31.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil27.01.2011

Hessisches LSG: Zu wenig Personal im Pflegeheim rechtfertigt geringere VergütungKürzung der Pflegesätze wegen personeller Unterbesetzung

Beschäftigt ein Pflegeheim zu wenig Personal und lässt in hohem Maße von dem vorhandenen Pflegepersonal Überstunden erbringen, rechtfertigt dies eine Kürzung der Pflegevergütung. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht und lehnte damit die Klage eines Pflegeheims gegen den Schiedsspruch der Schiedsstelle ab.

Nach dem Pflege­ver­si­che­rungs­gesetz sind Pflegeheime verpflichtet, in Vereinbarungen mit den Verbänden der Pflegekassen und den Sozia­l­hil­fe­trägern die personelle Ausstattung im Pflege- und Betreu­ungs­bereich festzulegen. Diese Vereinbarungen finden Eingang in die Festlegung der Vergütungssätze des Pflegeheimes, welche von den Heimbewohnern, Pflegekassen und Sozia­l­hil­fe­trägern zu zahlen sind. Wird der vereinbarte Perso­nal­sch­lüssel unterschritten, so sind die Pflege­ver­gü­tungen für die Dauer der Pflicht­ver­letzung zu kürzen. Der Kürzungsbetrag ist von der Pflege­ein­richtung an die Pflegekassen, die Sozia­l­hil­fe­träger und bis zur Höhe ihres Eigenanteils an die betroffenen Pflege­be­dürftigen (anteilig) zurückzuzahlen. Über die Höhe des Kürzungs­be­trages ist Einvernehmen anzustreben. Kommt eine Einigung zwischen dem Pflegeheim, den Pflegekassen und den Sozia­l­hil­fe­trägern nicht zustande, entscheidet hierüber die Schiedsstelle, deren Schiedsspruch vor dem Landes­so­zi­al­gericht angefochten werden kann.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall betreibt eine GmbH & Co. KG seit August 2004 eine stationäre Pflege­ein­richtung mit 150 Betten im Main-Kinzig-Kreis. Mit einer Leistungs- und Quali­täts­ver­ein­barung von August 2004 verpflichtete sie sich, in der Zeit von August 2005 bis September 2006 56,39 Vollzeitstellen für Pflegekräfte und Mitarbeiter in der sozialen Betreuung bereitzustellen und zu besetzen. Für die Folgezeit bis Dezember 2006 bestand die entsprechende Verpflichtung für 52,69 Vollzeitstellen.

Medizinischer Dienst der Kranken­ver­si­cherung stellt erhebliche Mängel im Pflegebereich und Stellen­un­ter­be­setzung fest

Bei einer Quali­täts­prüfung des Heimes durch den Medizinischen Dienst der Kranken­ver­si­cherung (MDK) im Oktober 2005 wurden erhebliche Mängel im Pflegebereich und eine Stellen­un­ter­be­setzung festgestellt. Dies führte zu weiteren Ermittlungen des Sozialamtes des Main-Kinzig-Kreises unter Auswertung von Dienstplänen und Perso­nal­un­terlagen der Pflege­ein­richtung. Die Kreisverwaltung gelangte zu dem Ergebnis, das Pflegeheim habe im Durchschnitt 3,5 Vollzeitkräfte zu wenig eingesetzt und in hohem Maße von den Pflegekräften Überstunden erbringen lassen. Dies rechtfertige einen Kürzungsbetrag von 2,58 Euro für alle Pflegestufen pro Berechnungstag (bei insgesamt 68.618 Berech­nungstagen knapp 180.000 Euro). Die Pflegekassen schlossen sich dem an. Da eine Einigung über die Kürzung mit dem Träger der Pflege­ein­richtung nicht erzielt werden konnte, sprach die Schiedsstelle die Kürzung der Pflegesätze in der benannten Höhe aus. Gegen diesen Schiedsspruch erhob die GmbH & Co. KG vor dem - insoweit erstinstanzlich zuständigen – Landes­so­zi­al­gericht Klage.

Landes­so­zi­al­gericht erklärt Schiedsspruch für rechtmäßig

Die Darmstädter Richter bestätigten den Schiedsspruch und wiesen die Klage ab. Das Pflegeheim habe nicht ausreichend Personal vorgehalten und damit seine Pflichten verletzt. Die deshalb ausgesprochene Kürzung der Pflegevergütung sei auch hinsichtlich der Höhe rechtmäßig. Genaue Vorgaben zur Berechnung des Kürzungs­be­trages enthalte das Gesetz zwar nicht. Es sei aber sachgerecht, den Kürzungsbetrag anhand der eingesparten Personalkosten zu berechnen. Der Schiedsstelle stehe hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des Kürzungsbetrags ein Entschei­dungs­spielraum zu. Daher sei die gerichtliche Kontrolle insoweit begrenzt.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 80 a Sozial­ge­setzbuch Elftes Buch (SGB XI)

(1) Bei teil- oder vollstationärer Pflege setzt der Abschluss einer Pflege­satz­ver­ein­barung (…) den Nachweis einer wirksamen Leistungs- und Quali­täts­ver­ein­barung durch den Träger des zugelassenen Pflegeheims voraus (…).

(2) In der Leistungs- und Quali­täts­ver­ein­barung sind die wesentlichen Leistungs- und Quali­täts­merkmale festzulegen. Dazu gehören insbesondere:

(…)

3. die personelle und sächliche Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Qualifikation der Mitarbeiter. Die Festlegungen (…) sind für die Vertrags­parteien (…) und für die Schiedsstelle als Bemes­sungs­grundlage für die Pflegesätze und die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung (…) unmittelbar verbindlich.

(3) Die Leistungs- und Quali­täts­ver­ein­barung ist in der Regel zusammen mit der Pflege­satz­ver­ein­barung (…) abzuschließen (…). Kommt eine Vereinbarung nach (…) nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Vertrags­ver­hand­lungen aufgefordert hat, entscheidet die Schiedsstelle (…) über die Punkte, über die keine Einigung erzielt werden konnte. (…)

(4) Der Träger des Pflegeheims ist verpflichtet, mit dem in der Leistungs- und Quali­täts­ver­ein­barung als notwendig anerkannten Personal die Versorgung der Heimbewohner jederzeit sicherzustellen. (…)

§ 85 Sozial­ge­setzbuch Elftes Buch (SGB XI)

(1) Art, Höhe und Laufzeit der Pflegsätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungs­trägern (…) vereinbart.

(…)

§ 115 Sozial­ge­setzbuch Elftes Buch (SGB XI)

(…)

(3) Hält die Pflege­ein­richtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen (…) ganz oder teilweise nicht ein, sind die (…) vereinbarten Pflege­ver­gü­tungen für die Dauer der Pflicht­ver­letzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertrags­parteien (…) Einvernehmen anzustreben. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle (…). Gegen die Entscheidung nach Satz 3 ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben; ein Vorverfahren findet nicht statt, die Klage hat aufschiebende Wirkung. Der vereinbarte oder festgesetzte Kürzungsbetrag ist von der Pflege­ein­richtung bis zur Höhe ihres Eigenanteils an die betroffenen Pflege­be­dürftigen und im Weiteren an die Pflegekassen zurückzuzahlen; soweit die Pflegevergütung als nachrangige Sachleistung von einem anderen Leistungsträger übernommen wurde, ist der Kürzungsbetrag an diesen zurückzuzahlen. (…).

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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