Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil04.07.2011
Keine Verletzung der Ehre und Würde, wenn Vater beim Umgang mit Kindern Deutsch sprechen mussAuflage des Jugendamts beim begleitenden Umgang mit Kindern Deutsch zu sprechen, gerechtfertigt keine Geldentschädigung
Wird einem Kindesvater aufgegeben, bei durch das Jugendamt begleiteten Umgangskontakten mit seinen Kinder nicht Polnisch, sondern nur Deutsch zu sprechen, liegt hierin nicht in jedem Fall eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die eine Geldentschädigung rechtfertigt. Dies hat das Hanseatische Oberlandesgericht entschieden.
Der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit ist Vater zweier Kinder. Vor dem Amtsgericht Pinneberg hat er mit seiner getrennt lebenden Ehefrau 2003 eine Vereinbarung über den Umgang mit den bei der Mutter lebenden Kindern getroffen. Die Vereinbarung sah vor, dass die Umgangskontakte begleitet, d. h. im Beisein eines Jugendamtmitarbeiters, stattfinden sollte.
Kläger darf im Umgang mit seinen Kindern nicht Polnisch sprechen
Der Kläger machte gegen die Freie und Hansestadt Hamburg Amtshaftungsansprüche mit der Begründung geltend, das Jugendamt Hamburg-Bergedorf habe ihn dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, da es ihm bei begleiteten Umgangskontakten zu seinen Kindern nicht ermöglicht habe, Polnisch zu sprechen.
Kein Jugendamtsmitarbeiter mit Polnischkenntnissen verfügbar
Der Kläger beherrscht sowohl die polnische als auch die deutsche Sprache. In einem Vorgespräch teilte er dem Jugendamt Hamburg-Bergedorf mit, er wolle mit den Kindern bei den Umgangskontakten auch Polnisch sprechen. Dies lehnte das Jugendamt mit der Begründung ab, es stehe kein Mitarbeiter zur Verfügung, der Polnisch verstehe und die Umgangskontakte begleiten könne. Daraufhin nahm der Kläger die vereinbarten Umgangskontakte nicht wahr und erhob stattdessen Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg. Dieses Verfahren erledigte sich, nachdem es vor dem Familiengericht zu einer Einigung gekommen war, wonach nunmehr begleiteter Umgang in polnischer Sprache stattfinden sollte.
Kläger verlangt Schmerzensgeld wegen Amtspflichtverletzung
Der Kläger verlangte anschließend von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro. Er begründete dies damit, dass das Jugendamt dadurch, dass es die polnischsprachigen Umgangskontakte abgelehnt habe, gegen seine Verpflichtung zur Unterstützung des Umgangs verstoßen und ihm rechtswidrig die Kinder entzogen habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob die Jugendamtsmitarbeiter ihre Amtspflichten verletzt hätten, denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sei nach Abwägung der Gesamtumstände die Beeinträchtigung des Klägers nicht so erheblich gewesen, dass er eine Geldentschädigung verlangen könne. Eine Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung komme nur in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden könne. Ein solcher Fall liege hier u. a. deshalb nicht vor, weil es dem Kläger durchaus möglich gewesen sei, seine Kinder zu sehen, wenn er bereit gewesen wäre, einen begleiteten Umgang in deutscher Sprache zu führen.
OLG: Rechtsverletzung rechtfertigt keine Geldentschädigung
Auch das Hanseatische Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung rechtfertige keine Wiedergutmachung durch eine Geldentschädigung. Der Kläger habe eine Genugtuung bereits dadurch erhalten, dass das Verwaltungsgericht die von der Beklagten gewählte Begründung für die Ablehnung des polnischsprachigen Umgangs als "kaum haltbar" bezeichnet habe. Auch sei von deutscher Seite gegenüber dem Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments Bedauern über das Vorgehen des Jugendamts zum Ausdruck gebracht worden. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung sei nicht von solch einer Schwere, dass über diese Genugtuung hinaus eine zusätzliche Wiedergutmachung durch eine Geldentschädigung nötig sei. Zu berücksichtigen sei dabei u. a., dass der Kläger 2003 die Möglichkeit, im Wege eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens gegen das Jugendamt vorzugehen, nicht genutzt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers liege auch keine Verletzung seiner Ehre und Würde als polnischsprachiger Bürger vor. Das Problem, ob der begleitete Umgang auch in einer Fremdsprache durchgeführt werden könne, hätte sich auch bei jeder anderen Fremdsprache stellen können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.07.2011
Quelle: Hanseatische Oberlandesgericht/ra-online