23.11.2024
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Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss05.03.2018

Islamische Religions­gemeinschaft kann gemeinnützig seinEinmaliger Auftritt eines gegebenenfalls salafistischen Predigers für Zweifel an Verfas­sungstreue nicht ausreichend

Einmaliger Auftritt eines gegebenenfalls salafistischen Predigers für Zweifel an Verfas­sungstreue nicht ausreichend

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist nach seiner Vereinssatzung eine islamische Religionsgemeinschaft, die unmittelbar und mittelbar durch ihre Mitglieder der umfassenden Glaubens­ver­wirk­lichung dient. Der Kläger widmet sich der Pflege, Vermittlung und Ausübung der islamischen Religion im Rahmen des Grundgesetzes und der Pflege des inter­kul­tu­rellen und interreligiösen Dialogs. Jede Person muslimischen Glaubens kann Mitglied werden. Auf seiner Internetseite distanziert sich der Kläger von Personen, die zu Gewalt, Extremismus und Fremd­feind­lichkeit aufrufen. Seine Aktivitäten bestehen insbesondere in der Durchführung und Organisation des wöchentlichen Freitagsgebets, des Fastenmonats Ramadan mit Abendessen, Infoständen zum Islam in der Fußgängerzone, der Unterstützung von Gemein­de­mit­gliedern, der Reparaturen in Gebetsräumen, der Krankenhaus- und Gefäng­nis­seelsorge sowie Arabi­sch­un­terricht. Der Kläger nimmt an interreligiösen Dialogen der Stadt und am Erfah­rungs­aus­tausch zwischen Landratsamt, Polizei­prä­sidium, Stadt und muslimischen Gemeinden teil. Er beteiligt sich aktiv an den internationalen Wochen gegen Rassismus. Der Verein ist nicht im Verfas­sungs­schutz­bericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt.

Finanzamt widerruft Anerkennung der Gemein­nüt­zigkeit

Das beklagte Finanzamt erteilte zunächst eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit mit Wider­rufs­vor­behalt. Nachdem in der Moschee des Klägers ein Theologe, dem die Einreise nach Deutschland verboten gewesen war, einen Vortrag gehalten hat, widerrief das Finanzamt die Anerkennung der Gemein­nüt­zigkeit.

Satzung des Klägers erfüllt abgaben­rechtliche Anforderungen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg verpflichtete das Finanzamt, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gesondert festzustellen. Grundlage der Feststellung sei die Satzung des Klägers. Diese erfülle die abgaben­recht­lichen Anforderungen. Danach verfolge der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er fördere die Allgemeinheit, auch wenn nur Personen muslimischen Glaubens Mitglieder werden könnten. Dies sei bei einer muslimischen Religi­o­ns­ge­mein­schaft sachlich gerechtfertigt. Religion sei nicht auf christliche Religi­o­ns­rich­tungen beschränkt.

Anhaltspunkte für Verstoß gegen Voraussetzungen der Gemein­nüt­zigkeit nicht hinreichend gegeben

Auf die tatsächliche Geschäfts­führung komme es bei einer Grund­la­gen­fest­stellung nicht an. Die Tatsa­che­ner­mittlung bleibe dem Veran­la­gungs­ver­fahren vorbehalten. Im Übrigen gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gegen die Voraussetzungen der Gemein­nüt­zigkeit verstoßen habe. Dieser werde nicht in einem Verfas­sungs­schutz­bericht als extremistisch eingestuft. Mehrstufige Verlinkungen von seiner Homepage auf Literatur zum Islam seien nicht geeignet, von verfas­sungs­feind­lichen Aktivitäten des Klägers selbst auszugehen. Dies gelte auch für die Rede des Theologen.

Kläger engagiert sich in interreligiösem Dialog

Nach den Video­auf­zeich­nungen und der Zeugenaussage sei es um ein vorbildliches Leben in einem nicht muslimische n Umfeld gegangen. Ein einmaliger Auftritt eines ggf. salafistischen Predigers reiche nicht aus, an der Verfas­sungstreue zu zweifeln. Außerdem engagiere sich der Kläger im interreligiösen Dialog.

Gericht bittet um mehr Sorgfalt bei Auswahl der Gastredner

Offen ließ das Gericht, "wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn es zu regelmäßigen Auftritten solch umstrittener Persön­lich­keiten kommen würde". Der Senat wies den Kläger darauf hin, "dass er künftig bei der Auswahl seiner Gastredner größere Sorgfalt walten lassen sollte".

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg, ra-online

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