21.11.2024
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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil08.02.2017

Umsätze einer Fahrschule können steuerfrei seinFahrschule kann sich auf Mehrwert­steuer­system­richtlinie berufen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Umsätze einer Fahrschule steuerfrei sein können und setzte mit seiner Entscheidung die Vollziehung eines Umsatzsteuer-Voraus­zahlungs­bescheids für 2016 bis zur Entscheidung im Einspruchs­ver­fahren aus.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt eine Fahrschule. Die Ausbildung umfasst die Fahrer­laub­nis­klassen A (Krafträder) und überwiegend B (PKW). Seit 1. Januar 2016 berechnet die Antragstellerin ihren Fahrschülern keine Umsatzsteuer mehr und erklärt steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug. Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Umsätze steuerpflichtig seien. Es änderte einen Umsatzsteuer-Voraus­zah­lungs­be­scheid für 2016, da der Fahrschul­un­terricht kein steuerbefreiter Unterricht einer allge­mein­bil­denden oder berufsbildenden Einrichtung sei. Es handle sich auch nicht um Schul- oder Hochschul­un­terricht, der dem Erwerb oder der Erhaltung spezifischer beruflicher Kenntnisse diene. Die Antragstellerin sei auch kein "Privatlehrer" im Sinne der Mehrwert­steu­er­sys­tem­richtlinie. Die Änderung führte zu einer Nachzahlung. Die Antragstellerin legte Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, ohne über den Einspruch zu entscheiden. Die Antragstellerin stellte einen gerichtlichen Antrag.

FG äußert Zweifel an Steuerpflicht der Fahrschule

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte ernstliche Zweifel an einer Steuerpflicht, obwohl die Umsätze der Antragstellerin nicht nach den Vorschriften des Umsatz­steu­er­ge­setzes befreit seien. Die Antragstellerin könne sich jedoch auf die Mehrwert­steu­er­sys­tem­richtlinie berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes umfasse "Unterricht" auch Tätigkeiten, bei denen eine Unterweisung erteilt werde, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeit­ge­staltung haben. Entscheidend seien die Art der erbrachten Leistung und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschul­un­terricht. "Unterricht" werde "von Privatlehrern erteilt", wenn die Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelten. Nach diesen Grundsätzen sei es möglich, dass die Antragstellerin Privatlehrerin sei, die ihren Schülern die für das Führen eines Kraftrads oder Pkw notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle. Die vermittelten Fähigkeiten gingen über die bloße Beherrschung von Fahrzeug und Verkehrsregeln hinaus. Zu den Zielen der Fahrausbildung gehöre zum Beispiel auch das Wissen über die Auswirkungen von Fahrfehlern und eine realistische Selbst­ein­schätzung. Dies könne ein Gemein­wohl­in­teresse begründen und unter Berück­sich­tigung der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs zum Schwim­m­un­terricht dazu führen, dass Umsätze für Fahrschul­un­terricht steuerfrei sind.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg/ra-online

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