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- Arbeitsgericht Hanau, Urteil22.03.2007, 2 BV 2/07
Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil24.10.2007
Kosten einer BetriebsratsschulungSchulung des Betriebrates auch ohne konkreten Bedarf zulässig
Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist die Teilnahme an einem knapp viertägigen Betriebsratsseminar zum Thema: "Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz", das sich u.a. mit Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der Ausarbeitung einer Musterbetriebsvereinbarung dazu befasst, unabhängig davon erforderlich, dass konkrete Diskriminierungen oder Ungleichbehandlungen bisher im Betrieb nicht festgestellt werden konnten.
In dem Verfahren haben die Beteiligten um die Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung zum Thema "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz". gestritten. Der Betriebsrat hatte bei der Arbeitgeberin um die Jahreswende 2006/2007 beantragt, die Kosten für ein Seminar zum AGG zu übernehmen, an dem der Betriebsratsvorsitzende teilnehmen sollte. Die Arbeitgeberin verwies den Betriebsrat auf ein Inhouse-Seminar, das Mitte März 2007 zu diesem Thema speziell für Betriebsräte und andere Beschäftigte des Unternehmens durchgeführt werden sollte. Der Betriebsrat meinte, dieses Inhouse-Seminar sei zu kurz, um alle wesentlichen Aspekte behandeln zu können. Auch sei eine Schulung zum AGG bereits von der Themenstellung her erforderlich, ohne dass es einer Darlegung konkreter betrieblicher Konfliktfälle bedürfe. Der Betriebsrat und sein Vorsitzender beantragten daher, die Arbeitgeberin zu verpflichten, den Betriebsratsvorsitzenden von den Kosten für den Besuch der Schulungsmaßnahme, freizustellen. Die Seminargebühren betrugen ca. € 770,00. Weiterhin fielen Kosten für Unterbringung und Verpflegung von etwa € 340,00 an. Die Arbeitgeberin vertrat die Ansicht, die viertägige Schulung stehe in keinem Verhältnis zum Umfang des vermittelten Wissens. Wie sich aus Anzeigen ergebe, würden in diesem Bereich überwiegend Eintagesseminare angeboten.
Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsratsvorsitzenden stattgegeben.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Auch das Hessische Landesarbeitgericht kam zu der Auffassung, der Betriebsratsvorsitzende habe einen Anspruch auf Freistellung von den durch seine Teilnahme an der Schulungsveranstaltung: "Das neue allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" entstandenen Kosten und Gebühren. Da die Arbeitgeberin die Kostenübernahme bisher verweigert habe, sei er berechtigt, die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Schulung zunächst arbeitsgerichtlich klären zu lassen. Die Freistellung richtet sich dann - so das Landesarbeitsgericht - auf die Teilnahme am nächstmöglichen Seminar nach rechtskräftiger Entscheidung in diesem Verfahren.
Die Seminarteilnahme ist nach Ansicht des Beschwerdegerichts erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG. Die dort vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten seien für die Betriebsratsarbeit erforderlich, weil der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötige, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Es habe keiner konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedurft, weil es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht, insbesondere für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handele. Die Kenntnis des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrates sei eine unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit. Diese Grundsätze gälten auch, wenn eine Kodifizierung erfolge, die mannigfache individualrechtliche und kollektivrechtliche Auswirkungen auf die Betriebsratstätigkeit habe, wie es bei dem AGG der Fall sei. Das AGG betreffe alle Bereiche des Arbeitslebens.
Die fragliche AGG-Schulung sei auch nicht erst dann erforderlich, wenn Diskriminierungen im Betrieb festgestellt worden seinen. Das AGG setzte früher an und sei auch darauf gerichtet, Diskriminierungen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Kostengesichtspunkten vom Betriebsrat nicht missachtet worden. Zwar dürfe er den Arbeitgeber nur mit den Kosten belasten, die er der Sache nach für verhältnismäßig und deshalb zumutbar halten könne. Der Betriebsrat habe nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob die zu erwartenden Schulungskosten mit der Größe und Leistungsfähigkeit des Betriebes zu vereinbaren seien und ob der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den dafür aufzuwendenden Mitteln stehe. Er sei jedoch nicht gehalten, die mit den geringsten Kosten verbundene Schulungsveranstaltung auszuwählen. Ihm stehe im Rahmen eines Beurteilungsspielraums die Befugnis zu, die Teilnahme an einer qualitativ höherwertigen, wenn auch teureren Schulung zu beschließen. Die knapp viertägige Schulung bewege sich mit einer Seminarpauschale in Höhe von EUR 770,00 (incl. MWSt) noch im üblichen und vertretbaren Rahmen, ebenso die Kosten für Unterbringung und Verpflegung.
Der Betriebsratsvorsitzende müsse sich schließlich nicht auf die eintägige Inhouse-Schulung verweisen lassen. Die knapp viertägige Schulung sei von der Dauer her erforderlich und verhältnismäßig. Der Teilnahme an einer bestimmten Schulungsveranstaltung bedürfe es zwar grundsätzlich nicht, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen könne. Eine eintägige Schulung könne dem Betriebsratsmitglied jedoch allenfalls einen kursorischen Überblick über das AGG verschaffen. Eine Vertiefung und die Einübung von Handlungsmöglichkeiten sowie die Ausarbeitung einer Musterbetriebsvereinbarung, wie sie das Seminar vorsehe, seien in einem Tag nicht möglich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.05.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 3/08 des Hess. LAG vom 08.05.2008
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