24.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.12.2008

Europäischer Gerichtshof präzisiert das Verhältnis zwischen Datenschutz und Pressefreiheit

Für die Verarbeitung von bei den Steuerbehörden erhältlichen perso­nen­be­zogenen Daten mit dem Ziel, einen Kurzmit­tei­lungs­dienst einzurichten, der es Nutzern von Mobiltelefonen ermöglicht, sich Steuerdaten anderer natürlicher Personen senden zu lassen, kann eine Ausnahme vom Datenschutz gelten, wenn die Daten­ver­a­r­beitung allein zu journa­lis­tischen Zwecken erfolgt.

Die Gesellschaft Markkinapörssi erfasst seit Jahren öffentliche Daten bei den finnischen Steuerbehörden, um diese jährlich auszugsweise in den Regio­na­l­ausgaben der Zeitschrift Veropörssi zu veröffentlichen. Die dort veröf­fent­lichten Informationen umfassen den Namen und den Vornamen von etwa 1,2 Millionen natürlichen Personen, deren Einkommen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, sowie auf 100 Euro genau deren Einkommen aus Kapital und Erwer­b­s­tä­tigkeit und Angaben zur Besteuerung ihres Vermögens. Diese Informationen werden in Gestalt einer alphabetischen Liste nach Gemeinde und Einkom­mens­ka­tegorie geordnet veröffentlicht.

Markkinapörssi und Satamedia, ein verbundenes Unternehmen, an das die betreffenden Daten auf einer CD-Rom weitergegeben wurden, schlossen eine Vereinbarung mit einem Mobil­fun­k­un­ter­nehmen, das für Rechnung von Satamedia einen Kurzmit­tei­lungs­dienst einrichtete, der es Nutzern von Mobiltelefonen ermöglicht, sich gegen Zahlung von etwa zwei Euro die in der Zeitschrift Veropörssi veröf­fent­lichten Daten auf ihr Telefon senden zu lassen. Auf Antrag werden die perso­nen­be­zogenen Daten aus diesem Dienst entfernt.

Auf Beschwerden von Privatpersonen hin, die eine Verletzung ihrer Privatsphäre rügten, beantragte der Daten­schutz­be­auf­tragte, dass Markkinapörssi und Satamedia untersagt wird, ihre Tätigkeiten in Bezug auf die in Rede stehende Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten fortzuführen.

Der Korkein hallinto-oikeus, der als oberstes finnisches Verwal­tungs­gericht in letzter Instanz über diesen Antrag zu entscheiden hat, hat den Gerichtshof um die richtige Auslegung der Gemein­schafts­richtlinie 95/46/EG zum Datenschutz ersucht. Das finnische Verwal­tungs­gericht möchte insbesondere wissen, unter welchen Voraussetzungen die in Rede stehenden Tätigkeiten als eine allein zu journa­lis­tischen Zwecken erfolgende Daten­ver­a­r­beitung angesehen werden kann und demzufolge bei diesen Tätigkeiten Ausnahmen oder Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz gemacht werden können.

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Tätigkeiten von Markkinapörssi und Satamedia als Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten im Sinne der Richtlinie 95/46/EG anzusehen sind, selbst wenn die verwendeten Behördendateien nur in Medien veröf­fent­lichtes Material als solches enthalten. Andernfalls liefe die Richtlinie weitgehend leer. Es würde nämlich ausreichen, dass die Mitgliedstaaten Daten veröffentlichen ließen, um sie dem von der Richtlinie vorgesehenen Schutz zu entziehen.

Anschließend erinnert der Gerichtshof daran, dass die Mitgliedstaaten den freien Verkehr perso­nen­be­zogener Daten ermöglichen und gleichzeitig den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung dieser Daten gewährleisten müssen. Um den Schutz der Privatsphäre und die Freiheit der Meinung­s­äu­ßerung miteinander in Einklang zu bringen, sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, bestimmte Ausnahmen oder Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz und damit hinsichtlich des Grundrechts auf Privatsphäre vorzusehen. Diese Ausnahmen dürfen allein zu journa­lis­tischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, die unter das Grundrecht der Freiheit der Meinung­s­äu­ßerung fallen, gemacht werden, soweit sie sich als notwendig erweisen, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinung­s­äu­ßerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.

In Anbetracht der Bedeutung, die der Freiheit der Meinung­s­äu­ßerung in jeder demokratischen Gesellschaft zukommt, müssen einerseits die damit zusam­men­hän­genden Begriffe, zu denen der des Journalismus gehört, weit ausgelegt werden. Andererseits erfordert der Schutz der Privatsphäre, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz auf das absolut Notwendige beschränken.

In diesem Kontext befindet der Gerichtshof, dass Tätigkeiten wie die von Markkinapörssi und Satamedia, die Daten betreffen, die aus Dokumenten stammen, die nach den nationalen Rechts­vor­schriften öffentlich sind, als „journalistische Tätigkeiten“ eingestuft werden können, wenn sie zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertra­gungs­mittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Journalistische Tätigkeiten sind nicht Medien­un­ter­nehmen vorbehalten und können mit Gewinn­er­zie­lungs­absicht verbunden sein. Es ist nunmehr Sache des Korkein hallinto-oikeus, zu prüfen, ob die im Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden Tätigkeiten ausschließlich zum Ziel haben, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 93/08 des EuGH vom 16.12.2008

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