21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht Coburg Urteil24.01.2014

Sturz im Seniorenheim: Pflicht­ver­letzung des Heimbetreibers muss zweifelsfrei nachzuweisen seinLG Coburg zu den Pflichten des Betreibers eines Seniorenheims

Aus der Tatsache, dass in einem Pflegheim ein Unfall eingetreten ist, kann nicht auf eine Pflicht­ver­letzung des Heimbetreibers geschlossen werden. Ob eine Pflicht­ver­letzung des Heimbetreibers vorliegt, kann nur im Rahmen einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist dem Heimträger auch ein gewisser Beurteilungs­spielraum hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen zuzubilligen. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Coburg hervor, das damit die Klage einer gesetzlichen Krankenkasse auf Erstattung von Behand­lungs­kosten in Höhe von über 20.000 Euro gegen den Betreiber eines Seniorenheims abwies. Das Gericht erkannte keine Pflicht­ver­letzung des Heims, welche zu einem Sturz einer bei Klägerin gesetzlich versicherten Seniorin geführt hätte.

Im zugrunde liegenden Streitfall verlangte eine Krankenkasse Schadenersatz von einem Seniorenheim aus auf sie übergegangenem Recht wegen eines Sturzes einer bei ihr Versicherten. Die Versicherte befindet sich seit 2008 in dem Seniorenheim. Sie leidet an Demenz vom Typ Alzheimer. In einem Pflegegutachten wurden der Seniorin Sturzneigung und eine Weglauftendenz bescheinigt. Das Betreu­ungs­gericht hatte auf Antrag Maßnahmen zur Fixierung der alten Dame genehmigt. Im August 2010 wurde die Alzheimer-Patientin wie jeden Tag in den Speisesaal geführt. Nachdem man sie in einen Sessel gesetzt hatte, wurde sie an den Tisch geschoben. Kurze Zeit später bemerkte das Pflegepersonal, dass die Seniorin nicht mehr in ihrem Sessel saß. Sie war in das Treppenhaus gelaufen, dort gestürzt und hatte sich Brüche, u. a. am Halswirbel, zugezogen. Die Klägerin zahlte deswegen Behandlungskosten über 20.000 Euro, welche sie vom Pflegeheim ersetzt haben wollte.

Krankenkasse verlangt Behand­lungs­kosten wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Heims erstattet

Die Klägerin war der Ansicht, das Heim habe den Sturz pflichtwidrig verursacht. Dem Heim seien die Weglauftendenz und die Sturzneigung bekannt gewesen. Am Sessel der Seniorin sei ein Fixierbrett anzulegen gewesen. Zudem sei die Bewohnerin des Seniorenheims pflichtwidrig nicht beaufsichtigt worden.

Seniorenheim weist Anschuldigungen zurück

Das Seniorenheim verteidigte sich damit, dass es der Betroffenen seit etwa einem Jahr nicht mehr gelungen wäre, aus eigener Kraft aufzustehen. Man habe die alte Dame ausreichend beaufsichtigt. Es sei nicht notwendig gewesen, ein Fixierbrett am Sessel der Heimbewohnerin anzubringen.

Das Landgericht Coburg wies die Klage ab. Es konnte eine Pflichtverletzung des Heims nicht feststellen. Die Pflicht eines Seniorenheims ist begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass beim Wohnen im Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner zu wahren und zu fördern sind. Aus der Tatsache, dass ein Schaden eingetreten ist, kann nicht im Nachhinein der Schluss auf eine Pflicht­wid­rigkeit des Heimträgers gezogen werden. Der Heimträger hat einen Beurtei­lungs­spielraum in der Entscheidung über die Anordnung freiheits­ent­zie­hender Maßnahmen. Sofern die Entscheidung vertretbar erscheint, führen eingetretene Unfälle nach der oberge­richt­lichen Rechtsprechung nicht zu einer Verant­wort­lichkeit des Heimträgers.

Zwangsweise Fixierung der Heimbewohnerin schien zurecht nicht mehr erforderlich

Das Landgericht kam nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass sich die Bewohnerin nicht in einer konkreten Gefah­ren­si­tuation befand. Zwar waren hinsichtlich der Betroffenen in einem Pflegegutachten über ein Jahr vor dem Unfall eine Sturzneigung und eine Weglauftendenz festgestellt worden. Jedoch gelangte das Gericht aufgrund Zeugen­ein­ver­nahmen zu dem Ergebnis, dass die Betroffene seit längerer Zeit nicht mehr selbst aus ihrer jeweiligen Sitzposition aufgestanden war. Daher gelangte das Gericht zu der Auffassung, dass eine zwangsweise Fixierung im Sessel nicht mehr erforderlich erschien. In der Pflege­do­ku­men­tation ist für die Zeit vor dem Unfall ausgeführt, dass die Erkrankte tagsüber sehr ruhig in ihrem Ohrensessel sitze und deshalb auf eine Fixierung verzichtet werde. Auch findet sich dort die Einschätzung, dass die Heimbewohnerin nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Bett oder Stuhl aufstehen könne, beim Sitzen bestehe keine Sturzgefahr.

Anbringen eines Fixierbretts am Sessel stellt deutliche Belastung für Heimbewohnerin dar

Das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass das Anbringen eines Fixierbretts am Sessel eine Belastung für die Heimbewohnerin dargestellt hätte. Eine Mitarbeiterin des Pflegepersonals hatte ausgesagt, dass die Bewohner das Fixierbrett als unangenehm empfinden, weil es auf dem Bauch aufliege. Es sei erkennbar, dass Heimbewohner das Fixierbrett störe. Das Gericht sah es als nicht geringfügige Belastung an, mehrere Stunden am Tag mit einem Brett dicht am Körper fixiert zu sein, da dadurch die Sitzposition innerhalb des Sessels nur eingeschränkt verändert werden könne. Auch die Tochter der Verunfallten hatte vom Heim gewünscht, auf das Fixierbrett zu verzichten. Dass das Betreu­ungs­gericht Fixierung genehmigt hatte, ist kein Befehl an den Heimträger, sondern lediglich die gerichtliche Erlaubnis.

Forderungen nach lückenloser Beaufsichtigung überschreitet das wirtschaftlich Zumutbare

Das Gericht erkannte auch keine Pflicht­ver­letzung darin, dass die Heimbewohnerin sich 10 bis 15 Minuten ohne Aufsicht im Speisesaal befunden hat. Nach der oberge­richt­lichen Rechtsprechung sind bis zu 15 Minuten ohne Beaufsichtigung keine Pflicht­ver­letzung des Heimträgers. Die Forderungen nach lückenloser Beaufsichtigung überschreite das wirtschaftlich Zumutbare. Im vorliegenden Fall waren die Türen des Speisesaals offen, so dass Blicke des Heimpersonals in den Saal auch innerhalb der 15 Minuten möglich waren. Das Nichterkennen des Weggehens eines einzelnen Heimbewohners stellt keine Pflicht­ver­letzung dar.

Mangels Pflicht­ver­letzung des Pflegeheims war die Klage der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung erfolglos.

Quelle: Landgericht Coburg/ra-online

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