18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 9451

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Urteil03.03.2010Hessisches Landesarbeitsgericht8 Sa 187/09 u.a.
Vorinstanz:
  • Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil14.08.2008, 11/12 Ca 1946/08 u.a.
ergänzende Informationen

Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil03.03.2010

Arbeitgeber hat bei reduzierter Leistung einer Pensionskasse Einstands­pflichtHerab­set­zungs­be­schluss der Pensionskasse führt nicht zur Beschränkung der Zahlungs­ver­pflichtung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat gegenüber ehemaligen Arbeitnehmern, denen er Alters­ver­sor­gungen über eine Pensionskasse versprochen hat, dafür einzustehen, wenn die Pensionskasse ihre Leistungen herabsetzt. Dies entschied das Hessische Landes­a­r­beits­gericht.

Hintergrund der zugrunde liegenden gerichtlichen Ausein­an­der­setzung war der Umstand, dass ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern arbeits­ver­traglich zugesagt hatte, sie bei einer Pensionskasse anzumelden und die Beiträge dafür zu zahlen. Die Pensionskasse zahlte den ausgeschiedenen Mitarbeitern die Pensionen entsprechend den Versicherungsbedingungen. Im Jahre 2003 beschloss sie durch ihre Mitglie­der­ver­sammlung, die Pensionen dauerhaft jährlich um 1,4 % zu kürzen. Sie berief sich dafür auf eine Satzungs­be­stimmung, wonach bei Fehlbeträgen eine Leistungs­her­ab­setzung möglich sei. Bei der Pensionskasse war ein Fehlbetrag in dreistelliger Millionenhöhe aufgetreten, der auch nicht aus der Verlustrücklage und der Auflösung von Gewinnrücklagen gedeckt werden konnte. Eine Klage der Rentenbezieher gegen die Pensionskasse blieb erfolglos. Darauf klagten die Pensionäre gegen ihren früheren Arbeitgeber und verlangten von ihm den Ausgleich der Herabsetzungen. Sie waren der Auffassung, dass ihr Arbeitgeber für die ursprünglich gezahlten Pensionen einzustehen habe. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, er habe keine weiteren Pflichten übernommen als die Beiträge an die Pensionskasse zu zahlen. Jedenfalls sei seine Leistungs­pflicht darauf beschränkt, was die Pensionskasse zu zahlen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Arbeitgeber muss von ihm zugesagten Leistungen erfüllen

Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungs­gericht hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann einzustehen, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolge. Seine Einstands­pflicht ergebe sich aus § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG.

Versorgung nicht auf Höhe der tatsächlichen Zahlungen der Pensionskasse begrenzt

Der Arbeitgeber habe die Versorgung nach den allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen und den Tarif­be­din­gungen versprochen. Sie sei nicht begrenzt auf die Höhe der tatsächlichen Zahlungen der Pensionskasse oder deren wirtschaft­licher Möglichkeiten. Das wäre nur bei einer reinen Beitragszusage der Fall, wie sie gerade nicht vorgelegen habe.

Satzungs­be­stim­mungen über Leistungs­her­ab­setzung der Pensionskasse nicht Inhalt des Versor­gungs­ver­sprechens des Arbeitgebers

Zwar mag die Pensionskasse berechtigt gewesen sein, gemäß ihrer Satzung Fehlbeträge durch Herabsetzung der Leistungen auszugleichen. Diese Bestimmung gehöre aber nicht zur Leistungszusage des Arbeitgebers und schränke diese daher nicht ein. Die bei Pensionskassen üblichen Satzungs­be­stim­mungen über Leistungs­her­ab­setzung seien nicht Inhalt des Versor­gungs­ver­sprechens des Arbeitgebers. Solche Satzungs­be­stim­mungen dienten dazu, den Zusammenbruch von Pensionskassen zu verhindern. Sie beträfen jedoch nicht die vom Arbeitgeber zugesagte Versorgung, sondern erlaubten nur der Pensionskasse zum Ausgleich von Fehlbeträgen die zugesagte Leistung herabzusetzen. Dem Arbeitgeber werde dadurch kein entsprechendes, akzessorisches Recht eingeräumt. Im Ergebnis läge ansonsten eine bloße Beitragszusage vor - der Arbeitgeber wäre dann in der Tat nicht verpflichtet zu einer zuvor zugesagten bestimmten Versorgung, sondern allein dazu, die Beiträge zu zahlen. Allein der Arbeitnehmer trüge das Risiko, dass damit von der Pensionskasse gut gewirtschaftet werde.

Versor­gungs­zusage des Arbeitgebers ist von versi­che­rungs­recht­lichen Verhältnis der Pensionskasse zu trennen

Wenn Versor­gungs­zusagen auf die Versi­che­rungs­be­din­gungen, Tarif­be­stim­mungen und Satzungen einer Pensionskasse ausdrücklich oder stillschweigend Bezug nehmen würden, liege üblicherweise und regelmäßig eine dynamische Verweisung auf die Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung vor. Daraus ergebe sich aber keine Beschränkung der Verpflichtung des Arbeitgebers auf die von der Pensionskasse auf Grund des Herab­set­zungs­be­schlusses gezahlte Leistung. Mit ihrem Beschluss habe die Mitglie­der­ver­sammlung die Tarif- und Versi­che­rungs­be­din­gungen der Pensionskasse nicht neu geordnet oder geändert. Der Beschluss habe allein im Verhältnis zu den Versi­che­rungs­nehmern bestimmt, dass die Pensionskasse nicht die volle Leistung nach den Leistungs­be­stim­mungen zu erbringen habe. Von diesem versi­che­rungs­recht­lichen Verhältnis sei die Versor­gungs­zusage des Arbeitgebers zu trennen, deren Inhalt sich aus den Tarif­be­stim­mungen und den allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen ergebe.

Entlastung des Arbeitgebers widerspräche Schutzzweck des Betrie­bs­ren­ten­ge­setzes

Würden satzungsgemäße Leistungs­her­ab­set­zungen wegen wirtschaft­licher Schwierigkeiten des Versor­gungs­trägers zu einer Entlastung des Arbeitgebers führen, widerspräche das dem Schutzzweck des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG. Der Arbeitgeber solle durch die Einschaltung eines Dritten nicht entlastet werden, er soll gerade dann einstehen, wenn der Dritte nicht leistungsfähig sei. Deshalb müssten Leistungs­her­ab­set­zungen aufgrund von Satzungs­be­stim­mungen, die dem Erhalt der Zahlungs­fä­higkeit des Dritten dienen, zum Eintritt des Arbeitgebers führten. Gerade eine Leistungs­her­ab­setzung zur Vermeidung einer Insolvenz sei ein Fall, in dem der zur Durchführung des Versor­gungs­ver­sprechens eingeschaltete Dritte dieses nicht erfülle und der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG dafür einzustehen habe. Herabsetzungen, durch die die Insolvenz des Versor­gungs­trägers vermieden werde, könnten nicht anders behandelt werden als ein Ausfall der Erfüllung durch eine Insolvenz. In letzter Fall bestehe aber kein Zweifel, dass der Arbeitgeber für die Erfüllung einzustehen hat.

Quelle: ra-online, Hessisches Landesarbeitsgericht

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