Am 29. April 1999 gab die britische Reiseveranstalterin Airtours, nunmehr MyTravel Group, ihre Absicht bekannt, das gesamte Kapital von First Choice, einer ihrer Konkurrentinnen im Vereinigten Königreich, an der Börse zu erwerben. Am selben Tag beantragte Airtours die Genehmigung des geplanten Zusammenschlusses bei der Kommission.
Am 22. September 1999 erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da er zu einer kollektiven beherrschenden Stellung auf dem britischen Markt für Kurzstrecken-Pauschalreisen geführt hätte.
Airtours wandte sich gegen die Beurteilung der Kommission und erhob beim Gericht erster Instanz Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Mit Urteil vom 6. Juni 2002 erklärte das Gericht die Entscheidung für nichtig, da es der Ansicht war, dass die Kommission die negativen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb nicht hinreichend nachgewiesen habe.
Auf dieses Urteil hin hat My Travel Group beim Gericht eine Klage auf Ersatz des Schadens erhoben, der ihr aufgrund der Fehler im von der Kommission durchgeführten Verfahren zur Kontrolle der Vereinbarkeit des geplanten Erwerbs ihrer Konkurrentin mit dem Gemeinsamen Markt entstanden sein soll.
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die Entstehung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft von einem rechtswidrigen Verhalten ihrer Organe abhängig ist, das in einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der Grenzen besteht, die ihrem Ermessen gesetzt sind.
Es kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass offenkundige und erhebliche Fehler bei der wirtschaftlichen Analyse durch die Kommission, die einer Entscheidung zugrunde liegt, mit der ein Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird, ausreichend qualifizierte Verstöße darstellen können, die zur Entstehung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft führen. Die Komplexität der im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen zu regelnden Situationen, die Schwierigkeiten bei der Anwendung verbunden mit zeitlichen Zwängen, denen die Verwaltung in diesem Rahmen unterliegt, sowie der Ermessensspielraum, über den die Kommission verfügt, müssen bei der Beurteilung, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß durch die Kommission vorliegt, in Betracht gezogen werden.
Diese Prüfung stellt höhere Anforderungen als die Prüfung im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung, bei der sich das Gericht damit begnügt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass die Kommission die verschiedenen Punkte des Zusammenschlusses richtig beurteilt hat. Im vorliegenden Fall reichen die Beurteilungsfehler und das Fehlen von einschlägigen Beweisen, wie sie im Urteil Airtours vom 6. Juni 2002 festgestellt worden sind, einzeln oder zusammen nicht aus, um eine offenkundige und erhebliche Verletzung der Grenzen, die dem Ermessen der Kommission im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen angesichts einer komplexen Oligopolstellung gesetzt sind, zu begründen.
Im Licht dieser Überlegungen stellt das Gericht fest, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der Transaktion Airtours/First Choice in Anbetracht der Kriterien zur Begründung einer kollektiven beherrschenden Stellung keinen hinreichend qualifizierten Verstoß einer Rechtsvorschrift begangen hat.
Was schließlich die während des Verfahrens vorgelegten Dokumente betrifft, stellt das Gericht fest, dass die von Airtours angebotenen Verpflichtungen, die die Probleme in Bezug auf die möglichen negativen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb, die von der Kommission aufgezeigt worden waren, beseitigen sollten, von dieser geprüft worden sind und die Einwände der Kommission nicht klar entkräften konnten. Die Kommission hat ihre Sorgfaltspflicht in dieser Hinsicht folglich nicht verletzt, so dass auch insoweit keine außervertragliche Haftung der Gemeinschaft begründet werden kann.
Unter diesen Umständen weist das Gericht die Klage von MyTravel Group in vollem Umfang ab.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.09.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 61/08 des EuGH erster Instanz vom 09.09.2008