In dem zugrunde liegenden Fall errichtete ein Ehepaar im Jahr 1969 ein gemeinschaftliches Testament. In diesem setzten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben und die 3 Kinder der Geschwister des einen Ehegatten als Schlusserben ein. Nach dem Tod seiner Ehefrau, errichtete der Ehemann im August 1989 ein eigenhändiges Testament, wodurch er seinen Nachlass neben seinen Neffen und Nichten noch anderen Personen zuwendete. Nach dessen Tod beantragte eine Nichte des Erblassers trotz dieser letztwilligen Verfügung einen Erbschein, der sie zu 1/3 als Erbin ausweisen sollte. Nachdem sowohl das zuständige Nachlassgericht als auch das Landgericht den Antrag ablehnten, musste das Kammergericht über den Fall entscheiden.
Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der Erblasser habe durch das eigenhändige Testament vom August 1989 das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 1969 widerrufen dürfen. Die Nichte habe daher nicht zu 1/3 den Nachlass des Erblassers geerbt.
Zwar sei es richtig, so das Kammergericht, dass von den Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments dann nicht abgewichen werden darf, wenn sie wechselbezüglich getroffen wurden. Von einer Wechselbezüglichkeit sei dann auszugehen, wenn die Ehefrau den Erblasser nur deshalb als Erben einsetzte, weil der Erblasser seine Nichten und Neffen als Schlusserben einsetzte. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei in einem solchen Fall davon auszugehen, dass der Vorversterbende dem Überlenden das Recht belassen will, die Verfügung der Schlusserbeneinsetzung seiner eigenen Verwandten zu ändern.
Auch die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB, wonach eine Wechselbezüglichkeit anzunehmen ist, wenn die Schlusserbeneinsetzung zu Gunsten einer Person erfolgte, die mit dem Vorversterbenden verwandt ist oder sonst nahe steht, habe nach Ansicht des Kammergerichts nicht gegriffen. Die Nichten und Neffen des Erblassers seien mit der Ehefrau nicht verwandt gewesen. Das Vorliegen eines Näheverhältnisses habe nicht bewiesen werden können.
Das Kammergericht führte jedoch aus, dass zwischen verschwägerten Personen ein Näheverhältnis bestehen könne. Dies könne jedoch nicht generell angenommen werden. Vielmehr bedürfe es einer Prüfung dahingehend, ob besonders gute, enge persönliche und innere Beziehungen und Bindungen bestehen. Nahestehende Personen können Adoptivkinder, Stiefkinder, Pflegekinder, enge Freunde, bewährte Hausgenossen und langjährige Angestellte sein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.04.2015
Quelle: Kammergericht, ra-online (zt/FamRZ 1993, 1251/rb)