21.11.2024
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Dokument-Nr. 986

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil14.09.2005

Vorläufig kein islamischer Religi­o­ns­un­terricht an hessischen Schulen

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof in Kassel hat die Forderung einer islamischen Vereinigung nach Einführung eines islamischen Religi­o­ns­un­ter­richts an hessischen Schulen abgelehnt. Es hat damit ein entsprechendes Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Wiesbaden bestätigt.

Geklagt hatte die Islamische Religi­o­ns­ge­mein­schaft Hessen e. V. (IRH), ein seit 1997 tätiger Dachverband der verschiedensten islamischen Organisationen mit Sitz in Gießen. Die IRH, die nach eigenen Angaben ca. 11.000 Mitglieder vertritt, hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, die Einführung des islamischen Religi­o­ns­un­ter­richts an hessischen Schulen zu fördern. Demgemäß stellte der Verband im Jahr 1998 einen entsprechenden Antrag beim Hessischen Kultus­mi­nis­terium, der nach Einholung zahlreicher Gutachten im Oktober 2001 abgelehnt wurde. Die dagegen erhobene Klage blieb auch in der Berufungs­instanz ohne Erfolg.

Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führt der für Schulrecht zuständige 7. Senat des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs aus, die IRH erfülle derzeit nicht die Voraussetzungen um als Koope­ra­ti­o­ns­partner des Staates einen aus dem Grundgesetz (Art. 7 Abs. 3 GG) folgenden Anspruch auf Schaffung der organi­sa­to­rischen und finanziellen Voraussetzungen und auf inhaltliche Gestaltung eines ihren Glaubens­in­halten entsprechenden islamischen Religi­o­ns­un­ter­richts mit Erfolg geltend zu machen. Nach Ansicht des Gerichts erfüllt die IRH nicht die Voraussetzungen des verfas­sungs­recht­lichen Begriffs einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft. Unter einer Religi­o­ns­ge­mein­schaft ist danach ein Verband zu verstehen, der sich eine umfassende Bekennt­nis­pflege eines gemeinsamen Glaubens zum Ziel gesetzt hat. Eine solche Zielsetzung konnte das Gericht bei der IRH weder auf der Ebene des Dachverbandes noch unter Einbeziehung der Ortsgruppen und Moscheevereine im Gesamtsverband der verschiedenen Organisationen erkennen:

Nach ihrem tatsächlichen Erschei­nungsbild handle es sich bei der IRH trotz formaler Anpassung ihrer Organi­sa­ti­o­nss­trukturen an die höchst­rich­ter­lichen Vorgaben nicht um eine Religi­o­ns­ge­mein­schaft im Sinne des Grundgesetzes, sondern um einen Inter­es­sen­verband zur Durchsetzung einzelner Projekte. Aufgrund des mehrfachen Wechsels der Organi­sa­ti­o­nss­truktur und der aktuell fehlenden konkreten Angaben über die Anzahl der natürlichen und juristischen Mitglieder der IRH bestünden darüber hinaus auch Zweifel an einem dauerhaften Bestand des Dachverbandes, wie das Gericht zur Begründung seiner Entscheidung weiter ausführt.

Schließlich komme die IRH als geeigneter Koope­ra­ti­o­ns­partner des Staates bei der Einführung eines islamischen Religi­o­ns­un­ter­richts an Schulen auch deswegen nicht in Betracht, weil Zweifel an ihrer Verfas­sungstreue nicht hinreichend ausgeräumt worden seien. Zweifel an der Verfas­sungstreue der IRH ergäben sich insbesondere aus ihren Verbindungen zu islamischen Vereinigungen, die unter Beobachtung des Verfas­sungs­schutzes stehen sowie aus den von ihr vertretenen religiösen Inhalten. Mit dem Urteil hat das Gericht keine Entscheidung darüber getroffen, ob islamischer Religi­o­ns­un­terricht an staatlichen Schulen grundsätzlich möglich ist. Diese Frage ist in der Rechtsprechung bereits dahin geklärt, dass den Religi­o­ns­ge­mein­schaften ein Rechtsanspruch gegen den Staat auf Einräumung eines ihren Glaubens­in­halten entsprechenden Religi­o­ns­un­ter­richts an seinen Schulen zusteht.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Erläuterungen

Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) lautet:

"Der Religi­o­ns­un­terricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekennt­nis­freien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichts­rechtes wird der Religi­o­ns­un­terricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religi­o­ns­ge­mein­schaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religi­o­ns­un­terricht zu erteilen."

Quelle: Pressemitteilung Nr. 25/2005 des VGH Kassel vom 14.09.2005

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