18.10.2024
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Dokument-Nr. 33840

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Urteil21.03.2024Europäischer GerichtshofC-61/22
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Europäischer Gerichtshof Urteil21.03.2024

Fingerabdrücke im Personalausweis sind rechtmäßigKampf gegen Kriminalität

Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken im Personalausweis ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten vereinbar. Dies hat der EuGH entschieden.

Allerdings ist die Verordnung, die diese Aufnahme vorsieht, auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt worden. Daher erklärt der Gerichtshof sie für ungültig. Ihre Wirkungen werden jedoch höchstens bis zum 31. Dezember 2026 aufrecht­er­halten, damit der europäische Gesetzgeber eine auf die richtige Rechtsgrundlage gestützte neue Verordnung erlassen kann.

Die Verpflichtung zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken in Perso­na­l­aus­weisen ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten vereinbar. Sie ist durch die Ziele gerechtfertigt, die Herstellung gefälschter Perso­na­l­ausweise und den Identi­täts­die­bstahl zu bekämpfen sowie die Inter­ope­ra­bilität der Überprü­fungs­systeme zu gewährleisten. Der Gerichtshof erklärt die diese Maßnahme vorsehende Verordnung allerdings für ungültig, weil sie auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt und infolgedessen nach dem falschen Gesetz­ge­bungs­ver­fahren erlassen worden ist. Wegen der schwerwiegenden negativen Folgen, die eine Ungül­tig­keits­er­klärung mit sofortiger Wirkung hätte, erhält der Gerichtshof die Wirkungen der Verordnung bis zum Inkrafttreten einer neuen Verordnung, längstens bis zum 31. Dezember 2026, aufrecht. Ein deutscher Staatsbürger wendet sich vor einem deutschen Gericht gegen die Weigerung der Stadt Wiesbaden, ihm einen neuen Personalausweis ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke auszustellen.

Das deutsche Gericht ersucht den Gerichtshof um Prüfung der Gültigkeit der Unions­ver­ordnung, die die Verpflichtung vorsieht, zwei Fingerabdrücke in das Speichermedium von Perso­na­l­aus­weisen aufzunehmen1. Nach eingehender Prüfung stellt der Gerichtshof fest, dass die Verpflichtung, zwei vollständige Fingerabdrücke in das Speichermedium von Perso­na­l­aus­weisen aufzunehmen, eine Einschränkung der durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz perso­nen­be­zogener Daten darstellt. Diese Aufnahme ist jedoch durch die dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen gerechtfertigt, die Herstellung gefälschter Perso­na­l­ausweise und den Identi­täts­die­bstahl zu bekämpfen sowie die Inter­ope­ra­bilität der Überprü­fungs­systeme zu gewährleisten. Denn sie ist zur Erreichung dieser Zielsetzungen geeignet und erforderlich und im Hinblick auf diese Zielsetzungen nicht unver­hält­nismäßig. Insbesondere soweit die Aufnahme von zwei Fingerabdrücken es ermöglicht, die Herstellung gefälschter Perso­na­l­ausweise und den Identi­täts­die­bstahl zu bekämpfen, vermag sie einen Beitrag sowohl zum Schutz des Privatlebens der betroffenen Personen als auch im weiteren Sinne zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus zu leisten. Da sie es den Unionsbürgern ermöglicht, sich auf zuverlässige Weise zu identifizieren, erleichtert sie zudem die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt in der Europäischen Union.

Die mit dieser Aufnahme verfolgten Zielsetzungen haben somit nicht nur für die Union und die Mitgliedstaaten, sondern auch für die Unionsbürger besondere Bedeutung. Die Aufnahme allein eines Gesichtsbilds wäre ein weniger wirksames Identi­fi­zie­rungs­mittel als die zusätzlich zu diesem Bild erfolgende Aufnahme von zwei Fingerabdrücken. Alterung, Lebensweise, Erkrankung oder ein chirurgischer Eingriff können nämlich die anatomischen Merkmale des Gesichts verändern. Die in Rede stehende Verordnung wurde jedoch auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt2 und infolgedessen nach dem falschen, d. h. nach dem ordentlichen statt nach einem besonderen, Gesetz­ge­bungs­ver­fahren erlassen, das insbesondere die Einstimmigkeit im Rat erfordert.

Der Gerichtshof erklärt die Verordnung daher für ungültig. Die Ungül­ti­g­er­klärung der Verordnung mit sofortiger Wirkung könnte schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern und für ihre Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben. Daher erhält der Gerichtshof die Wirkungen der Verordnung bis zum Inkrafttreten einer neuen, auf die richtige Rechtsgrundlage gestützten Verordnung innerhalb einer angemessenen Frist, längstens bis zum 31. Dezember 2026, aufrecht.

Quelle: ra-online, EuGH

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