Dokument-Nr. 2157
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss16.06.2006
Sexuelle Beziehungen und ALG IIWeder Sex noch Putzen beweisen eine eheähnliche Gemeinschaft
Weder gemeinsames Kochen, Putzen, Waschen und Einkaufen noch eine sexuelle Beziehung sind hinreichende Kriterien, um von einer eheähnlichen Gemeinschaft zu sprechen. Dafür müsse vielmehr eine ernsthafte und auf Dauer angelegte Beziehung vorliegen, die nicht nur Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft sei, sondern bei der auch das gegenseitige Einstehen der Partner in Notfällen erwartet werden könne.
Ein wichtiges Kriterium für eine solche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sei ihre Dauerhaftigkeit. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.
Einem heute 33jährigen Mann aus Erfurt, der auf der Suche nach Arbeit zu einer alten Bekannten nach Hanau gezogen war, hatte das Kreissozialamt das Arbeitslosengeld II gestrichen, weil er angeblich in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte. Das Sozialamt hielt dies u.a. deshalb für erwiesen,
• weil der Arbeitslose für seine Mitbewohnerin während einer Krankheit Einkäufe erledigte,
• weil der Kühlschrank nicht unterteilt war und daher von gemeinsamer Lebensmittelnutzung auszugehen sei,
• weil die Badutensilien nicht getrennt aufbewahrt wurden und
• weil das Bett der Mitbewohnerin „wie ein Ehebett bezogen“ sei, was auf eine sexuelle Beziehung schließen lasse.
All dies, so die Richter am Landessozialgericht, seien noch keine ausreichenden Hinweise für eine Verantwortungs- bzw. eine eheähnliche Gemeinschaft. Zum Zeitpunkt der Ablehnung von AlG II-Leistungen habe der Antragsteller erst zweieinhalb Monate in Erfurt und knapp drei Monate in Hanau mit seiner Bekannten zusammengewohnt – hier könne von einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft bei weitem noch nicht die Rede sein. Einzig die Tatsache, dass er ihr eine Kontovollmacht erteilt habe, sei ein wichtiges Indiz für eine eheähnliche Gemeinschaft. Als alleiniges Kriterium reiche es jedoch, jedenfalls bei so kurzer Dauer des Zusammenlebens, zur Ablehnung von Sozialleistungen nicht aus. Denn die „leichtfertige Annahme…einer eheähnlichen Gemeinschaft“ beinhalte gleich zwei Gefahren: zum einen könne dem Hilfesuchenden die Unterstützung seines „Partners“ mangels einer tatsächlichen gegenseitigen Verantwortung verweigert werden. Zum anderen bleibe er gleichzeitig ohne existenzsichernde staatliche Leistungen und könnte somit kein menschenwürdiges Leben mehr führen. Dies sei jedoch ein grundgesetzlich verbrieftes Recht, das der Staat zu schützen habe. Insofern müssten die Kriterien für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft streng gefasst sein, da hiervon u.U. das materielle Überleben von Bürgerinnen und Bürgern abhänge.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.04.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16/06 des LSG Hessen vom 28.03.2006
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