Dokument-Nr. 21362
Permalink https://urteile.news/
- Arbeitsgericht Lübeck, Urteil14.08.2013, 5 Ca 609/13
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil06.02.2014
In Probezeit aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gekündigter Arbeitnehmer kann über das Arbeitsverhältnis hinaus Anspruch auf Lohnfortzahlung habenVoraussetzung ist Ablauf der vierwöchigen Wartezeit
Wird ein Arbeitnehmer aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit gekündigt, so steht ihm über das Arbeitsverhältnis hinaus dann ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu, wenn vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses die vierwöchige Wartezeit (§ 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz) abgelaufen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem eine Frau am 20.08.2012 eine Tätigkeit im Versand aufnahm, meldete sie sich sieben Tage später als arbeitsunfähig erkrankt. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis am 03.09.2012 innerhalb der Probezeit zum 18.09.2012. Aufgrund der nach § 3 Abs. 3 EFZG geltenden vierwöchigen Wartezeit zahlte die Arbeitgeberin während der Dauer des Arbeitsverhältnisses kein Gehalt. Auch über diesen Zeitraum hinaus erfolgten keine Gehaltszahlungen. Vielmehr zahlte die Krankenkasse der gekündigten Frau vom 19.09.2012 bis zum 28.102012 Krankengeld in Höhe von über 1.450 EUR. Nach Ansicht der Krankenkasse sei die Arbeitgeberin verpflichtet gewesen trotz des nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnisses ab dem 19.09.2012 den Lohn weiter zu zahlen. Sie erhob daher Klage auf Erstattung des gezahlten Krankengelds.
Arbeitsgericht gab Zahlungsklage statt
Das Arbeitsgericht Lübeck gab der Zahlungsklage der Krankenkasse statt. Die Arbeitgeberin sei nämlich verpflichtet gewesen gemäß § 8 Abs. 1 EFZG, ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin für die Zeit vom 19.09.2012 bis zum 28.10.2012 Gehalt zu zahlen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Berufung ein.
Landesarbeitsgericht bejahte ebenfalls Erstattungsanspruch hinsichtlich des Krankengelds
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Das Arbeitsgericht habe der Krankenkasse zu Recht den Erstattungsanspruch zuerkannt.
Aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gekündigter Arbeitnehmer kann über das Arbeitsverhältnis hinaus Anspruch auf Lohnfortzahlung haben
Das Landesarbeitsgericht führte zum Fall aus, dass einem Arbeitnehmer trotz eines nicht mehr bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 8 Abs. 1 EFZG ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zusteht, wenn er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wurde und die nach § 3 Abs. 3 EFZG zu beachtende vierwöchige Wartezeit abgelaufen ist. Beides sei hier der Fall gewesen. Es sei angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Kündigung und Anzeige der Arbeitsunfähigkeit zu vermuten gewesen, dass die Kündigung aus Anlass der Erkrankung erfolgte (sog. Anscheinsbeweis).
Fehlende Motivation und Einsatzbereitschaft als Kündigungsgrund zweifelhaft
Zwar könne der Anscheinsbeweis erschüttert werden, so das Landesarbeitsgericht. Diese sei der Arbeitgeberin aber nicht gelungen. Soweit sie als Kündigungsgrund anführte, dass der Arbeitnehmerin die Motivation und Einsatzbereitschaft gefehlt habe, hielt es das Gericht für zweifelhaft, dass ein sozial-verantwortlicher Arbeitgeber innerhalb der Probezeit bereits am Ende der ersten Arbeitswoche eine endgültige Leistungsbeurteilung fällt, die zur Kündigung führt. Es sei zu beachten, dass die Probezeit der Einarbeitung und der Erprobung dient. Entscheidet sich ein Arbeitgeber daher bereits nach vier Tagen den Arbeitnehmer zu kündigen, so müssen ganz gravierende Leistungsmängel oder Vertrauensbrüche vorliegen. Solche schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen habe die Arbeitgeberin aber nicht dargelegt. Aber selbst wenn dies anzunehmen sei, habe einiges dafür gesprochen, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgte. Denn diese wurde zu einem Zeitpunkt ausgesprochen als feststand, dass die Arbeitnehmerin längerfristig und damit über die vierwöchige Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG hinaus arbeitsunfähig krank sein wird.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.07.2015
Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (vt/rb)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil21362
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.