21.11.2024
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Urteil29.01.2009BundessozialgerichtB 3 P 6/08 R, B 3 P 7/08 R, B 3 P 9/08 R, B 3 P 9/07 R, B 3 P 8/07 R
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Bundessozialgericht Urteil29.01.2009

BSG zur Berechnung der leistungs­ge­rechten Vergütung von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat in fünf Revisi­ons­ver­fahren Entscheidungen von Schiedsstellen (§ 76 SGB XI) überprüft, durch die Pflege­ver­gü­tungen mittels Schiedsspruch festgesetzt worden waren.

Grundsätzlich werden zwar Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze durch Einigung zwischen den Parteien der Pflege­satz­ver­ein­barung festgelegt, also zwischen dem Träger eines zugelassenen Pflegeheims sowie den Pflegekassen und dem Sozia­l­hil­fe­träger (§ 85 SGB XI). Entsprechendes gilt für die Vergütung der Pflegedienste für ambulante Pflege­leis­tungen (§ 89 SGB XI). Kommt jedoch eine Pflege­satz­ver­ein­barung bzw eine Vergü­tungs­re­gelung nicht zustande, ersetzt die Schiedsstelle die fehlende Einigung durch Schiedsspruch (§ 85 Abs. 5 und § 89 Abs. 3 SGB XI). Umstritten war, nach welchen Grundsätzen die Bemessung der Pflegesätze für die teil- oder vollstationären Pflege­leis­tungen eines Pflegeheims (Verfahren Nr. 1 bis 4) bzw der Vergütung der ambulanten Pflege­leis­tungen (Verfahren Nr. 5) zu erfolgen hat. In der Entscheidung vom 14. Dezember 2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3 3300 § 85 Nr. 1) hatte der erkennende Senat ausgeführt, dass sich die leistungs­ge­rechte Vergütung von Pflege­leis­tungen der Pflegeheime in erster Linie am jeweiligen Marktpreis orientiere; um diesen zu ermitteln, seien Angebot und Vergütung der Leistungen anderer Pflegeheime ähnlicher Art und Größe zum Vergleich heranzuziehen (sog externer Vergleich).

In den vorliegenden Verfahren ging es um Zeiträume ab 2002. Insoweit war zu berücksichtigen, dass die einschlägigen Vorschriften des SGB XI zum 1. Januar 2002 und 1. Juli 2008 geändert worden sind. Der 3. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts hat nunmehr entschieden, dass die Pflege­ver­gü­tungen für Pflegeheime auf einer neuen Basis zu berechnen sind, um einerseits den Pflegeheimen eine leistungs­ge­rechte, ein wirtschaft­liches Handeln ermöglichende Vergütung zu gewähren (§ 84 Abs. 1 und 2 SGB XI), ohne dabei zu dem vom Gesetzgeber abgeschafften "Selbst­kos­t­en­de­ckungs­prinzip" hinsichtlich der Geste­hungs­kosten zurückzukehren, andererseits aber den Grundsätzen der Beitrags­sta­bilität (§ 84 Abs. 2 Satz 6 SGB XI) und Wirtschaft­lichkeit (§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI) Rechnung zu tragen sowie die berechtigten Belange der Heimbewohner und der Sozia­l­hil­fe­träger zu berücksichtigen, die an möglichst niedrigen Pflegesätzen interessiert sind, um die Zuzahlungen zu den Heimentgelten niedrig zu halten. Die Pflegesätze sind danach in einem zweistufigen Verfahren zu berechnen.

In einer 1. Stufe erfolgt eine Plausi­bi­li­täts­prüfung der vom Heimträger für den bevorstehenden Pflege­satz­zeitraum prognostisch geltend gemachten einzelnen Kostenansätze (§ 84 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Dabei hat der Heimträger die Abweichung der Kostenansätze zu den Vorjahreskosten (interner Vergleich) plausibel zu erklären (zB "normale" Lohnstei­ge­rungen, verbesserter Pflege­per­so­nal­sch­lüssel). Die Pflegekassen haben die Plausibilität zu überprüfen und dürfen weitere Unterlagen verlangen (§ 84 Abs. 3 Satz 3 SGB XI). Erforderlich ist dabei ein substantiiertes Bestreiten einzelner Kostenansätze. Die Schiedsstellen trifft unter Berück­sich­tigung des Beschleu­ni­gungs­gebotes (§ 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI) eine umfassende Aufklä­rungs­pflicht zu den streitig gebliebenen Punkten.

Sind die Kostenansätze plausibel, erfolgt in einer 2. Stufe ein externer Vergleich der geforderten Pflegesätze (Pflegeklassen I, II und III) mit den Pflegesätzen vergleichbarer Pflegeheime aus der Region, um die Wirtschaft­lichkeit zu überprüfen. Dabei ist nicht nach tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Pflegeheimen zu unterscheiden. Liegt der geforderte Pflegesatz im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegesätze, ist regelmäßig ohne weitere Prüfung von der Wirtschaft­lichkeit auszugehen. Liegt er darüber, sind die vom Heimträger dafür geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu prüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.

Zur Berechnung der Vergütung ambulanter Pflege­leis­tungen ist entschieden worden, dass weder den Pflegediensten noch den Pflegekassen ein einseitiges Bestim­mungsrecht zusteht, nach welchem Vergü­tungs­modell abzurechnen ist. Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 SGB XI können nämlich die Vergütungen, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig davon nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplex­leis­tungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzel­leis­tungen bemessen werden. Erforderlich ist eine Einigung über das Vergü­tungs­modell, die ggf durch Schiedsspruch der Schiedsstelle ersetzt wird.

Nicht zu entscheiden war über die Frage, wie der Punktwert zu berechnen ist, der die Höhe einer Vergütung bestimmt, wenn Pflege­leis­tungen nach Punkten gewichtet sind. Im vorliegenden Fall war der von der Schiedsstelle zuerkannte Punktwert von 3,9 Cent mit der Revision nicht mehr angegriffen worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 05/09 des BSG vom 29.01.2009

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