18.10.2024
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil24.11.2009

FG Rheinland-Pfalz: Insol­venz­ver­walter hat nur eingeschränktes Recht auf Einsicht in Steuerakten des Insol­venz­schuldnersZustimmung zur Akteneinsicht muss durch Schuldner erfolgen

Ein Insol­venz­ver­walter hat keinen allgemeinen Anspruch auf Einsicht in die Steuerakten des Insol­venz­schuldners. Es besteht lediglich ein Anspruch auf eine ermes­sens­feh­lerfreie Entscheidung darüber, ob ihm im Einzelfall Akteneinsicht gewährt werde. Dies entschied das Finanzgericht Rheinland-Pfalz.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter (Kläger) unmittelbar nach seiner Bestellung zum Insol­venz­ver­walter über das Vermögen des Schuldners Einsicht in die beim beklagten Finanzamt geführten Steuerakten des Schuldners beantragt, um Kenntnis von möglichen Vermö­gens­ver­schie­bungen des Schuldners an Verwandte zu erlangen. Das Finanzamt erteilte dem Kläger Auskunft über einzelne möglicherweise anfechtbare Sachverhalte, verweigerte aber die begehrte umfassende eigene Einsicht in die Steuerakten. Der Kläger war demgegenüber der Meinung, dass er hinsichtlich der Insolvenzmasse die gleichen Rechte auf Gewährung von Akteneinsicht habe, wie sie für den Schuldner ohne Insolvenz bestanden hätten. Er habe zu prüfen, ob der Schuldner vor Insol­ven­z­er­öffnung seine steuerlichen Pflichten erfüllt habe und ob möglicherweise falsche Erklärungen zu berichtigen seien. Zudem müssten auch noch Steue­r­er­klä­rungen abgegeben werden, für deren Bearbeitung die Kenntnis des Inhalts der Erklärungen der Vorjahre erforderlich sei. Vom Schuldner selbst und seinen Steuerberatern seien diese Informationen nicht zu erhalten.

Finanzamt gewährt nur im Einzelfall Akteneinsicht unter Abwägung der Interessen des Klägers

Das beklagte Finanzamt blieb jedoch bei seiner Ansicht. Akteneinsicht könne nur im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Abwägung der Interessen des Klägers und der öffentlichen Belange gewährt werden. Die öffentlichen Belange, insbesondere der durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gewährleistete Schutz der im Besteu­e­rungs­ver­fahren bekannt gewordenen Verhältnisse des Schuldners, aber auch seiner getrennt veranlagten Ehefrau, überwögen die Interessen des Klägers.

Nach Ansicht des Klägers dient Akteneinsicht auch Erfüllung steuerlicher Pflichten

Mit seiner Klage trug der Kläger vor, dass die Einsichtnahme hauptsächlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten diene, aber auch der Verfolgung anfechtbarer Vermö­gens­ver­schie­bungen des Schuldners. Sollten entsprechende Anfechtungen Erfolg haben, ergäben sich daraus auch Auswirkungen auf die steuerlich relevanten Einkünfte des Klägers, die zu einer Änderung der Steuer­fest­set­zungen führen würden. Insoweit diene die begehrte Akteneinsicht zumindest im Nebenzweck auch der Erfüllung der steuerlichen Pflichten.

Akteneinsicht

Akteneinsicht von Finanzamt ermessensfehlerfrei entschieden'> Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass ein allgemeiner Anspruch auf Akteneinsicht nicht bestehe. Der Kläger habe nur Anspruch auf eine ermes­sens­feh­lerfreie Entscheidung darüber, ob ihm im Einzelfall Akteneinsicht gewährt werde. Die im Rahmen der Finanz­ge­richts­ordnung nur eingeschränkt mögliche Überprüfung der Ermes­sen­s­ent­scheidung des Finanzamts über die Ablehnung des Antrags begegne keinen rechtlichen Bedenken. Das Finanzamt habe u.a. rechts­feh­lerfrei in seine Ermes­sen­s­ent­scheidung die Wahrung des Steuer­ge­heim­nisses als zentralen öffentlichen Belang einbezogen. Dem Steuergeheimnis unterlägen sowohl die Verhältnisse des Schuldners als auch die seiner Ehefrau, insbesondere in den Jahren, in denen sie vom Schuldner getrennt veranlagt worden sei, außerdem die Verhältnisse Dritter. Zu Recht sei berücksichtigt worden, dass eine Zustimmung des Schuldners nicht vorliege und dass diese auch nicht durch eine Zustimmung des Insol­venz­ver­walters ersetzt werden könne, da die Zustimmung zur Offenbarung perso­nen­be­zogener Verhältnisse ein höchst­per­sön­liches Recht des Schuldners sei. Ein Akteneinsichts- und Auskunftsrecht des Insol­venz­ver­walters sei nicht schon dann gegeben, wenn lediglich ein - nicht substantiierter - Verdacht bestehe, ein Dritter habe vom Schuldner in anfechtbarer Weise einen Vermö­gens­ge­genstand erhalten. Das Finanzamt habe auch ohne Ermessensfehler ein überwiegendes Interesse des Insol­venz­ver­walters an einer Akteneinsicht zwecks Überprüfung bereits abgegebener Steue­r­er­klä­rungen verneint, da eine Pflicht zu einer Berichtigung nur bei einer positiven Kenntnis des Berich­ti­gungs­bedarfs bestehe. Soweit der Kläger darauf hingewiesen habe, Akteneinsicht zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Schuldners zu benötigen, habe das Finanzamt ohne Ermessensfehler darauf abgestellt, dass er nicht im Einzelnen dargetan habe, über welche steuerlich erheblichen Tatsachen er bereits Kenntnis habe und welche Informationen er noch zur Erstellung der Steue­r­er­klä­rungen benötige.

Quelle: ra-online, FG Rheinland-Pfalz

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