23.11.2024
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Dokument-Nr. 2680

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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil13.07.2006

Fortbestand des zweitgrößten Musikkonzerns Sony BMG ist gefährdetGericht Erster Instanz hebt nachträglich fehlerhafte Genehmigung zur Fusion auf

Die EU-Kommission hat bei der Genehmigung der Fusion im Jahre 2004 nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass vor dem Zusammenschluss keine kollektive markt­be­herr­schende Stellung existierte und dass keine Gefahr der Entstehung einer solchen Stellung durch den Vorgang besteht.

Am 9. Januar 2004 unterrichteten die international tätigen Medien­un­ter­nehmen Bertelsmann AG und Sony die Kommission über einen geplanten Zusammenschluss, durch den sie ihre weltweiten Aktivitäten im Tonträ­ger­bereich (mit Ausnahme der Tätigkeiten von Sony in Japan) in drei neuen, gemeinsam unter dem Namen Sony BMG operierenden Gesellschaften vereinigen wollten.

Am 24. Mai 2004 teilte die Kommission den Parteien mit, sie sei zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass der Zusammenschluss mit dem Gemein­schaftsrecht unvereinbar sei, weil durch ihn insbesondere eine kollektive beherrschende Stellung auf dem Tonträgermarkt verstärkt werde. Nach Anhörung der Parteien erklärte die Kommission den Zusammenschluss am 18. Juli 2004 für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.

Am 3. Dezember 2004 beantragte Impala, eine internationale Vereinigung von 2500 unabhängigen Musik­pro­duk­ti­o­ns­ge­sell­schaften, die am Verfahren vor der Kommission teilgenommen hatte, beim Gericht erster Instanz die Nichti­g­er­klärung dieser Entscheidung. Dem Antrag der Klägerin, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, wurde vom Gericht stattgegeben.

Nun erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission für nichtig. Das Gericht weist darauf hin, dass nach der Entscheidung der Kommission das Fehlen einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem Tonträgermarkt aus der Heterogenität des fraglichen Produkts, der mangelnden Markt­trans­parenz und dem Fehlen von Vergel­tungs­maß­nahmen zwischen den fünf größten Gesellschaften abgeleitet werden kann.

Das Gericht stellte jedoch fest, dass die These, wonach die Verkaufs­för­de­rungs­rabatte die Markt­trans­parenz so stark verringerten, dass sie eine kollektive beherrschende Stellung verhinderten, nicht in rechtlich hinreichender Weise begründet und mit einem offen­sicht­lichen Beurtei­lungs­fehler behaftet ist. Die Anhaltspunkte, auf denen diese These beruht, sind unvollständig und umfassen nicht alle relevanten Daten, die die Kommission hätte berücksichtigen müssen. Sie vermögen daher die aus ihnen gezogenen Schlüsse nicht zu stützen.

Das Gericht führte weiter aus, dass die Kommission auf das Fehlen von Beweisen für Vergel­tungs­maß­nahmen in der Vergangenheit abgestellt hat, während nach der Rechtsprechung die bloße Existenz wirksamer Abschre­ckungs­me­cha­nismen genügt, da, wenn sich die Gesellschaften an die gemeinsame Politik halten, kein Anlass für Sanktionen besteht. In diesem Zusammenhang fügt das Gericht hinzu, dass nach der Entscheidung und den Akten offenbar solche glaubwürdigen und wirksamen Abschre­ckungs­mittel existieren; insbesondere besteht die Möglichkeit, eine von Vereinbarungen abweichende Plattenfirma durch ihren Ausschluss von Kompilationen zu bestrafen. Und selbst wenn es insoweit angebracht gewesen wäre, zu prüfen, ob solche Vergel­tungs­maß­nahmen in der Vergangenheit getroffen wurden, war die von der Kommission vorgenommene Prüfung unzureichend. Sie war nämlich in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, irgendwelche Schritte anzugeben, die sie zu diesem Zweck durchgeführt oder unternommen hatte. Da diese beiden Gründe die wesentliche Grundlage bilden, auf der die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass keine kollektive beherrschende Stellung vorliege, würde jeder dieser Fehler für sich ausgenommen ausreichen, um die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung zu rechtfertigen.

Außerdem warf das Gericht der Kommission in Bezug auf die mögliche Entstehung einer kollektiven beherrschenden Stellung nach der Fusion vor, dass sie eine äußerst knappe Prüfung durchgeführt und in der Entscheidung nur einige oberflächliche und formale Ausführungen zu diesem Punkt gemacht habe. Nach Ansicht des Gerichts war es der Kommission nicht ohne Rechtsfehler möglich, gestützt auf die fehlende Markt­trans­parenz oder das Fehlen von Beweisen für die Existenz von Vergel­tungs­maß­nahmen in der Vergangenheit zu dem Ergebnis zu kommen, dass mit dem Zusammenschluss keine Gefahr der Entstehung einer kollektiven beherrschenden Stellung verbunden war.

Schließlich rügte das Gericht das Verhalten der Parteien während des gerichtlichen Verfahrens. Es ist insbesondere der Ansicht, dass die Haltung von Impala, auf deren Betreiben im beschleunigten Verfahren entschieden wurde, mit Buchstaben und Geist dieses Verfahrens wenig vereinbar war und den Ablauf des Verfahrens verzögert hat. Aus diesem Grund beschließt das Gericht, dass Impala ein Viertel ihrer Kosten selbst zu tragen hat.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 60/06 des EuG vom 13.07.2006

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