15.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 16595

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Landgericht Bonn Urteil03.01.2013

Headhunter dürfen Telefon­zen­tralen nicht über wahre Absichten täuschenTäuschung über die Identität des Headhunters stellt unzumutbare Belästigung für den Arbeitgeber dar

Das Landgericht Bonn hat einem Headhunter per einstweiliger Verfügung verboten, fremde Unternehmen anzurufen und sich dabei unter falscher Namensnennung von den Mitarbeitern der Telefonzentrale zu den potenziellen Kunden des Perso­na­l­ver­mittlers verbinden zu lassen. Dadurch werde der Arbeitgeber unzumutbar belästigt.

In so gut wie jedem mittleren bis großen Unternehmen in Deutschland haben die Telefonistinnen in den Zentralen die Anweisung der Geschäfts­leitung, Headhunter nicht mit den eigenen Mitarbeitern zu verbinden. Gleichwohl nehmen die Headhunter immer wieder Erstkontakte zu potenziell wechselbereiten Personen in Unternehmen über das Telefon auf. Dabei melden sie sich häufig unter falschem Namen und umgehen so die Eingangs­kon­trolle in der jeweiligen Telefonzentrale.

Unternehmen beantragte einstweilige Verfügung gegen Perso­nal­be­ra­tungsfirma

Das Unternehmen des zugrunde liegenden Streitfalls ließ den Vorgang nicht auf sich ruhen, sondern beantragte gegen die Perso­nal­be­ra­tungsfirma eine einstweilige Verfügung auf künftige Unterlassung derartiger Kaltanrufe unter Namenstäuschung.

Einsatz verwerflicher Mittel und Methoden einzelner Marktteilnehmer überschreitet Grenze zum wettbe­wer­bs­widrigen Verhalten

Beim Landgericht Bonn gab dem Unternehmen recht und erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung. Allerdings stellten die Richter klar, dass nicht jedes Ansprechen eines vertraglich an einen Konkurrenten gebundenen Mitarbeiters unzulässig sei. Der Grund: Der volks­wirt­schaftlich erwünschte Leistungs­wett­bewerb bedarf eines möglichst ungebundenen Spiels der Kräfte auch auf dem Arbeitsmarkt. In Ansehung des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften einerseits und der Berufs­aus­übungs­freiheit für Perso­na­l­ver­mittler andererseits, sei immer eine Abwägung der Interessen aller beteiligten Marktteilnehmer notwendig. Die Grenze wettbe­wer­bs­widrigen Verhalten sei aber dort überschritten, wo einzelne Marktteilnehmer verwerfliche Mittel und Methoden einsetzen, betonte das Gericht. Als verwerflich nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb sehen die Richter die Identi­täts­täu­schung an. Hier werde der Arbeitgeber unzumutbar belästigt, denn es sei ein elementarer Grundsatz wettbe­werb­lichen Anstands, dass der Marktteilnehmer sich offen zu seiner Identität bekennt und diese nicht verbirgt.

Perso­nal­be­ra­tungsfirma verneint eigenes Fehlveralten durch Identi­täts­täu­schung

Die beklagte Perso­nal­be­ratung versuchte in dem entschiedenen Fall zu retten, was zu retten ist und argumentierte damit, bei dem getäuschten Mitarbeiter des angerufenen Unternehmens habe es sich doch „nur“ um eine in der Telefonzentrale Beschäftigte gehandelt. Aufgabe der in der Telefonzentrale tätigen Mitarbeiter sei in der Regel ausschließlich die bloße interne Weiterleitung und Vermittlung der Anrufer an den gewünschten Ansprechpartner, nicht aber die inhaltliche Ausein­an­der­setzung mit dem Anliegen der einzelnen Anrufer. Sie würden die Anrufer schlicht weiterleiten, ohne sich dabei irgendwelche Gedanken zu machen. Deshalb würden die betreffenden Personen in der Zentrale auch nicht in die Irre geführt.

Identi­täts­täu­schung nicht mehr durch Grundrecht der Berufs­aus­übungs­freiheit gedeckt

Das Landgericht lehnte diese Sichtweise allerdings ab. Denn aufgrund einer eidess­tatt­lichen Versicherung der Abtei­lungs­leiterin Personal und Organi­sa­ti­o­ns­ent­wicklung des angerufenen Unternehmens war hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiter der Telefonzentrale ausdrücklich angewiesen worden waren, Anrufe von Perso­na­l­ver­mittlern, „Headhuntern“ oder ähnlichen Dienstleistern nicht zu den Mitarbeitern durchzustellen, auch solche Anrufe nicht durchzustellen, bei denen der Anrufer sich nicht identifizierte. Ferner waren die Mitarbeiter der Telefonzentrale angewiesen worden, unerwünschte Kontakt­auf­nahmen zu melden. Wegen dieser betrieblichen Anweisung gab es für das Gericht nur eine Schluss­fol­gerung: Hätte der Headhunter seine wahre Identität preisgegeben, hätte die Telefonistin den Anruf nicht weitergeleitet. Eine solche Identi­täts­täu­schung ist nach dem Richterspruch nicht mehr durch das Grundrecht der Berufs­aus­übungs­freiheit gedeckt.

Quelle: Rechtsanwaltskammer des Saarlandes/ra-online

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