Dokument-Nr. 6692
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Kammergericht Berlin Beschluss03.12.2007
Unbefugtes Fahren auf der BusspurFalschfahrer behält Vorfahrtsrecht
Wer unbefugt einen gekennzeichneten Sonderfahrstreifen (Busspur) benutzt, verliert dadurch nicht die ihm vor einem Linksabbieger im Begegnungsverkehr zustehende Vorfahrt. Dies hat das Kammergericht entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall war ein sorgfaltswidriger Linksabbieger mit einem Geradeausfahrer zusammengestoßen, als er auf einer Straßenkreuzung die Fahrlinie des dreispurigen Gegenverkehrs kreuzte. Der entgegenkommende Geradeausfahrer befuhr die rechte der drei Fahrspuren, die als Busspur gekennzeichnet war und nur von Bussen und Taxis befahren werden durfte. Zuvor hatten die dem Linksabbieger auf den beiden linken Fahrspuren entgegenkommenden Fahrzeuge diesem die Vorfahrt gewährt. Der Linksabbieger kreuzte die beiden Fahrbahnen, übersah jedoch den auf der rechten Busspur fahrenden PKW und kollidierte mit diesem.
Vorfahrtsverzicht der Fahrzeuge auf dem zweiten und dritten Fahrstreifen wirkt nicht zu Lasten anderer Bevorrechtigter
Das Kammergericht Berlin entschied, dass der Linksabbieger nicht allein wegen des Vorfahrtverzichts der Fahrzeuge auf der zweiten und dritten Fahrspur darauf hätte vertrauen dürfen, dass auf dem ersten (rechten) Fahrstreifen kein Fahrzeug fahren würde. Der Vorfahrtverzicht der Fahrzeuge auf dem zweiten und dritten Fahrstreifen wirke nicht zu Lasten anderer Bevorrechtigter.
Ordnungsrechtliche Regelung über die Busspur schützt nicht sorgfaltswidrige Linksabbieger
Dass der Fahrer auf der rechten Fahrspur verkehrswidrig die Busspur benutzt habe, ändere an dieser Bewertung nichts. Er habe die Busfahrspur zwar unberechtigt und ordnungswidrig befahren. Jedoch handele es sich bei der Regelung über Sonderstreifen (Busspuren) nicht um ein Schutzgesetz zu Gunsten sorgfaltswidriger Linksabbieger. Die Wartepflicht des Linksabbiegers hänge nicht von der Fahrstreifenwahl des Gegenverkehrs ab. Dafür spreche auch, dass für den wartenden Linksabbieger schon gar nicht erkennbar sei, ob es sich bei dem vom Gegenverkehr benutzten Fahrstreifen überhaupt um eine Busspur handele und zu welchen Zeiten diese ausschließlich von Bussen befahren werden dürfe.
Grundsatz: Wer keine Vorfahrt hat, darf nur weiterfahren, wenn er die Gefährdung des Vorfahrtsberechtigten ausschließen kann
Es bleibt auch in der vorliegenden Fallkonstellation bei dem Grundsatz, dass der wartepflichtige Autofahrer nur dann weiterfahren darf, wenn er freie Sicht hat und eine Gefährdung der Vorfahrtsberechtigten ausschließen kann.
Vorsichtiges Vortasten
Andernfalls, so das Kammergericht Berlin, müsse er sich in die Kreuzung oder Einmündung vortasten, bis er die Übersicht habe. „Vorsichtig Vortasten“ sei das zentimeterweise Vorrollen bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten. Dies bedeute ein Vorrollen um jeweils nur wenige Zentimeter, danach ein Anhalten und ein mehrfaches Wiederholen dieses Vorgangs über einen längeren Zeitraum. Dieser Pflicht genüge nicht, wer einfach ohne Unterbrechung bis zum Übersichtspunkt vorrolle.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.09.2008
Quelle: ra-online (we)
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