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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil13.01.2011
LAG Hamm: Streik in kirchlichen Einrichtungen nicht ausnahmslos unzulässigLandesarbeitsgericht zur Zulässigkeit von Streikmaßnahmen im Bereich der Evangelischen Kirche
Da in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Tätigkeit nicht gemäß der christlicher Überzeugung zum geleisteten "Dienst am Nächsten" zählen, wie z.B. Beschäftigte der Krankenhausküche oder Reinigungsdienste, sind auch in kirchlichen Einrichtungen gewerkschaftlich organisierte Streikmaßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Im zugrunde liegenden Fall hatte im August 2008 die Gewerkschaft ver.di den Verband der Diakonischen Dienstgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert, was dieser ablehnte. Daraufhin rief die Gewerkschaft die Mitarbeiter in Diakonischen Einrichtungen in NRW zu Aktionen und Warnstreiks auf. Im Mai 2009 fand eine Streik- und Aktionswoche statt.
Arbeitsgericht verurteilt Gewerkschaft ver.di zur Unterlassung von Streikmaßnahmen
Gegen die Arbeitskampfmaßnahmen regte sich die von der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover sowie Diakonischen Werken, Diakonien und weiteren Einrichtungen beim Arbeitsgericht Bielefeld erhobene Klage. Mit Urteil vom 3. März 2010 hat das Arbeitsgericht die Gewerkschaft ver.di zur Unterlassung von Streikmaßnahmen gegenüber der Evangelischen Kirche, dem Diakonischen Werk und einzelner Einrichtungen verurteilt.
Gewerkschaftlich organisierte Streikmaßnahmen auch in kirchlichen Einrichtungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Klage im Gegensatz zur Vorinstanz abgewiesen, da auch in kirchlichen Einrichtungen gewerkschaftlich organisierte Streikmaßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.
Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen Einrichtungen unverhältnismäßig
Bei der Abwagung zwischen dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und dem nach Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Streikrecht ist zu berücksichtigen, dass in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Tätigkeit nicht zum in christlicher Überzeugung geleisteten "Dienst am Nächsten" zählen. Äußerlich erkennbar wird dies u. a. daran, dass bestimmte Aufgabenbereiche mit Hilfsfunktionen (z. B. Krankenhausküche, Reinigungsdienst) ausgegliedert und auf nicht kirchliche Einrichtungen übertragen werden können. Daher ist ein Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen Einrichtungen unverhältnismäßig. Schon deswegen ist der umfassende Unterlassungsantrag der Kläger unbegründet.
Hauptamtliche Gewerkschaftsvertreter können keinen maßgeblichen Einfluss ausüben
Der Ausschluss des Streikrechts lasst sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass in kirchlichen Einrichtungen der "Dritte Weg" beschritten wird. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch Beschlüsse der "Arbeitsrechtlichen Kommission" stellt kein gleichwertiges System zur Regelung der Arbeitsbedingungen nach § 9 Abs. 3 GG dar. Da 2/3 der Arbeitnehmervertreter der "Arbeitsrechtlichen Kommission" im kirchlichen Dienst tätig sein müssen, können hauptamtliche Gewerkschaftsvertreter keinen maßgeblichen Einfluss ausüben. Weitere Einschränkungen gewerkschaftlicher Interessenvertretung erfolgt dadurch, dass sich die Arbeitnehmervertreter aus sämtlichen in der Einrichtung vertretenen Mitarbeitervereinigungen zusammensetzen müssen. Daher kann auch die formale Gleichheit der Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberstimmen in der Kommission die im Vergleich zum staatlichen Tarif- und Arbeitskampfrecht erkennbare Beschränkung der kollektiven Interessenvertretung nicht ausgleichen.
Welche Einschränkungen des Streikrechts aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen folgen und wie der "Dritte Weg" auszugestalten ist, um eine Gleichwertigkeit der Gestaltung der Arbeitsbedingungen annehmen zu können, musste die Kammer nicht entscheiden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.01.2011
Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm/ra-online
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