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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil13.07.2006
Fortbestand des zweitgrößten Musikkonzerns Sony BMG ist gefährdetGericht Erster Instanz hebt nachträglich fehlerhafte Genehmigung zur Fusion auf
Die EU-Kommission hat bei der Genehmigung der Fusion im Jahre 2004 nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass vor dem Zusammenschluss keine kollektive marktbeherrschende Stellung existierte und dass keine Gefahr der Entstehung einer solchen Stellung durch den Vorgang besteht.
Am 9. Januar 2004 unterrichteten die international tätigen Medienunternehmen Bertelsmann AG und Sony die Kommission über einen geplanten Zusammenschluss, durch den sie ihre weltweiten Aktivitäten im Tonträgerbereich (mit Ausnahme der Tätigkeiten von Sony in Japan) in drei neuen, gemeinsam unter dem Namen Sony BMG operierenden Gesellschaften vereinigen wollten.
Am 24. Mai 2004 teilte die Kommission den Parteien mit, sie sei zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass der Zusammenschluss mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei, weil durch ihn insbesondere eine kollektive beherrschende Stellung auf dem Tonträgermarkt verstärkt werde. Nach Anhörung der Parteien erklärte die Kommission den Zusammenschluss am 18. Juli 2004 für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.
Am 3. Dezember 2004 beantragte Impala, eine internationale Vereinigung von 2500 unabhängigen Musikproduktionsgesellschaften, die am Verfahren vor der Kommission teilgenommen hatte, beim Gericht erster Instanz die Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Dem Antrag der Klägerin, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, wurde vom Gericht stattgegeben.
Nun erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission für nichtig. Das Gericht weist darauf hin, dass nach der Entscheidung der Kommission das Fehlen einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem Tonträgermarkt aus der Heterogenität des fraglichen Produkts, der mangelnden Markttransparenz und dem Fehlen von Vergeltungsmaßnahmen zwischen den fünf größten Gesellschaften abgeleitet werden kann.
Das Gericht stellte jedoch fest, dass die These, wonach die Verkaufsförderungsrabatte die Markttransparenz so stark verringerten, dass sie eine kollektive beherrschende Stellung verhinderten, nicht in rechtlich hinreichender Weise begründet und mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist. Die Anhaltspunkte, auf denen diese These beruht, sind unvollständig und umfassen nicht alle relevanten Daten, die die Kommission hätte berücksichtigen müssen. Sie vermögen daher die aus ihnen gezogenen Schlüsse nicht zu stützen.
Das Gericht führte weiter aus, dass die Kommission auf das Fehlen von Beweisen für Vergeltungsmaßnahmen in der Vergangenheit abgestellt hat, während nach der Rechtsprechung die bloße Existenz wirksamer Abschreckungsmechanismen genügt, da, wenn sich die Gesellschaften an die gemeinsame Politik halten, kein Anlass für Sanktionen besteht. In diesem Zusammenhang fügt das Gericht hinzu, dass nach der Entscheidung und den Akten offenbar solche glaubwürdigen und wirksamen Abschreckungsmittel existieren; insbesondere besteht die Möglichkeit, eine von Vereinbarungen abweichende Plattenfirma durch ihren Ausschluss von Kompilationen zu bestrafen. Und selbst wenn es insoweit angebracht gewesen wäre, zu prüfen, ob solche Vergeltungsmaßnahmen in der Vergangenheit getroffen wurden, war die von der Kommission vorgenommene Prüfung unzureichend. Sie war nämlich in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, irgendwelche Schritte anzugeben, die sie zu diesem Zweck durchgeführt oder unternommen hatte. Da diese beiden Gründe die wesentliche Grundlage bilden, auf der die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass keine kollektive beherrschende Stellung vorliege, würde jeder dieser Fehler für sich ausgenommen ausreichen, um die Nichtigerklärung der Entscheidung zu rechtfertigen.
Außerdem warf das Gericht der Kommission in Bezug auf die mögliche Entstehung einer kollektiven beherrschenden Stellung nach der Fusion vor, dass sie eine äußerst knappe Prüfung durchgeführt und in der Entscheidung nur einige oberflächliche und formale Ausführungen zu diesem Punkt gemacht habe. Nach Ansicht des Gerichts war es der Kommission nicht ohne Rechtsfehler möglich, gestützt auf die fehlende Markttransparenz oder das Fehlen von Beweisen für die Existenz von Vergeltungsmaßnahmen in der Vergangenheit zu dem Ergebnis zu kommen, dass mit dem Zusammenschluss keine Gefahr der Entstehung einer kollektiven beherrschenden Stellung verbunden war.
Schließlich rügte das Gericht das Verhalten der Parteien während des gerichtlichen Verfahrens. Es ist insbesondere der Ansicht, dass die Haltung von Impala, auf deren Betreiben im beschleunigten Verfahren entschieden wurde, mit Buchstaben und Geist dieses Verfahrens wenig vereinbar war und den Ablauf des Verfahrens verzögert hat. Aus diesem Grund beschließt das Gericht, dass Impala ein Viertel ihrer Kosten selbst zu tragen hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.07.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 60/06 des EuG vom 13.07.2006
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