18.10.2024
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Dokument-Nr. 25068

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Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss30.08.2016

Verdachts­kün­digung bei "hoher Wahrschein­lichkeit" der Täterschaft aufgrund schrift­vergleichenden Gutachtens unzulässigKeine Umgehung einer unzulässigen Tatkündigung durch Verdachts­kün­digung

Spricht ein schrift­vergleichendes Gutachten mit "hoher Wahrschein­lichkeit" für die Täterschaft eines Arbeitnehmers, ist eine Verdachts­kün­digung unzulässig. Ist die Urheberschaft eines Mobbings-Schreibens nicht eindeutig, so dass eine Tatkündigung nicht in Betracht kommt, kann stattdessen keine Verdachts­kün­digung ausgesprochen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­arbeits­gerichts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2014 fand die Mitarbeiterin eines Senio­ren­zentrums in ihrem Postfach eine Trauerkarte, die mit schwarzen Trauerflor und außen mit den aufgedruckten Worten "In stiller Trauer" sowie mit den handschrift­lichen Worten "für Dich (bist die nächste)" versehen war. Der Arbeitgeberin war es in der Folgezeit trotz einiger Bemühungen nicht möglich, die Urheberschaft der Karte zu klären. Da sie aber eine Vermutung hatte, beauftragte die Arbeitgeberin Mitte März 2015 ein schrift­ver­glei­chendes Gutachten. Sie reichte dabei nur Schriftproben ein von Personen, die sie als Täter vermutete. Der Sachverständige kam schließlich zum Schluss, dass die Trauerkarte "mit hoher Wahrschein­lichkeit" von einer Betriebsrätin stammte. Die Arbeitgeberin beabsichtigte aufgrund dessen den Ausspruch einer Verdachtskündigung und bat dem Betriebsrat um Zustimmung. Dieser verweigerte aber eine Zustimmung, so dass die Arbeitgeberin einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht Bochum stellte.

Arbeitsgericht weist Antrag zurück

Das Arbeitsgericht Bochum wies den Antrag zurück. Seiner Auffassung nach lasse sich der erforderliche Verdacht für die Begründung der Verdachts­kün­digung nicht feststellen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein.

Landes­a­r­beits­gericht verneint ebenfalls Anspruch auf Zustimmung zur Verdachts­kün­digung

Das Landes­a­r­beits­gericht Hamm bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und wies daher die Beschwerde der Arbeitgeberin zurück. Eine Verdachts­kün­digung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf konkrete Tatsachen stütze und diese dringend seien. Es müsse eine große Wahrschein­lichkeit dafür bestehen, dass der Verdacht zutrifft. Bloße Vermutungen reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. So lag der Fall hier aber.

"Hohe Wahrschein­lichkeit" der Urheberschaft begründet keinen dringenden Tatverdacht

Allein aus einer "hohen Wahrschein­lichkeit" lasse sich kein dringender Tatverdacht ableiten, so das Landes­a­r­beits­gericht. Denn insofern sei zu berücksichtigen, dass es bei schrift­ver­glei­chenden Gutachten oberhalb der Kategorie "hohe Wahrschein­lichkeit" noch die Kategorien "mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit" und "mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit" gebe. Sei die Führung eines Beweises für eine Tatkündigung durch Beauftragung eines schriftlichen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens möglich, komme dieses Gutachten aber zum Ergebnis, dass keine eindeutige Urheberschaft bestehe, könne eine Verdachts­kün­digung nicht herhalten, um trotz des nicht eindeutigen Ergebnisses des Gutachtens eine Verdachts­kün­digung zu rechtfertigen. Es sei zu beachten, dass die Verdachts­kün­digung subsidiär sei und der Beweisnot des Arbeitgebers Rechnung tragen solle. In einer solchen Beweisnot habe sich die Arbeitgeberin aber nicht befunden, da ihr das Mittel des schrift­ver­glei­chenden Gutachtens zur Verfügung gestanden habe.

Erforderliche Einholung von Schriftproben sämtlicher Beschäftigter

Zudem wies das Landes­a­r­beits­gericht darauf hin, dass die Arbeitgeberin nicht alles Zumutbare unternommen habe, um den Sachverhalt aufzuklären. So habe die Arbeitgeberin die vermeintliche Täterin anhören und Schriftproben sämtlicher Beschäftigter zur Begutachtung vorlegen müssen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

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