21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einer Krankenschwester im Vordergrund.
ergänzende Informationen

Landgericht Frankfurt am Main Urteil12.09.2006

"Bleaching" muss nicht von einem Zahnarzt durchgeführt werdenAbgrenzung zwischen kosmetischer Behandlung und zahnärztliche Leistung entscheidend

Die Durchführung von Zahnweißung (sog. "Bleaching") ist nicht Zahnärzten vorbehalten, sondern kann auch von Angehörigen zahnärztlicher Assistenzberufe vorgenommen werden. Es handelt sich dabei nämlich nicht um die Ausübung von Zahnheilkunde. Dies hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Der Antragsgegner ist approbierter Zahnarzt und leitet eine Zahnarztpraxis. Darüber hinaus betreibt er ein sog. T. Esthetic Center. Dort arbeitet eine zahnärztliche Assistentin.

In seinem Inter­ne­t­auftritt warb der Antragsgegner für verschiedene Leistungen, u.a. mit der Aufhellung der Zähne durch Auftragen eines Carba­mid­per­o­xidgels (Bleaching). Auf der Eingangsseite des Inter­ne­t­auf­tritts des Antragsgegners fand sich graphisch hervorgehoben ein als Link ausgestalteter Schriftkasten. Er war überschrieben mit "Denta­l­hy­gieniker/-in und ZMF: Machen Sie sich selbständig mit Ihrem eigenen T Esthetics Center". In dem Kasten wurden die angesprochenen Berufsgruppen dazu aufgefordert, sich bei der Antragsgegnerin zu 2) zu bewerben, um sich "im lukrativen Wachstumsmarkt für Bleaching und Zahnreinigung" unter professioneller zahnärztlicher Betreuung durch Gründung eines eigenen "T Esthetics Center" selbständig zu machen.

Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Unterlassung der Aussagen in diesem Schriftkasten, weil er dadurch Personen, die nicht als approbierte Zahnärzte sind, in unlauterer Weise zur Ausübung von durch das Zahnheil­kun­de­gesetz dem Zahnarzt vorbehaltenen Tätigkeiten verleite.

Dem folgte die 12. Kammer für Handelssachen nicht. Die Kammer führt in ihrer Entscheidung aus:

"....soweit der Antrag die Unterlassung des Verleitens Angehöriger zahnärztlicher Assistenzberufe zum selbständigen Zahnreinigen und Zahnweißen betrifft, ist er unbegründet. Zwar bewerben die Antragsgegner auf ihrer Homepage die selbständige Ausführung dieser Tätigkeiten durch diese Personengruppen. Dies ist jedoch zulässig, da beide Tätigkeiten nicht als Ausübung der Zahnheilkunde i.S.d. § 1 Abs. 3 ZHG anzusehen sind, weil sie nicht die Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- oder Kiefer­krank­heiten betreffen. Es fehlt daher an einem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

a) In der dem Weißen vorausgehenden Zahnreinigung ist keine zahnheil­kundliche Tätigkeit zu sehen.

Die Zahnreinigung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufhellung der Zähne. Eine solche kosmetische Reinigung greift nur in verhältnismäßig geringem Maße in die körperliche Integrität der betreffenden Person ein. ...Auch wird die Reinigung nicht zu Diagnosezwecken, also zur Feststellung einer Zahnerkrankung durchgeführt.

b) Gleiches gilt für das Aufhellen der Zähne durch das Aufbringen von Carba­mid­per­o­xidgel. Zahnver­fär­bungen selbst stellen keine Zahnkrankheit dar, da sie keine von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 3 ZHG, sondern medizinisch unpro­ble­ma­tische Veränderungen darstellen.... Zahnver­fär­bungen sind durchaus der Norm entsprechend, strahlend weiße Zähne hingegen nicht. Damit ist auch die Beseitigung von Verfärbungen durch Aufhellen nicht als Ausübung von Zahnheilkunde einzuordnen.

Der Vorgang der Zahnweißung ist auch nicht mit gesund­heit­lichen Risiken verbunden, denen zufolge das Bleaching der Ausübung der Zahnheilkunde gleichgestellt werden müsste oder einer ständigen Überwachung durch den Zahnarzt bedürfte…

Es ist jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass der Kunde durch die Zahnweißung selbst unmittelbar Schaden nehmen kann. Damit eine Tätigkeit, die nicht Heilbehandlung ist, dem (Zahn-)Arzt vorbehalten werden oder unter ärztliche Aufsicht gestellt werden muss, müssen ihre Auswirkungen auf die körperliche Integrität des Betroffenen nach dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit eine gewisse Erheb­lich­keits­schwelle überschreiten und ärztliches Fachwissen erfordern. ….Zwar können beim Auftragen und Einwirken des Gels leichte Reizungen des Zahnfleisches und eine vorübergehende Sensi­bi­li­sierung der Zähne auftreten, diese sind jedoch nicht so erheblich, dass sie einen dem approbierten Zahnarzt vorbehaltenen Eingriff in die körperliche Integrität darstellten. Die Kunden können ein solches Gel frei käuflich erwerben und auch jederzeit zu Hause selbst auftragen.

…Auch die Tatsache, dass manche Zahnver­fär­bungen unter Umständen Rückschlüsse auf eine andere Erkrankung zulassen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es ist grundsätzlich dem allgemeinen Lebensrisiko jedes Einzelnen zuzuordnen, wenn eine Erkrankung aufgrund einer kosmetischen Behandlung, die selbst keine medizinischen Kenntnisse voraussetzt, unentdeckt bleibt. Die Situation stellt sich im vorliegenden Fall kaum anders dar als etwa die Verkennung von Krankheiten aufgrund intensiver Bräunung der Haut durch den regelmäßigen Besuch eines Sonnenstudios oder die Überdeckung kranker Hautstellen durch den Gang zur Kosmetikerin…"

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 01/07 des LG Frankfurt am Main vom 12.02.2007

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil3780

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI