21.11.2024
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Dokument-Nr. 592

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Beschluss01.06.2005Hessischer Verwaltungsgerichtshof8 UZ 54/04
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss01.06.2005

Kreis­tags­mitglied kann die Entfernung eines Kreuzes aus dem Sitzungssaal verlangenVGH Hessen bestätigt den Anspruch auf Entfernung religiöser Symbole

Nach einem Beschluss des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs besteht ein Anspruch von Kreis­tags­mit­gliedern, dass ein im Sitzungssaal des Kreistages angebrachtes Kreuz auf ihr Verlangen hin während der Dauer der Sitzungen abgehängt wird. Damit hat der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof - wie bereits in einem vorangegangenen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz - auch in der Hauptsache eine entsprechende Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Darmstadt bestätigt.

Geklagt hatte ein Mitglied des Kreistages des Kreises Offenbach, nachdem in dem dortigen Sitzungssaal des Kreistages auf Initiative des Kreis­tags­vor­sit­zenden und im Einvernehmen mit dem Landrat im Jahr 2002 ein ca. 50 cm hohes Kreuz neben der Eingangstür an der Rückwand des Sitzungssaales angebracht worden war. Die Klägerin berief sich auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie auf Art. 9 der Hessischen Verfassung (HV) und machte geltend, sie sehe sich durch das christliche Symbol in ihrem Recht beeinträchtigt, ihr Mandat als Kreis­tags­mitglied ungehindert ausüben zu können.

Das Verwal­tungs­gericht Darmstadt hatte der Klägerin einen Anspruch auf Entfernung des Kreuzes für die Dauer ihrer Teilnahme an den Sitzungen des Kreistages unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Neutra­li­tätsgebot des Staates zugebilligt. Das Verwal­tungs­gericht hatte im Einzelnen ausgeführt, das Kreuz könne nicht lediglich als traditionelles und überkon­fes­si­o­nelles Symbol abendländischer Kultur und als säkularer Ausdruck der Werte und Normen dieser Kultur verstanden werden. Für Nichtchristen oder Atheisten werde das Kreuz als Glaubenssymbol des Christentums schlechthin zum symbolischen Ausdruck bestimmter Glaubens­über­zeu­gungen und zum Symbol ihrer missionarischen Ausbreitung. Es sei somit eine dem Selbst­ver­ständnis des Christentums oder der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wolle man es als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen. Wer aber auf Grund seiner religiösen oder weltan­schau­lichen Überzeugung dem durch das Kreuz symbolisierten Glaubensinhalt des Christentums ablehnend oder gleichgültig gegenüberstehe, werde durch das Anbringen des Kreuzes in seiner Bekennt­nis­freiheit beeinträchtigt, wenn er seine Mitwirkung bei Beratungen und Abstimmungen während der Sitzungen des Kreistages nicht als von christlichen Glaubens­über­zeu­gungen geleitet verstanden wissen wolle. Auch jede noch so geringfügige rechtswidrige Beein­träch­tigung bei der Ausübung ihres Mandates müsse die Klägerin nicht hinnehmen. Dies gelte insbesondere, wenn diese Beein­träch­tigung durch eine einfache sitzungs­leitende Maßnahme, nämlich durch die Entfernung des angebrachten Kreuzes aus dem Sitzungssaal während der Sitzungen des Kreistages unterbunden werden könne.

Der Antrag des Vorsitzenden des Kreistages an den Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof, die Berufung gegen dieses Urteil der Vorinstanz zuzulassen, blieb nunmehr in der Sache ohne Erfolg. Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof sah keine grundsätzliche Klärungs­be­dürf­tigkeit der hier streitigen Rechtsfrage. Die Rechts­mit­te­l­instanz betont in ihrem Beschluss ausdrücklich, das angefochtene Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Darmstadt stehe mit der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, insbesondere auch mit dessen sog. Kopftuchurteil (vgl.: Beschluss des BVerfG vom 24. September 2003) in Einklang. Ebenso wie in dem bereits vorangegangenen Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stellt der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof nochmals klar, die Anbringung eines Kreuzes in einem Kreis­tags­sit­zungssaal durch den Vorsitzenden des Kreistages sei mit der vom Grundgesetz geschützten Ausübung oder dem Ausdruck individueller Glaubens­freiheit einer einzelnen Person nicht gleichzusetzen, sondern sei eine staatliche Handlung, der sich das einzelne Kreis­tags­mitglied auf Grund der Anwesen­heits­pflicht in den Sitzungen des Kreistages nicht entziehen könne. Bei derartigen staatlichen Handlungen sei jedoch die Neutra­li­täts­pflicht aus Art. 140 GG zu beachten.

Der Beschluss ist unanfechtbar

Quelle: Pressemitteilung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof Kassel vom 13.06.2005

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