14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 7950

Drucken
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil04.06.2009

EuGH: Ein einzelnes Treffen zwischen Konkur­ren­z­un­ter­nehmen kann abgestimmte Verhaltensweise begründenEinmalige Kontaktaufnahme bietet ausreichende Grundlage, um wettbe­wer­bs­widrigen Zweck in die Tat umzusetzen

Bereits ein einzelnes Treffen zwischen Unternehmen kann abgestimmte Verhaltensweise begründen, die gegen Wettbe­wer­bsrecht der Gemeinschaft verstößt. Dies entschied der Europäische Gerichtshof.

Das Gemein­schaftsrecht verbietet Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhal­tens­weisen von Unternehmen. Unter „aufeinander abgestimmten Verhal­tens­weisen“ werden nach nieder­län­dischem Recht aufeinander abgestimmte Verhal­tens­weisen im Sinne des Gemein­schafts­rechts verstanden.

Sachverhalt

Im Jahr 2001 verfügten in den Niederlanden fünf Betreiber über ein eigenes Mobilfunknetz, nämlich Ben Nederland BV (jetzt T-Mobile), KPN, Dutchtone NV (jetzt Orange), Libertel-Vodafone NV (jetzt Vodafone) und Telfort Mobiel BV (später O2 [Netherlands] BV, jetzt Telfort). Am 13. Juni 2001 trafen sich Vertreter dieser fünf Betreiber. Bei diesem Treffen ging es u. a. um die Kürzung der Standa­rd­ver­trags­händ­ler­ver­gü­tungen für Postpaid-Verträge am oder um den 1. September 2001.

Bußgeld aufgrund Beein­träch­tigung des Wettbewerbs

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 stellte der Raad van bestuur van de Nederlandse Mededin­gings­au­to­riteit (Niederländische Wettbe­wer­bs­behörde) fest, dass die fünf Betreiber miteinander eine Vereinbarung geschlossen bzw. ihre Verhal­tens­weisen aufeinander abgestimmt hatten. Da die Behörde der Ansicht war, dass diese Verhal­tens­weisen den Wettbewerb erheblich beein­träch­tigten und daher gegen das nationale Recht verstießen, verhängte sie Geldbußen gegen die betroffenen Unternehmen. Diese fochten den Bescheid an.

Gericht soll prüfen, ob "abgestimmte Verhaltensweise" vorliegt

Das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Verwal­tungs­gericht für Handel und Gewerbe), bei dem in dem Rechtsstreit Berufung eingelegt wurde, bittet den Gerichtshof, den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zu erläutern, insbesondere anzugeben, welche Kriterien bei der Beurteilung, ob eine abgestimmte Verhaltensweise einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck verfolgt, anzuwenden sind, ferner klarzustellen, ob der nationale Richter, der das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise prüft, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte Kausa­li­täts­ver­mutung anwenden muss, und zu bestimmen, ob diese Vermutung selbst dann gilt, wenn die Abstimmung nur auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht.

Zu den Kriterien für die Beurteilung, ob eine abgestimmte Verhaltensweise einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck verfolgt:

Einleitend erinnert der Gerichtshof daran, dass die in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Beurteilung, ob ein Verhalten eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, unabhängig davon gelten, ob es sich um eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise handelt. In Bezug auf die Definition einer abgestimmten Verhaltensweise stellt er klar, dass es sich dabei um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen handelt, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt.

Regeln hinsichtlich wettbe­wer­bs­widrigem abgestimmten Verhalten sind gegeben

Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass er bereits einige Kriterien aufgestellt hat, anhand deren beurteilt werden kann, ob eine abgestimmte Verhaltensweise wettbewerbswidrig ist; dies sind u. a. die objektiven Ziele, die sie zu erreichen sucht, sowie der wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang, in den sie sich einfügt. Für einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck reicht es bereits aus, wenn die abgestimmte Verhaltensweise das Potenzial hat, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten. Mit anderen Worten muss die abgestimmte Verhaltensweise lediglich konkret, unter Berück­sich­tigung ihres jeweiligen rechtlichen und wirtschaft­lichen Zusammenhangs, geeignet sein, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen.

Darüber hinaus stellt der Gerichtshof klar, dass eine abgestimmte Verhaltensweise als Verhaltensweise angesehen werden kann, die einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck verfolgt, obwohl sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verbrau­cher­preisen steht, sondern sich nur auf die Vergütungen bezieht, die den Vertrags­händlern für den Abschluss von Postpaid-Verträgen gewährt werden.

Jeglicher Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen Wettbewerbern verfolgt wettbe­wer­bs­widrigen Zweck

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass jeder Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen Wettbewerbern einen wettbe­wer­bs­widrigen Zweck verfolgt, sofern er geeignet ist, die Unsicherheiten hinsichtlich des von den betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen, und zwar auch dann, wenn dieses Verhalten wie hier eine Kürzung der Standa­rd­ver­trags­händ­ler­ver­gütung betrifft. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob die Informationen, die bei dem Treffen vom 13. Juni 2001 ausgetauscht wurden, geeignet waren, derartige Unsicherheiten auszuräumen.

Zur Verpflichtung des nationalen Richters die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellte Kausa­li­täts­ver­mutung anzuwenden:

Der Gerichtshof erinnert daran, dass der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraussetzt. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung eine Kausa­li­täts­ver­mutung aufgestellt, wonach die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Da die Auslegung des Gemein­schafts­rechts durch den Gerichtshof für alle nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten bindend ist, muss der nationale Richter diese Kausa­li­täts­ver­mutung anwenden.

Zur Geltung der Vermutung des Kausa­l­zu­sam­menhangs in Fällen, in denen die Abstimmung auf einem einzigen Treffen beruht:

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass eine einzige Kontaktaufnahme je nach Struktur des Marktes grundsätzlich ausreichen kann, um es den beteiligten Unternehmen zu ermöglichen, ihr Marktverhalten abzustimmen. Errichten die beteiligten Unternehmen ein Kartell mit einem komplexen System einer Abstimmung im Hinblick auf eine Vielzahl von Aspekten ihres Marktverhaltens, so mag eine regelmäßige Kontaktaufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg notwendig sein. Ist hingegen wie hier nur eine punktuelle Abstimmung im Hinblick auf einen einzigen Wettbe­wer­b­spa­rameter bezweckt, so kann auch die einmalige Kontaktaufnahme bereits eine ausreichende Grundlage bieten, um den angestrebten wettbe­wer­bs­widrigen Zweck in die Tat umzusetzen.

Entscheidend ist nicht die Anzahl der Treffen der Unternehmen, sondern der Umgang mit den aus den Treffen gewonnenen Informationen

Entscheidend ist daher nicht so sehr, wie viele Treffen es zwischen den beteiligten Unternehmen gegeben hat, sondern ob der oder die Kontakte, die stattgefunden haben, ihnen ermöglicht haben, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Verhaltens auf dem jeweiligen Markt zu berücksichtigen und eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle der mit dem Wettbewerb verbundenen Risiken treten zu lassen. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die beteiligten Unternehmen eine Abstimmung erzielt haben und dass sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, ist es gerechtfertigt, von ihnen den Beweis dafür zu verlangen, dass diese Abstimmung ihr Marktverhalten nicht beeinflusst hat.

Die Vermutung des Kausa­l­zu­sam­menhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten eines an ihr beteiligten Unternehmens gilt daher auch dann, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht, sofern das Unternehmen auf dem jeweiligen Markt tätig bleibt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des EuGH vom 04.06.2009

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7950

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI