23.11.2024
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Landesarbeitsgericht Hamm Urteil13.01.2011

LAG Hamm: Streik in kirchlichen Einrichtungen nicht ausnahmslos unzulässigLandes­a­r­beits­gericht zur Zulässigkeit von Streikmaßnahmen im Bereich der Evangelischen Kirche

Da in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Tätigkeit nicht gemäß der christlicher Überzeugung zum geleisteten "Dienst am Nächsten" zählen, wie z.B. Beschäftigte der Kranken­hausküche oder Reini­gungs­dienste, sind auch in kirchlichen Einrichtungen gewerk­schaftlich organisierte Streikmaßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Im zugrunde liegenden Fall hatte im August 2008 die Gewerkschaft ver.di den Verband der Diakonischen Dienstgeber zu Tarif­ver­hand­lungen aufgefordert, was dieser ablehnte. Daraufhin rief die Gewerkschaft die Mitarbeiter in Diakonischen Einrichtungen in NRW zu Aktionen und Warnstreiks auf. Im Mai 2009 fand eine Streik- und Aktionswoche statt.

Arbeitsgericht verurteilt Gewerkschaft ver.di zur Unterlassung von Streikmaßnahmen

Gegen die Arbeits­kampf­maß­nahmen regte sich die von der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover sowie Diakonischen Werken, Diakonien und weiteren Einrichtungen beim Arbeitsgericht Bielefeld erhobene Klage. Mit Urteil vom 3. März 2010 hat das Arbeitsgericht die Gewerkschaft ver.di zur Unterlassung von Streikmaßnahmen gegenüber der Evangelischen Kirche, dem Diakonischen Werk und einzelner Einrichtungen verurteilt.

Gewerk­schaftlich organisierte Streikmaßnahmen auch in kirchlichen Einrichtungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen

Das Landes­a­r­beits­gericht Hamm hat die Klage im Gegensatz zur Vorinstanz abgewiesen, da auch in kirchlichen Einrichtungen gewerk­schaftlich organisierte Streikmaßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen Einrichtungen unver­hält­nismäßig

Bei der Abwagung zwischen dem verfas­sungs­rechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und dem nach Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Streikrecht ist zu berücksichtigen, dass in kirchlichen Einrichtungen auch Arbeitnehmer beschäftigt werden, deren Tätigkeit nicht zum in christlicher Überzeugung geleisteten "Dienst am Nächsten" zählen. Äußerlich erkennbar wird dies u. a. daran, dass bestimmte Aufga­ben­be­reiche mit Hilfsfunktionen (z. B. Kranken­hausküche, Reini­gungs­dienst) ausgegliedert und auf nicht kirchliche Einrichtungen übertragen werden können. Daher ist ein Ausschluss des Streikrechts in kirchlichen Einrichtungen unver­hält­nismäßig. Schon deswegen ist der umfassende Unter­las­sungs­antrag der Kläger unbegründet.

Hauptamtliche Gewerk­schafts­ver­treter können keinen maßgeblichen Einfluss ausüben

Der Ausschluss des Streikrechts lasst sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass in kirchlichen Einrichtungen der "Dritte Weg" beschritten wird. Die Gestaltung der Arbeits­be­din­gungen durch Beschlüsse der "Arbeits­recht­lichen Kommission" stellt kein gleichwertiges System zur Regelung der Arbeits­be­din­gungen nach § 9 Abs. 3 GG dar. Da 2/3 der Arbeit­neh­mer­ver­treter der "Arbeits­recht­lichen Kommission" im kirchlichen Dienst tätig sein müssen, können hauptamtliche Gewerk­schafts­ver­treter keinen maßgeblichen Einfluss ausüben. Weitere Einschränkungen gewerk­schaft­licher Inter­es­sen­ver­tretung erfolgt dadurch, dass sich die Arbeit­neh­mer­ver­treter aus sämtlichen in der Einrichtung vertretenen Mitar­bei­ter­ver­ei­ni­gungen zusammensetzen müssen. Daher kann auch die formale Gleichheit der Anzahl von Arbeitnehmer- und Arbeit­ge­ber­stimmen in der Kommission die im Vergleich zum staatlichen Tarif- und Arbeits­kampfrecht erkennbare Beschränkung der kollektiven Inter­es­sen­ver­tretung nicht ausgleichen.

Welche Einschränkungen des Streikrechts aus dem Selbst­be­stim­mungsrecht der Kirchen folgen und wie der "Dritte Weg" auszugestalten ist, um eine Gleich­wer­tigkeit der Gestaltung der Arbeits­be­din­gungen annehmen zu können, musste die Kammer nicht entscheiden.

Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm/ra-online

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