den Urlaubsort hinzunehmen, sondern erblickt darin vielfach einen fatalen Fehlschlag seiner Reise.

Touristen müssen sich anpassen ...

Der heutige Tourist ist vielfach nicht in der Lage und auch nicht willens, sich auf andere Natur­ge­ge­ben­heiten oder allgemeine globale Veränderungen vorzubereiten und einzustellen. Wenn die Gegebenheiten nicht seinen Vorstellungen entsprechen, führt dies sofort zu der mentalen Einstellung, dass andere - hier die Beklagte als Reise­ver­an­stalter - für abweichende Natur­ge­ge­ben­heiten einzustehen haben.

... und nicht den Reise­ver­an­stalter für die vermeintlichen Urlaubska­ta­s­trophen verantwortlich machen

Das Gericht bescheinigte dem Kläger schließlich, als Fernrei­se­tourist nicht in der Lage oder willens zu sein, einzusehen, dass er sich in ein subtropisches Gebiet begeben habe, wo andere Natur­schutz­gesetze gelten als an seinem Heimatort in Dortmund. Für ihn werde das Abweichen der örtlichen Gegebenheiten von seinem Vorstel­lungsbild zu einer nicht adäquat handhabbaren Urlaubska­ta­s­trophe, die der dem Reise­ver­an­stalter anlaste. Er sei nicht in der Lage, einzusehen, dass der Reise­ver­an­stalter nicht für Moskitos am Strand verantwortlich gemacht werden könne. Es liege aber in seiner eigenen Verantwortung, Mechanismen zu entwickeln, sich an die fremden Gegebenheiten anzupassen.

Quelle: ra-online, Landgericht Hamburg (vt/we)

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