21.11.2024
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Landgericht Berlin Urteil13.04.2006

Berliner Ehrenmord-Prozess: Heranwachsender Türke wegen Mordes zu 9 Jahren und 3 Monaten Jugendstrafe verurteiltFreispruch für die beiden älteren Brüder - Mittäterschaft konnte nicht nachgewiesen werden

Das Landgericht Berlin hat den jüngsten Angeklagten, Ayhan S., wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb und unerlaubtem Führen einer halbau­to­ma­tischen Kurzwaffe zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte, der zur Tatzeit 18 Jahre und zehn Monate alt und damit Heranwachsender war, hat die Tötung seiner Schwester Hatin S. am ersten Verhandlungstag eingeräumt. Die Kammer erachtete dieses Geständnis auch aufgrund der übrigen Bewei­s­er­gebnisse als glaubhaft.

Sie sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte bei der Tötung heimtückisch, d. h. unter Ausnutzung der Wehrlosigkeit des durch den plötzlichen Angriff überraschten Opfers gehandelt hat. Sie hat weiter festgestellt, dass der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen seine Schwester tötete, da er sich der Familienehre wegen, die er durch den Lebensstil seiner Schwester verletzt sah, als Vollstrecker über deren Lebensrecht erhob. Als Maßstab für die Bewertung des Tatmotivs hat die Kammer auf die Vorstellungen der Rechts­ge­mein­schaft der Bundesrepublik Deutschland abgestellt.

Aufgrund der noch unreifen Persönlichkeit des Angeklagten Ayhan S. hat die Kammer Jugend­s­trafrecht angewandt, so dass die zu verhängende Sanktion zehn Jahre Jugendstrafe nicht überschreiten durfte. Zu seinen Gunsten hat sie u. a. berücksichtigt, dass der Angeklagte erstmals Unter­su­chungshaft erlitten hat und sich durch sein Geständnis zu der Tat bekannt hat. Zu seinen lasten hat sie insbesondere die schwerwiegenden Tatfolgen gewertet. Die Kammer hat darauf hingewiesen, dass sie eine gerechte Strafe für diese konkrete Tat zu finden hatte, die Statuierung eines Exempels sei nicht ihre Aufgabe gewesen.

Die beiden älteren Brüder, denen mit der Anklageschrift zur Last gelegt worden war, gemein­schaftlich mit dem Angeklagten Ayhan S. ihre Schwester Hatin S. ermordet zu haben, hat das Gericht gegen den Antrag der Staats­an­walt­schaft freigesprochen.

Es konnte sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit von der Täterschaft dieser Angeklagten oder ihrer Beteiligung an der Tat des Bruders überzeugen. Nach der ausführlichen mündlichen Urteils­be­gründung boten die Angaben der Haupt­be­las­tungs­zeugin Melek A. keine zuverlässige Grundlage für eine solche Überzeugung. Danach hat die Zeugin im Wesentlichen Angaben darüber gemacht, was ihr von dem Angeklagten Ayhan S. über die Tat berichtet worden war. Sie war insoweit eine sog. Zeugin vom Hören-Sagen, deren Angaben eine sorgfältige Würdigung auf die Tragfähigkeit dieser Angaben erforderlich machten. Die Kammer hätte sich in einem ersten Schritt davon überzeugen müssen, dass diese Zeugin nur berichtet, was ihr tatsächlich von Ayhan erzählt wurde und - in einem weiteren Schritt -, dass ihr durch Ayhan S. die Wahrheit berichtet wurde. Hinsichtlich der Angaben, die die beiden Brüder belasteten, hat die Kammer entweder Zweifel an der Zuverlässigkeit der Angaben der Zeugin oder an dem Wahrheitsgehalt der Angaben Ayhans ihr gegenüber geäußert. Soweit die Zeugin Angaben aufgrund eigenen Erlebens gemacht hat, rechtfertigten diese zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht den Schluss auf eine Tatbeteiligung der beiden Brüder. Weitere belastende Beweise oder Beweisanzeichen lagen nach Auffassung der Kammer nicht vor.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/06 des KG Berlin vom 13.04.2006

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