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Dokument-Nr. 6654

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Europäisches Gericht Erster Instanz Urteil09.09.2008

EU muss keinen Schadenersatz an Reisekonzern MyTravel wegen Fusions­un­ter­sagung zahlenKommission hat Ermes­sens­spielraum und Sorgfalts­pflicht nicht "offenkundig und erheblich" verletzt

Die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung der Kommission, mit der der Erwerb von First Choice durch MyTravel untersagt worden ist, führt nicht zu einer finanziellen Haftung der Gemeinschaft, da die Kommission das Gemein­schaftsrecht nicht offenkundig und erheblich verletzt hat. Dies hat das Gericht erster Instanz entschieden.

Am 29. April 1999 gab die britische Reise­ver­an­stalterin Airtours, nunmehr MyTravel Group, ihre Absicht bekannt, das gesamte Kapital von First Choice, einer ihrer Konkurrentinnen im Vereinigten Königreich, an der Börse zu erwerben. Am selben Tag beantragte Airtours die Genehmigung des geplanten Zusam­men­schlusses bei der Kommission.

Kommission untersagte Zusammenschluss

Am 22. September 1999 erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da er zu einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem britischen Markt für Kurzstrecken-Pauschalreisen geführt hätte.

Gericht erster Instanz erklärte die Entscheidung der Kommission für nichtig

Airtours wandte sich gegen die Beurteilung der Kommission und erhob beim Gericht erster Instanz Klage auf Nichti­g­er­klärung der Entscheidung der Kommission. Mit Urteil vom 6. Juni 2002 erklärte das Gericht die Entscheidung für nichtig, da es der Ansicht war, dass die Kommission die negativen Auswirkungen des Zusam­men­schlusses auf den Wettbewerb nicht hinreichend nachgewiesen habe.

My Travel Group fordert Schadensersatz

Auf dieses Urteil hin hat My Travel Group beim Gericht eine Klage auf Ersatz des Schadens erhoben, der ihr aufgrund der Fehler im von der Kommission durchgeführten Verfahren zur Kontrolle der Vereinbarkeit des geplanten Erwerbs ihrer Konkurrentin mit dem Gemeinsamen Markt entstanden sein soll.

Gemeinschaft haftet nur bei offenkundigem rechtswidrigen Verhalten

Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Entstehung der außer­ver­trag­lichen Haftung der Gemeinschaft von einem rechtswidrigen Verhalten ihrer Organe abhängig ist, das in einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der Grenzen besteht, die ihrem Ermessen gesetzt sind.

Es kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass offenkundige und erhebliche Fehler bei der wirtschaft­lichen Analyse durch die Kommission, die einer Entscheidung zugrunde liegt, mit der ein Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird, ausreichend qualifizierte Verstöße darstellen können, die zur Entstehung der außer­ver­trag­lichen Haftung der Gemeinschaft führen. Die Komplexität der im Bereich der Kontrolle von Zusam­men­sch­lüssen zu regelnden Situationen, die Schwierigkeiten bei der Anwendung verbunden mit zeitlichen Zwängen, denen die Verwaltung in diesem Rahmen unterliegt, sowie der Ermes­sens­spielraum, über den die Kommission verfügt, müssen bei der Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß durch die Kommission vorliegt, in Betracht gezogen werden.

Diese Prüfung stellt höhere Anforderungen als die Prüfung im Rahmen einer Klage auf Nichti­g­er­klärung, bei der sich das Gericht damit begnügt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass die Kommission die verschiedenen Punkte des Zusam­men­schlusses richtig beurteilt hat. Im vorliegenden Fall reichen die Beurtei­lungs­fehler und das Fehlen von einschlägigen Beweisen, wie sie im Urteil Airtours vom 6. Juni 2002 festgestellt worden sind, einzeln oder zusammen nicht aus, um eine offenkundige und erhebliche Verletzung der Grenzen, die dem Ermessen der Kommission im Bereich der Kontrolle von Zusam­men­sch­lüssen angesichts einer komplexen Oligo­pol­stellung gesetzt sind, zu begründen.

Kommission hat keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechts­vor­schrift begangen

Im Licht dieser Überlegungen stellt das Gericht fest, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der Transaktion Airtours/First Choice in Anbetracht der Kriterien zur Begründung einer kollektiven beherrschenden Stellung keinen hinreichend qualifizierten Verstoß einer Rechts­vor­schrift begangen hat.

Was schließlich die während des Verfahrens vorgelegten Dokumente betrifft, stellt das Gericht fest, dass die von Airtours angebotenen Verpflichtungen, die die Probleme in Bezug auf die möglichen negativen Auswirkungen des Zusam­men­schlusses auf den Wettbewerb, die von der Kommission aufgezeigt worden waren, beseitigen sollten, von dieser geprüft worden sind und die Einwände der Kommission nicht klar entkräften konnten. Die Kommission hat ihre Sorgfalts­pflicht in dieser Hinsicht folglich nicht verletzt, so dass auch insoweit keine außer­ver­tragliche Haftung der Gemeinschaft begründet werden kann.

Unter diesen Umständen weist das Gericht die Klage von MyTravel Group in vollem Umfang ab.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 61/08 des EuGH erster Instanz vom 09.09.2008

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