Der Kläger warf seinem Reiseveranstalter verschiedene Reisemängel vor. Er bemängelte, dass nach der Landung in Santo Domingo die Abfahrt ins Hotel um 45 Minuten verspätet erfolgt sei. Weiter beanstandete er die Sandfliegen, Moskitos und anderen Stechfliegen am hoteleigenen Strand. Diese hätten ihn heftig belästigt. Anders als seine Ehefrau und seine Tochter, die nicht so sehr gelitten hätten, sei er 500 Mal gestochen worden. Insgesamt verlangte der Kläger, der für die Reise 5.994 DM bezahlt hatte, einen Betrag von 9.458,76 DM von dem Veranstalter als Minderung, Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs und Schmerzensgeld.
Die Richter fanden klare Worte für den aus Dortmund stammenden Kläger: Ein deutscher Fernreisetourist, der in tropische und subtropische Gebiete fliegt, kann nicht davon ausgehen, dass er dort ähnliche Naturgegebenheiten wie an seinem Heimatort vorfindet. Wenn ein deutscher Tourist aus einer deutschen Großstadt wie Dortmund in ein subtropisches Gebiet fliegt, kann er nicht davon ausgehen, dass er die Naturgegebenheiten seines Umfeldes quasi mitnehmen kann.
Der heutige Massentourist - so die Richter weiter - ist sich weitgehend nicht mehr darüber im klaren, dass in anderen Ländern und anderen Klimazonen andere Gegebenheiten vorherrschen als am Heimatort. Der Massentourist erwartet vielfach unüberlegt gleiche bzw. zumindest ähnliche Naturgegebenheiten wie an seinem Heimatort. Der Massentourist hat heute vergessen, infolge der leichten Zugänglichkeit auch des fernsten globalen Reisezieles und dem schnellen Hinflug, dass er sich in eine andere globale Umwelt begibt - mit anderem Klima, anderer Vegetation und einer anderen Tierwelt.
Viele Massentouristen kennen auch nicht die Infektionsgefahr anderer Länder und versäumen nötige Schutzimpfungen. Der Massentourist erwartet heute gleiche, mindestens ähnliche Gegebenheiten wie in seinem angestammten Umfeld. Er hat vielfach den natürlichen Instinkt dafür verloren, dass in anderen globalen Regionen der Welt andere Gegebenheiten vorherrschen, an die er nicht gewöhnt ist. Der heutige Tourist erwartet vielfach, dass ihm nicht nur die Reiseleistungsträger, sondern im weiteren Kontext auch die am Reiseort vorhandenen Naturgegebenheiten unproblematisch und vor allem gefahrenlos gegenübertreten.
Wird ein solcher Tourist mit anderen Naturgegebenheiten an seinem Reiseort konfrontiert, so ist er nicht willens, diese anderen Gegebenheiten als naturgemäß und spezifisch für den Urlaubsort hinzunehmen, sondern erblickt darin vielfach einen fatalen Fehlschlag seiner Reise.
Der heutige Tourist ist vielfach nicht in der Lage und auch nicht willens, sich auf andere Naturgegebenheiten oder allgemeine globale Veränderungen vorzubereiten und einzustellen. Wenn die Gegebenheiten nicht seinen Vorstellungen entsprechen, führt dies sofort zu der mentalen Einstellung, dass andere - hier die Beklagte als Reiseveranstalter - für abweichende Naturgegebenheiten einzustehen haben.
Das Gericht bescheinigte dem Kläger schließlich, als Fernreisetourist nicht in der Lage oder willens zu sein, einzusehen, dass er sich in ein subtropisches Gebiet begeben habe, wo andere Naturschutzgesetze gelten als an seinem Heimatort in Dortmund. Für ihn werde das Abweichen der örtlichen Gegebenheiten von seinem Vorstellungsbild zu einer nicht adäquat handhabbaren Urlaubskatastrophe, die der dem Reiseveranstalter anlaste. Er sei nicht in der Lage, einzusehen, dass der Reiseveranstalter nicht für Moskitos am Strand verantwortlich gemacht werden könne. Es liege aber in seiner eigenen Verantwortung, Mechanismen zu entwickeln, sich an die fremden Gegebenheiten anzupassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.07.2011
Quelle: ra-online, Landgericht Hamburg (vt/we)