Finanzgericht Hamburg Urteil23.05.2013
6 % Aussetzungszinsen bei mehrjährigem Zinslauf (noch) nicht verfassungswidrigZinsforderungen verstoßen jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung
Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, dass die Vorschriften der Abgabenordnung, nach denen auf ausgesetzte Steuerbeträge Zinsen von jährlich 6 % zu zahlen sind, jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung verstoßen.
Die Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls hatten eine 1996 erworbene Eigentumswohnung im Jahr 2002 wieder veräußert. Gegen die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft legten sie Einspruch ein. Das Finanzamt gewährte ihnen antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung und ordnete im Oktober 2004 im Hinblick auf ein Vorlageverfahren beim Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist das Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 2 AO an. Nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juli 2010 hob das Finanzamt die gewährte Aussetzung der Vollziehung auf und setzte auf den ausgesetzten Steuerbetrag, soweit eine Abhilfe in der Sache nicht erfolgte, gemäß §§ 237, 238 AO Aussetzungszinsen von 6 % per anno für den Zeitraum von mehr als sechs Jahren fest.
Kläger halten Zinsfestsetzung wegen überlanger Verfahrensdauer für verfassungsrechtswidrig
Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, die konkrete Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 237 AO müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie bei überlanger Verfahrensdauer nicht anzuwenden sei und schon gar nicht Zinsen in Höhe von 6 % per anno festgesetzt werden dürften.
FG: Typisierende Regelungen wie der Zinssatz bedürfen einer Korrektur
Dem ist das Finanzgericht Hamburgs nicht gefolgt. Die Vorschriften der Abgabenordnung, nach denen auf ausgesetzte Steuerbeträge Zinsen von jährlich 6 % zu zahlen sind, verstoße jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung. Die bisherige Rechtsprechung – auch des Bundesverfassungsgerichts – habe die Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung bisher für verfassungsgemäß gehalten. Allerdings führt das Gericht aus, dass typisierende Regelungen, wie der Zinssätze, einer Korrektur bedürften, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung gewesen seien, durchgreifend geändert haben. Ausdruck einer derartigen Änderung könnte vornehmlich das kontinuierlich gesunkene Zinsniveau sein. Da Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen jedoch Schwankungen unterlägen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet hätten, sei dem Gesetzgeber aber eine gewisse Beobachtungszeit vor einer Anpassung des Zinssatzes zuzubilligen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.10.2013
Quelle: Finanzgericht Hamburg/ra-online