24.11.2024
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Dokument-Nr. 720

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil24.07.2001

Ordentliche Kündigung wegen alkohol­be­dingter Suchtkrankheit

Häufige Fehlzeiten aufgrund einer Alkoholsucht kann eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund mehrerer fehlge­schlagener Entzugs­the­rapien auch weiterhin mit einer Rückfallgefahr zu rechnen ist. Nach Ausspruch der Kündigung durchgeführte Behandlungen und Ergebnisse können nicht zur Korrektur der Negativprognose herangezogen werden. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht mit Urteil vom 24.07.2001 entschieden (3 Sa 317/01).

Die Parteien führten einen Kündi­gungs­schutz­prozess. Die heute 45-jährige Klägerin war seit 1974 als Bankkauffrau bei einer Handelsbank in Neumünster beschäftigt. Im Herbst 1994 wurden Alkoholprobleme der Klägerin offenkundig und die Sucht­be­auf­tragte der Beklagten versuchte nunmehr fortlaufend, die Klägerin durch Gespräche, Beratungen und Hilfestellungen zu unterstützen. Die Klägerin wurde jedoch immer wieder rückfällig, sodass die Beklagte im November 1996 eine Abmahnung aussprach. Auf mehrfaches Drängen der Beklagten trat die Klägerin im Januar 1999 eine viermonatige Entziehungskur an. Kurz darauf wurde sie wieder rückfällig. Im August 1999 unterzog sie sich einer zweiten Entziehungskur und blieb bis Ende 1999 aufgrund ihrer Alkoho­le­r­krankung arbeitsunfähig. Seit November 1999 ist die Klägerin aufgrund ihrer Alkoholsucht zu 50 % schwerbehindert. Im Frühjahr 2000 wurde eine sich steigernde Wieder­ein­glie­derung der Klägerin versucht, die mehrfach durch erneute Rückfälle abgebrochen werden musste. Mitte April 2000 wurde die Klägerin erneut wegen alkohol­be­dingter Krankheit in einer Klinik aufgenommen, woraufhin die Beklagte nach Einholung der Zustimmung des Betriebsrates und der Fürsorgestelle das Arbeits­ver­hältnis im Mai 2000 zum 31.12.2000 fristgerecht kündigte. Während des Laufs der Kündigungsfrist fehlte die Klägerin nicht mehr krank­heits­bedingt. Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Kündi­gungs­schutzklage mit Urteil vom 14.03.2000 ab (3 Sa 909 d/00). Die von der Klägerin eingelegte Berufung blieb erfolglos.

Zur Begründung führte das Landes­a­r­beits­gericht unter Bezugnahme auf das erstin­sta­nzliche Urteil aus, dass an die für eine krank­heits­be­dingte Kündigung erforderliche negative Gesund­heits­prognose im Falle einer Alkoho­le­r­krankung geringere Anforderungen zu stellen seien. Die Alkoholsucht sei eine Krankheit, die nicht ausheile, sondern lediglich zum Stillstand gebracht werden könne. Nur ein „trockener" Alkoholiker, der eine Langzeit­therapie erfolgreich abgeschlossen habe, sei in der Lage und dazu trainiert worden, sein Verhalten dahingehend willentlich zu steuern, das sog. „erste Glas" stehen zu lassen. Im Mai 2000 sei die Beklagte aufgrund der diversen erfolglosen Hilfeleistungen und Entzugs­the­rapien von einer weiter bestehenden Rückfallgefahr ausgegangen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass sie nach Ausspruch der Kündigung nicht mehr alkoholbedingt gefehlt habe. Die Gesund­heits­prognose sei vom Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung an zu stellen, danach durchgeführte Behandlungen und Ergebnisse könnten nicht zur Korrektur der Negativprognose herangezogen werden. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Abstinenz während der mehrmonatigen Kündigungsfrist auch keinen Wieder­ein­stel­lungs­an­spruch, weil sie nicht überzeugend dargelegt habe, dass eine Wieder­ho­lungs­gefahr jetzt ausgeschlossen sei, wobei erschwerdend zu berücksichtigen sei, dass es sich bei Alkoholismus um eine Dauererkrankung handele.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 9/01 des LAG Schleswig-Holstein vom 02.10.2001

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