18.10.2024
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Dokument-Nr. 10802

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Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil04.08.2010

Kunden-Bonuspunkte auf Teilnahmekarte des Kollegen gebucht – Fristlose Kündigung eines Tankstel­len­mi­t­a­r­beiters unwirksamVorherige Abmahnung hätte voraussichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten unterbunden

Der Missbrauch von Bonuspunkten durch einen Mitarbeiter kann nicht immer ohne Abmahnung zum Ausspruch einer außer­or­dent­lichen oder ordentlichen Kündigung berechtigen. Dies entschied das Hessische Landes­a­r­beits­gericht.

Hintergrund des Rechtsstreits war das Verhalten eines seit ca. 2 Jahren in einem Tankstel­len­betrieb beschäftigten Mitarbeiters. Der Betrieb nahm an einem EDV-unterstützten Punkteprogramm teil, das es Kunden ermöglichte, für ihren Benzineinkauf Punkte auf ihrer Kundenkarte zu sammeln. Der Mitarbeiter verbuchte während einer Schicht in drei Fällen Umsätze von Kunden, die getankt und nicht an dem Programm teilgenommen hatten, in Höhe insgesamt ca. 230 Euro auf die Kundenkarte eines seiner Kollegen. Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangt hatte, sprach er eine fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses aus. Der Mitarbeiter erhob daraufhin Kündi­gungs­schutzklage und vertrat die Ansicht, er habe aus Unkenntnis allenfalls einen Fehler gemacht, nicht aber in Kenntnis eines Verbotes sich über dasselbige hinweggesetzt. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass zu Zeiten des Bonussystems in Gestalt der Klebemarken diese jederzeit an Dritte weitergegeben werden konnten.

Verhalten des Mitarbeiters rechtfertigt Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch vorgenanntes Urteil der Klage stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Auch nach Ansicht des Hessischen Landes­a­r­beits­ge­richts war das Verhalten des Mitarbeiters nicht geeignet, die Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses zu rechtfertigen.

Verhalten des Mitarbeiters ist durchaus als schwerwiegendes Fehlverhalten einzustufen

Zwar folgte das Berufungs­gericht der Auffassung des Arbeitgebers, dass das Verhalten des Mitarbeiters, Tankbeträge fremder Kunden auf der Kundenkarte eines Kollegen zu verbuchen als schwerwiegendes Fehlverhalten einzustufen sei. Zielsetzung von Kunden­bin­dungs­systemen sei es, ohne dass es hierbei auf deren nähere Ausgestaltung (Klebemärkchen, elektronische Punktesammlung auf einer Kundenkarte) ankomme, Kunden an das Unternehmen zu binden. Der Kunde solle mittels der durch das Bonussystem erreichbaren Vorteile weitere Umsätze im Unternehmen und nicht bei Konkur­ren­z­un­ter­nehmen tätigen. Nur hierfür sei der Arbeitgeber bereit, dem Kunden Vorteile zukommen zu lassen, die für ihn mit finanziellen Belastungen einhergingen. Würden Mitarbeiter hingegen die von Kunden nicht in Anspruch genommenen Punkte für eigene Zwecke sammeln, werde die Absicht des Arbeitgebers unterlaufen. Dies habe der Mitarbeiter auch erkennen können und deshalb die Buchungen auf Karten seines Kollegen unterlassen müssen.

Mitarbeiter bestreitet über Konsequenzen eines missbräuch­lichen Verhaltens belehrt worden zu sein

Allerdings hielt die Berufungskammer - ebenso wie schon das Arbeitsgericht - eine Abmahnung oder einen vorherigen Hinweis auf die Missbrauchs­folgen nicht für entbehrlich. Der Arbeitgeber hatte in dem Verfahren selbst ausgeführt, dass der Stationsmanager die Mitarbeiter auf die Konsequenzen eines missbräuch­lichen Verhaltens im Umgang mit der Kundenkarte hingewiesen habe. Allerdings sei er nicht in der Lage gewesen, die Umstände, unter denen dieser Hinweis an die Mitarbeiter und damit auch an den gekündigten Arbeitnehmer gegeben worden sei, zu konkretisieren. Der Mitarbeiter habe bestritten, einen solchen Hinweis von dem Stationsmanager erhalten zu haben. Vor dem Hintergrund, dass er im Schichtbetrieb gearbeitet hatte, wäre es erforderlich gewesen, dass der Arbeitgeber die näheren zeitlichen Umstände dargelegt hätte. Nur dann wäre es dem Kläger möglich gewesen, substantiiert zu dieser Behauptung Stellung zu nehmen. Gerade vor dem Hintergrund eines rollierenden Mitar­bei­ter­ein­satzes gehöre es zum Beweisvortrag des Arbeitgebers, Tatsachen vorzubringen, aus denen sich ergeben hätte, dass der gekündigte Mitarbeiter zum Zeitpunkt der behaupteten Hinweise des Stationsleiters überhaupt im Betrieb gewesen sei und Gelegenheit gehabt habe, dem Gespräch beizuwohnen.

Auf Abmahnung hätte nicht verzichtet werden dürfen

Im Hinblick auf das vom Kläger gezeigte Fehlverhalten habe auch nicht auf eine Abmahnung verzichtet werden können, zumal nicht angenommen werden könne, dass eine solche Abmahnung nicht erfolg­ver­sprechend und deshalb entbehrlich gewesen sei.

Uneinsichtige Fortsetzung des Fehlverhaltens bei erfolgter Abmahnung unwahr­scheinlich

Auch wenn die Zweckrichtung des Bonussystems es selbst­ver­ständlich mache, dass keine fremden Kundenumsätze auf eigene Karten bzw. Karten von Arbeitskollegen gutgeschrieben werden dürften, wäre im Hinblick auf die nach dem System teilweise zulässigen Umbuchungen eine Abmahnung notwendig gewesen, um dem Mitarbeiter die Gelegenheit zu geben, sein Verhalten entsprechend auszurichten. Eine uneinsichtige Fortsetzung des Fehlverhaltens durch den Kläger könne nicht angenommen werden. Der Hinweis auf ein den Mitarbeitern überlassenes mehr als 30-seitigen Bedie­ner­handbuch stelle keinen ausreichenden Hinweis dar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter, die persönlich auf ein neues Softwaresystem geschult würden, ein Bedie­ner­handbuch komplett durchlesen. Es wäre dem Arbeitgeber ein leichtes gewesen, jedem Mitarbeiter auf einem Merkblatt eindeutig auf die Unzulässigkeit der Buchung fremder Kundengeschäfte hinzuweisen. Aufgrund der unstreitig nach den Karten­be­din­gungen möglichen Übertragung von Punkten auf andere Personen habe bei dem Mitarbeiter ohne eine solche Verdeutlichung der Eindruck entstehen können, in geringem Umfang Kundenpunkte einem Kollegen gutschreiben zu können, ohne dass dies zum Verlust seines Arbeits­ver­hält­nisses führen würde. Hess. LAG, Urteil vom 4. August 2010 - Vorinstanz: Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 26. November 2009 - 21 Ca 5136/09

Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht/ra-online

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