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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil24.05.2006
Arbeitnehmer darf unfallbeschädigten Dienstwagen bei Weigerung des Arbeitgebers selbst reparieren lassenArbeitgeber muss Kosten erstatten
Ein Arbeitnehmer darf einen funktionsunfähigen Dienstwagen selbst wiederherstellen lassen und die dafür erforderlichen Kosten vom Arbeitgeber verlangen, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, ihm einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen und sich weigert, die Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs herzustellen. Das hat das hessische Landesarbeitsgericht entschieden.
Einem seit 1988 zuletzt als Filialleiter in einem Kreditinstitut tätigen Arbeitnehmer war ein Dienstfahrzeug auch zur kostenlosen Privatnutzung überlassen worden. Er hatte hierfür den geldwerten Vorteil sowohl für den Arbeitsweg als auch für die Privatnutzung monatlich zu versteuern. Das Fahrzeug war Vollkasko versichert. Für den zurückliegenden Zeitraum der letzten drei Jahre hatte der Arbeitgeber die Tankstellen- und Werkstattrechnungen nicht erstattet. Bei einer Urlaubsreise in sein Heimatland verschuldete der Arbeitnehmer einen Unfall, bei dem der Dienstwagen schwer beschädigt wurde. Nachdem er seinen Arbeitgeber vergeblich aufgefordert hatte, das Fahrzeug durch die Versicherung begutachten zu lassen und es für eine Reparatur freizugeben und kündigte er an, anderenfalls selbst entsprechende Schritte zu veranlassen. Sodann ließ er das Fahrzeug begutachten und reparieren. Die Gutachter- und die Reparaturkosten von mehr als € 6.000,00 beglich er selbst. Der Arbeitgeber hatte den Mitarbeiter zwischenzeitlich aufgefordert, das Fahrzeug zurückzugeben, weil er meinte, aufgrund der Schließung des Betriebs seien die Voraussetzungen für die Überlassung des Wagens entfallen. Der Arbeitnehmer verlangte mit seiner Zahlungsklage Erstattung der Reparatur- und Gutachterkosten sowie der noch nicht ausgeglichenen Benzin- und Werkstattkosten. Der Arbeitgeber seinerseits klagte auf Herausgabe des Fahrzeugs.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Ersatzes von Auslagen für Benzin und Werkstatt stattgegeben und sie hinsichtlich der Erstattung von Gutachter- und Reparaturkosten abgewiesen. Ebenso hat es die Widerklage abgewiesen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.
Die Berufung des Arbeitnehmers hatte Erfolg. Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann er nämlich auch die Kosten für das Gutachten und die Reparatur im Zusammenhang mit dem Unfallschaden von dem Arbeitgeber ersetzt verlangen.
Aufgrund des Unfalls sei der Dienstwagen nicht mehr nutzbar gewesen. Der Arbeitgeber war aber verpflichtet, dem Mitarbeiter einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Verpflichtung habe er daher verstoßen, seitdem der Dienstwagen nicht mehr benutzbar war. Gemäß § 280 Abs. 1 BGB könne der klagende Arbeitnehmer wegen dieser Pflichtverletzung Schadenersatz verlangen. Zwar habe der Schaden in der jeweils ausgefallenen Nutzungsmöglichkeit bestanden. Es habe aber auch seiner Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB entsprochen, durch ein Gutachten prüfen zu lassen, ob eine Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs wirtschaftlich sinnvoll sei und das Fahrzeug, das im Eigentum des Arbeitgebers stand, reparieren zu lassen. Da dieser es abgelehnt habe, dem Filialleiter ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen, wäre ein Ersatz für den Nutzungsausfall - sei es in Form von Mietwagenkosten, sei es in Höhe des geldwerten Vorteils - weitaus teurer gewesen. Dies gelte auch, weil die Reparatur zu einer Werterhöhung des beschädigten Fahrzeugs geführt habe. Nachdem der Mitarbeiter seinen Arbeitgeber mehrfach auf die unfallbedingte Beschädigung des überlassenen Dienstwagens aufmerksam gemacht und Reparatur verlangt habe, befand sich dieser mit der Beseitigung des Mangels in Verzug und der Mitarbeiter konnte den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Die Berufung des Arbeitgebers hatte hingegen keinen Erfolg. Zum einen schuldete er den Ersatz der Auslagen, denn er hatte sämtliche Pkw-Kosten auch für die Privatnutzung übernommen. Der Mitarbeiter hatte die Privatnutzung auch als geldwerten Vorteil versteuert, wozu steuerrechtlich auch die Übernahme der Fahrzeugkosten gehöre. Aus alldem ergebe sich konkludent die Vereinbarung, dass der Arbeitgeber auch die privat verursachten Aufwendungen für das Fahrzeug zu übernehmen habe.
Soweit der Arbeitgeber die Herausgabe des Fahrzeugs verlange, stehe diesem Anspruch entgegen, dass das Fahrzeug dem Mitarbeiter zur Nutzung überlassen wird. Weil eine Versetzung ins Ausland bzw. eine Kündigung unwirksam gewesen sei, habe auch die Berechtigung des Angestellten, das Fahrzeug zu nutzen, nicht geendet.
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 26. Juli 2005 - 8 Ca 11535/04
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.12.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 27/06 des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 27.12.2006
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