21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 21362

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil06.02.2014

In Probezeit aufgrund von Arbeits­un­fä­higkeit gekündigter Arbeitnehmer kann über das Arbeits­ver­hältnis hinaus Anspruch auf Lohnfortzahlung habenVoraussetzung ist Ablauf der vierwöchigen Wartezeit

Wird ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeits­un­fä­higkeit gekündigt, so steht ihm über das Arbeits­ver­hältnis hinaus dann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu, wenn vor dem Ende des Arbeits­verhält­nisses die vierwöchige Wartezeit (§ 3 Abs. 3 Entgelt­fort­zahlungs­gesetz) abgelaufen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Schleswig-Holstein hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem eine Frau am 20.08.2012 eine Tätigkeit im Versand aufnahm, meldete sie sich sieben Tage später als arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis am 03.09.2012 innerhalb der Probezeit zum 18.09.2012. Aufgrund der nach § 3 Abs. 3 EFZG geltenden vierwöchigen Wartezeit zahlte die Arbeitgeberin während der Dauer des Arbeits­ver­hält­nisses kein Gehalt. Auch über diesen Zeitraum hinaus erfolgten keine Gehalts­zah­lungen. Vielmehr zahlte die Krankenkasse der gekündigten Frau vom 19.09.2012 bis zum 28.102012 Krankengeld in Höhe von über 1.450 EUR. Nach Ansicht der Krankenkasse sei die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen trotz des nicht mehr bestehenden Arbeits­ver­hält­nisses ab dem 19.09.2012 den Lohn weiter zu zahlen. Sie erhob daher Klage auf Erstattung des gezahlten Krankengelds.

Arbeitsgericht gab Zahlungsklage statt

Das Arbeitsgericht Lübeck gab der Zahlungsklage der Krankenkasse statt. Die Arbeitgeberin sei nämlich verpflichtet gewesen gemäß § 8 Abs. 1 EFZG, ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin für die Zeit vom 19.09.2012 bis zum 28.10.2012 Gehalt zu zahlen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Berufung ein.

Landes­a­r­beits­gericht bejahte ebenfalls Erstat­tungs­an­spruch hinsichtlich des Krankengelds

Das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Das Arbeitsgericht habe der Krankenkasse zu Recht den Erstat­tungs­an­spruch zuerkannt.

Aufgrund von Arbeits­un­fä­higkeit gekündigter Arbeitnehmer kann über das Arbeits­ver­hältnis hinaus Anspruch auf Lohnfortzahlung haben

Das Landes­a­r­beits­gericht führte zum Fall aus, dass einem Arbeitnehmer trotz eines nicht mehr bestehenden Arbeits­ver­hält­nisses nach § 8 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zusteht, wenn er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wurde und die nach § 3 Abs. 3 EFZG zu beachtende vierwöchige Wartezeit abgelaufen ist. Beides sei hier der Fall gewesen. Es sei angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Kündigung und Anzeige der Arbeits­un­fä­higkeit zu vermuten gewesen, dass die Kündigung aus Anlass der Erkrankung erfolgte (sog. Anscheinsbeweis).

Fehlende Motivation und Einsatz­be­reit­schaft als Kündigungsgrund zweifelhaft

Zwar könne der Anscheinsbeweis erschüttert werden, so das Landes­a­r­beits­gericht. Diese sei der Arbeitgeberin aber nicht gelungen. Soweit sie als Kündigungsgrund anführte, dass der Arbeitnehmerin die Motivation und Einsatz­be­reit­schaft gefehlt habe, hielt es das Gericht für zweifelhaft, dass ein sozial-verant­wort­licher Arbeitgeber innerhalb der Probezeit bereits am Ende der ersten Arbeitswoche eine endgültige Leistungs­be­ur­teilung fällt, die zur Kündigung führt. Es sei zu beachten, dass die Probezeit der Einarbeitung und der Erprobung dient. Entscheidet sich ein Arbeitgeber daher bereits nach vier Tagen den Arbeitnehmer zu kündigen, so müssen ganz gravierende Leistungsmängel oder Vertrau­ens­brüche vorliegen. Solche schwerwiegenden arbeits­ver­trag­lichen Pflicht­ver­let­zungen habe die Arbeitgeberin aber nicht dargelegt. Aber selbst wenn dies anzunehmen sei, habe einiges dafür gesprochen, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeits­un­fä­higkeit erfolgte. Denn diese wurde zu einem Zeitpunkt ausgesprochen als feststand, dass die Arbeitnehmerin längerfristig und damit über die vierwöchige Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG hinaus arbeitsunfähig krank sein wird.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (vt/rb)

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