Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil23.06.2017
Freifahrticket für Ehepartner von Angestelltem eines öffentlichen Nahverkehrsunternehmens ist BetriebsrentenleistungLeistung der betrieblichen Altersversorgung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit besonders geschützt
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Freifahrtickets, die einem Angestellten eines öffentlichen Nahverkehrsunternehmen für seine Ehefrau für die Zeit des Bezugs von Betriebsrente gewährt werden, eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung ist.
Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen. Der Kläger ist dort seit 1977 als Busfahrer beschäftigt und befindet sich seit dem 1. Dezember 2013 in der sog. Passivphase der Altersteilzeit. Die Beklagte gewährte der Ehefrau des Klägers wie allen übrigen Ehepartnern ihrer Beschäftigten und Betriebsrentnern bis zum 31. Dezember 2015 unentgeltlich ein VRR-Ticket. Grundlage der Gewährung waren in der Vergangenheit u.a. die "Bestimmungen über die Gewährung von Dienstausweisen, Frei-Fahrkarten, Familien-Fahrkarten, Lehrlings- und Schülerkarten“ vom 25. Oktober 1958, wonach verheiratete Belegschaftsmitglieder Familien-Fahrkarten erhielten, die auch für die Ehefrau des Belegschaftsmitgliedes gültig waren. Am 27. November 1991 schloss die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, wonach Arbeitnehmer der Beklagten ein Ticket 2000 unter dem Begriff "Firmenservice" erhalten sollten. Jeder Arbeitnehmer konnte unabhängig davon ein Ticket seiner Wahl ohne Zuzahlung für seinen jeweiligen Familienangehörigen beziehen. Diese wurden während des Ruhestands weiter gewährt. Zum 1. Januar 2016 vereinbarte die Beklagte eine Betriebsvereinbarung (BV 2016), die alle vorhergehenden Regelungen und Betriebsvereinbarungen betreffend das Firmenticket ersetzen sollte. Ab dem 1. Januar 2016 gewährte die Beklagte der Ehefrau des Klägers kein Ticket mehr.
Änderung der Betriebsvereinbarung gilt nur für aktiven Zeit als Arbeitnehmer
Die Klage hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf nur teilweise Erfolg. Die BV 2016 konnte die Regelungen bei der Beklagten über die Gewährung von Freifahrtickets ab dem 1. Januar 2016 ablösen. Es handelte sich insgesamt um Vereinbarungen bzw. Regelungen, die einen kollektiven Bezug hatten, d.h. "betriebsvereinbarungsoffen" waren. Sie konnten durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Während der aktiven Zeit als Arbeitnehmer hat der Kläger deshalb keinen Anspruch auf ein Freifahrticket für seine Ehefrau mehr. Die Auslegung der BV 2016 ergibt, dass sie diesen Anspruch vollständig abgeschafft hat. Soweit dies auch für die Zeit des Ruhestandes gelten soll, ist die Ablösung unwirksam. Die dem Kläger gewährte Leistung der freien Fahrt für seine Ehefrau ist für die Zeit des Bezugs von Betriebsrente eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Diese ist nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit besonders geschützt, die hier einer Ablösung entgegenstanden. Der Kläger kann für seine Ehefrau ab Betriebsrentenbeginn (1. Dezember 2018) das zuletzt von dieser bis zum 31. Dezember 2015 bezogene Ticket 1000 Preisstufe D des VRR verlangen, solange die Eheleute verheiratet sind und im gleichen Haushalt leben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2017
Quelle: Landesarbeitsgericht Düsseldorf/ra-online