21.11.2024
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Dokument-Nr. 6247

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Urteil17.06.2008Hessischer Verwaltungsgerichtshof11 C 1940/07.T, 11 C 1975/07.T, 11 C 2017/07.T, 11 C 2089/07.T, 11 C 2706/07.T, 11 C 2088/07.T, 11 C 2123/07.T, 11 C 2124/07.T, 11 C 2125/07.T
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil17.06.2008

Flughafen Kassel-Calden kann ausgebaut werdenZahlreiche Einwände der Kläger abgewiesen

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat eine Reihe von Entscheidungen verkündet, durch die Klagen und Eilanträge gegen den Ausbau des Verkehrs­lan­de­platzes Kassel-Calden zu einem regionalen Verkehrs­flughafen abgewiesen wurden.

Im Juli 2007 hatte das Regie­rungs­prä­sidium Kassel den Flughafenausbau durch Erlass eines Planfest­stel­lungs­be­schlusses genehmigt. Gegen den Plan sind zahlreiche Klagen erhoben worden, unter anderem von Kommunen (Gemeinde Espenau, Stadt Immenhausen, Stadt Hann. Münden, Landkreis Paderborn), vom BUND, von ca. 60 privaten Klägern aus der Umgebung des vorgesehenen Flugha­fen­ge­ländes sowie von dem Inhaber eines Betriebes, der in der Nähe des Flughafens Kalksandstein abbaut.

Den größten Teil der Klagen, die in 12 Verfahren zusammengefasst sind, hat der 11. Senat des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs vom 26. bis 28. Mai und vom 3. bis 5. Juni 2008 im Bürgersaal des Rathauses der Stadt Kassel verhandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch Waldbereiche besichtigt, die für Rodungen sowie für natur­schutz­rechtliche Ausgleichs­maß­nahmen vorgesehen sind.

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat jetzt entschieden, dass durch den Ausbau des Flughafens keine Rechte der Kläger verletzt werden. Zur Begründung hebt das Gericht hervor, dass es nicht dazu berufen sei, die politische Zweckmäßigkeit des Vorhabens zu beurteilen. Die insbesondere in der mündlichen Verhandlung gegen das Projekt erhobenen Einwendungen erwiesen sich bei genauer Betrachtung zum großen Teil als in ein juristisches Gewand gekleidete politische Argumente gegen den Ausbau.

Das Gericht hat die Überzeugung gewonnen, dass die für die Planrecht­fer­tigung erforderliche Bedarfsprognose des Instituts Intraplan (München) hinreichend belastbar sei. Ursprüngliche Zweifel an der Transparenz und Nachvoll­zieh­barkeit des Gutachtens seien durch eine Quali­täts­si­cherung der Prog Trans AG (Basel) ausgeräumt worden. Intraplan prognostiziere für das Jahr 2020 für den Flughafen Kassel-Calden im wahrschein­lichen Szenario ein Aufkommen von 640.000 Passagieren (Summe der an- und abfliegenden Personen). In die Prognose seien unter anderem die Entwicklung der Bevölkerung einschließlich der Erwerbstätigen und der Altersstruktur, das Wirtschafts­wachstum und die Entwicklung der Flugpreise einschließlich der Relation zwischen Low-Cost- und konventionellem Flugverkehr eingeflossen. Als Argument für den Ausbau würden zutreffend auch die großräumig zentrale Lage und die Anbindung an die Autobahnen A 7 und A 44 sowie an das ICE-Netz angeführt.

Das Gericht bestätigt auf der Grundlage der vorgelegten Gutachten, dass das Ausbauprojekt weiteren öffentlichen Interessen diene, nämlich der Sicherung des sonst langfristig gefährdeten Luftver­kehr­s­s­tan­dortes Kassel-Calden mit den dort ansässigen Betrieben und bestehenden Arbeitsplätzen, der Stärkung des Standortes durch bessere Einbindung in das europäische Flugver­kehrsnetz und durch Teilhabe an den Zuwachsraten im Luftverkehr. Schließlich leiste das Vorhaben einen Beitrag zur Aufwertung der strukturell schwachen Wirtschafts­region Nordhessen.

Die Prog Trans AG habe im Rahmen der Quali­täts­si­cherung aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar gute Chancen für ein Erreichen der Ausbauziele bestünden, das Projekt aber auch mit nicht unerheblichen wirtschaft­lichen Risiken verbunden sei. Das Gericht betont jedoch, dass die Entscheidung zu Gunsten des Flugha­fe­n­ausbaus unter diesem Aspekt zum Kernbereich der planerischen Gestal­tungs­freiheit gehöre, der einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich sei.

Auch Lärmschutz­belange der Kläger stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Sie seien von der Beigeladenen zutreffend ermittelt worden und stellten sich nach dem neuen, am 7. Juni 2007 in Kraft getretenen Fluglärm­schutz­gesetz als zumutbar dar. In einigen Bereichen, etwa in Hann. Münden oder Fuldatal sei die Lärmbelastung sogar als geringfügig einzustufen. Als nicht abwägungs­feh­lerhaft erweise sich auch die Genehmigung von vier Flugbewegungen während der Nacht (2 An- und 2 Abflüge), die schon bisher zugelassen waren. Dem Antrag der Kläger, die Verfahren im Hinblick auf Fragen des Lärmschutzes dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Entscheidung vorzulegen, hat der Gerichtshof nicht entsprochen. Die verfas­sungs­recht­lichen Bedenken gegen das Fluglärm­schutz­gesetz teilt das Gericht nicht.

Ein weiterer, wesentlicher Kritikpunkt der Kläger an dem Ausbauplan ist das Problem von Flugzeu­g­ab­stürzen durch sog. Kranichschlag. Die Kläger haben unter Vorlage eines mathematischen Gutachtens behauptet, sie seien insoweit einem nicht mehr hinnehmbaren Sicher­heits­risiko ausgesetzt. Nach Auffassung des Gerichts sind diese Befürchtungen offensichtlich unbegründet. Nach den statistischen Erhebungen sei es in den letzten Jahrzehnten an anderen Flughäfen, die wie Kassel-Calden auch im westeu­ro­pä­ischen Kranich­zug­gebiet liegen, trotz einer deutlich höherer Flugtätigkeit nur zu einer geradezu verschwindend geringen Anzahl von Kranichschlägen gekommen (6 Fälle in knapp 30 Jahren). In allen Fällen sei die Sicherheit des betroffen Flugzeugs in keiner Weise beeinträchtigt worden. Diese Tatsache stimme mit sämtlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Problematik des Vogelschlags überein. Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, die Menschen in Hann. Münden und in den übrigen Bereichen der Einflug­schneisen seien unter dem Aspekt des Vogelschlags keinem Risiko über das Maß dessen hinaus ausgesetzt, das mit dem alltäglichen Leben nahezu überall verbunden sei.

Schließlich beeinträchtige das Projekt auch die Belange des Naturschutzes nicht. Hierzu stellt der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof fest, dass bezüglich einiger geschützter Fledermausarten zwar europa­rechtliche Verbot­s­tat­be­stände eingriffen, insoweit habe das Regie­rungs­prä­sidium Kassel aber zu Recht eine vom Gesetz vorgesehene Ausnahme zugelassen. Als Kompensation für den Natureingriff diene der größte Teil des Waldbestandes am Wartberg, der einer forst­wirt­schaft­lichen Nutzung entzogen sei und der, wie die Besichtigung durch das Gericht ergeben habe, sich in bester Entwicklung hin zu einem natürlichen und urwaldähnlichen Gebiet befände. In diesem Gebiet fänden Spechte und sonstige höhlenzimmernde Vogelarten sehr gute Lebens­be­din­gungen, die auch den geschützten Fledermäusen zugute kämen.

Die Klage des Landkreises Paderborn hat der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dem Landkreis stehe aufgrund seiner wirtschaft­lichen Beteiligung am Flughafen Paderborn keine Rechtsposition gegen die Planung eines anderen Flughafens zu.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/08 des VGH Kassel vom 17.06.2008

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