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Bundessozialgericht Urteil29.01.2009
BSG zur Berechnung der leistungsgerechten Vergütung von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten
Das Bundessozialgericht hat in fünf Revisionsverfahren Entscheidungen von Schiedsstellen (§ 76 SGB XI) überprüft, durch die Pflegevergütungen mittels Schiedsspruch festgesetzt worden waren.
Grundsätzlich werden zwar Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze durch Einigung zwischen den Parteien der Pflegesatzvereinbarung festgelegt, also zwischen dem Träger eines zugelassenen Pflegeheims sowie den Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger (§ 85 SGB XI). Entsprechendes gilt für die Vergütung der Pflegedienste für ambulante Pflegeleistungen (§ 89 SGB XI). Kommt jedoch eine Pflegesatzvereinbarung bzw eine Vergütungsregelung nicht zustande, ersetzt die Schiedsstelle die fehlende Einigung durch Schiedsspruch (§ 85 Abs. 5 und § 89 Abs. 3 SGB XI). Umstritten war, nach welchen Grundsätzen die Bemessung der Pflegesätze für die teil- oder vollstationären Pflegeleistungen eines Pflegeheims (Verfahren Nr. 1 bis 4) bzw der Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen (Verfahren Nr. 5) zu erfolgen hat. In der Entscheidung vom 14. Dezember 2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3 3300 § 85 Nr. 1) hatte der erkennende Senat ausgeführt, dass sich die leistungsgerechte Vergütung von Pflegeleistungen der Pflegeheime in erster Linie am jeweiligen Marktpreis orientiere; um diesen zu ermitteln, seien Angebot und Vergütung der Leistungen anderer Pflegeheime ähnlicher Art und Größe zum Vergleich heranzuziehen (sog externer Vergleich).
In den vorliegenden Verfahren ging es um Zeiträume ab 2002. Insoweit war zu berücksichtigen, dass die einschlägigen Vorschriften des SGB XI zum 1. Januar 2002 und 1. Juli 2008 geändert worden sind. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat nunmehr entschieden, dass die Pflegevergütungen für Pflegeheime auf einer neuen Basis zu berechnen sind, um einerseits den Pflegeheimen eine leistungsgerechte, ein wirtschaftliches Handeln ermöglichende Vergütung zu gewähren (§ 84 Abs. 1 und 2 SGB XI), ohne dabei zu dem vom Gesetzgeber abgeschafften "Selbstkostendeckungsprinzip" hinsichtlich der Gestehungskosten zurückzukehren, andererseits aber den Grundsätzen der Beitragsstabilität (§ 84 Abs. 2 Satz 6 SGB XI) und Wirtschaftlichkeit (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI) Rechnung zu tragen sowie die berechtigten Belange der Heimbewohner und der Sozialhilfeträger zu berücksichtigen, die an möglichst niedrigen Pflegesätzen interessiert sind, um die Zuzahlungen zu den Heimentgelten niedrig zu halten. Die Pflegesätze sind danach in einem zweistufigen Verfahren zu berechnen.
In einer 1. Stufe erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der vom Heimträger für den bevorstehenden Pflegesatzzeitraum prognostisch geltend gemachten einzelnen Kostenansätze (§ 84 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Dabei hat der Heimträger die Abweichung der Kostenansätze zu den Vorjahreskosten (interner Vergleich) plausibel zu erklären (zB "normale" Lohnsteigerungen, verbesserter Pflegepersonalschlüssel). Die Pflegekassen haben die Plausibilität zu überprüfen und dürfen weitere Unterlagen verlangen (§ 84 Abs. 3 Satz 3 SGB XI). Erforderlich ist dabei ein substantiiertes Bestreiten einzelner Kostenansätze. Die Schiedsstellen trifft unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebotes (§ 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI) eine umfassende Aufklärungspflicht zu den streitig gebliebenen Punkten.
Sind die Kostenansätze plausibel, erfolgt in einer 2. Stufe ein externer Vergleich der geforderten Pflegesätze (Pflegeklassen I, II und III) mit den Pflegesätzen vergleichbarer Pflegeheime aus der Region, um die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Dabei ist nicht nach tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Pflegeheimen zu unterscheiden. Liegt der geforderte Pflegesatz im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegesätze, ist regelmäßig ohne weitere Prüfung von der Wirtschaftlichkeit auszugehen. Liegt er darüber, sind die vom Heimträger dafür geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu prüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.
Zur Berechnung der Vergütung ambulanter Pflegeleistungen ist entschieden worden, dass weder den Pflegediensten noch den Pflegekassen ein einseitiges Bestimmungsrecht zusteht, nach welchem Vergütungsmodell abzurechnen ist. Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 SGB XI können nämlich die Vergütungen, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig davon nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen bemessen werden. Erforderlich ist eine Einigung über das Vergütungsmodell, die ggf durch Schiedsspruch der Schiedsstelle ersetzt wird.
Nicht zu entscheiden war über die Frage, wie der Punktwert zu berechnen ist, der die Höhe einer Vergütung bestimmt, wenn Pflegeleistungen nach Punkten gewichtet sind. Im vorliegenden Fall war der von der Schiedsstelle zuerkannte Punktwert von 3,9 Cent mit der Revision nicht mehr angegriffen worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.01.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 05/09 des BSG vom 29.01.2009
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