15.11.2024
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Dokument-Nr. 9514

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil15.04.2010

EuGH zur Anrechnung von Dienstzeiten für Dienst­al­ters­zulage bei Beschäftigung im EU-AuslandVerjäh­rungs­fristen für Dienst­al­ters­zulagen verstoßen nicht gegen Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität

Ein Mitgliedstaat kann für die Geltendmachung von Ansprüchen auf besondere Dienst­al­ters­zulagen, die einem Wander­a­r­beit­nehmer aufgrund der Anwendung mit dem Gemein­schaftsrecht unvereinbarer inner­staat­licher Rechts­vor­schriften vorenthalten wurden, eine Verjäh­rungsfrist vorsehen. Eine solche Verjäh­rungs­be­stimmung verstößt nicht gegen die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden.

Das Gemein­schaftsrecht sieht vor, dass ein Arbeitnehmer, der Staats­an­ge­höriger eines Mitgliedstaats ist, aufgrund seiner Staats­an­ge­hö­rigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich sämtlicher Beschäftigungs- und Arbeits­be­din­gungen nicht anders behandelt werden darf als die inländischen Arbeitnehmer.

Sachverhalt

Herr Friedrich G. Barth, ein deutscher Staats­an­ge­höriger, war als Univer­si­täts­pro­fessor an der Universität Frankfurt am Main (Deutschland) tätig und wurde dann 1987 zum ordentlichen Univer­si­täts­pro­fessor an der Universität Wien (Österreich) ernannt. Durch diese Ernennung erwarb er auch die österreichische Staats­bür­ger­schaft.

Besondere Dienst­al­ters­zulage nicht gewährt

Da die Dienstzeiten, die Herr Barth in Deutschland zurückgelegt hatte, für die im öster­rei­chischen Gehaltsgesetz vorgesehene besondere Dienst­al­ters­zulage nicht berücksichtigt wurden, wurde ihm diese Zulage nicht gewährt.

Kläger verlangt Anpassung seiner besonderen Dienst­al­ters­zulage

Im Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache Köbler (Az. C-224/01) stellte der Gerichtshof fest, dass ein solches Gesetz, das für die Gewährung der bei der Berechnung des Ruhegehalts berück­sich­tigten besonderen Dienst­al­ters­zulage eine fünfzehnjährige, ausschließlich an öster­rei­chischen Universitäten erworbene Berufserfahrung verlangt, eine nach dem EG-Vertrag verbotene Behinderung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt. Nachdem das österreichische Gehaltsgesetz infolge dieses Urteils geändert worden war, begehrte Herr Barth im Jahr 2004 die Anpassung seiner besonderen Dienst­al­ters­zulage unter Einrechnung der an der Universität Frankfurt am Main zugebrachten Dienstzeiten. Mit dem im behördlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde sein Anspruch auf die besondere Dienst­al­ters­zulage mit 1. Jänner 1994 festgestellt, wobei diese Anpassung aufgrund der Anwendung einer Verjäh­rungs­be­stimmung erst mit 1. Oktober 2000 wirksam werden konnte.

Verwal­tungs­ge­richtshof legt EuGH Frage zur Vereinbarkeit von innerstaatliche Regelung zur Verjäh­rungs­fristen mit dem Unionsrecht vor

Der mit einer Klage von Herrn Barth gegen diesen Bescheid befasste Verwal­tungs­ge­richtshof fragt den Gerichtshof, ob eine innerstaatliche Regelung, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen auf besondere Dienst­al­ters­zulagen, die einem von seinen Freizü­gig­keits­rechten Gebrauch machenden Arbeitnehmer vor dem Erlass des Urteils Köbler vorenthalten wurden, einer gegebenenfalls um neun Monate verlängerten Verjäh­rungsfrist von drei Jahren unterliegt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Unionsrecht regelt nicht Zulässigkeit möglicher Verjäh­rungs­fristen von Mitglieds­s­taaten

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Verjäh­rungsfrist, wie sie in dem öster­rei­chischen Gesetz vorgesehen ist, eine verfah­rens­rechtliche Ausgestaltung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs darstellt, der den Schutz eines Rechts gewährleisten soll, das Bürgern aus dem Unionsrecht erwächst. Sodann stellt er fest, dass das Unionsrecht nicht die Frage regelt, ob die Mitgliedstaaten in solchen Fällen eine Verjäh­rungsfrist vorsehen dürfen. Folglich ist die Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren Sache der inner­staat­lichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur inner­staat­liches Recht betreffen (Äquiva­lenz­grundsatz), und die Ausübung der durch die Gemein­schafts­rechts­ordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effek­ti­vi­täts­grundsatz).

Verjäh­rungsfrist von drei Jahren ist kein Verstoß gegen den Äquiva­lenz­grundsatz

Der Gerichtshof weist zum einen darauf hin, dass eine Verjäh­rungs­be­stimmung wie die im öster­rei­chischen Recht vorgesehene sowohl für Rechtsbehelfe gilt, die im inner­staat­lichen Recht den Schutz der Bürger aus dem Unionsrecht gewährleisten sollen, als auch für Rechtsbehelfe, die nur inner­staat­liches Recht betreffen, und dass die für beide Arten von Rechtsbehelfen geltenden Verjäh­rungs­be­stim­mungen identisch sind. Daher kann eine Verjäh­rungsfrist von drei Jahren, die gegebenenfalls um neun Monate verlängert wird, nicht als Verstoß gegen den Äquiva­lenz­grundsatz angesehen werden.

Angemessene Ausschluss­fristen für Rechts­ver­folgung mit Unionsrecht vereinbar

Zum anderen erinnert der Gerichtshof daran, dass er anerkannt hat, dass die Festsetzung angemessener Ausschluss­fristen für die Rechts­ver­folgung im Interesse der Rechts­si­cherheit, die zugleich den Betroffenen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unions­rechts­ordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine nationale Verjäh­rungsfrist von drei Jahren angemessen. Daher kann die Herrn Barth entge­gen­ge­haltene Verjäh­rungsfrist nicht als Verstoß gegen den Effek­ti­vi­täts­grundsatz angesehen werden.

Verjäh­rungsfrist stellt weder Diskriminierung noch Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar

Schließlich meint der Gerichtshof, dass unter den Umständen des vorliegenden Verfahrens die Anwendung der Verjäh­rungsfrist einer Person wie Herrn Barth nicht ohne Weiteres das Recht auf die Erlangung einer Zulage nimmt, die ihm unter Verstoß gegen das Unionsrecht nicht gewährt worden war. Im Übrigen stellt die Anwendung einer solchen Frist weder eine mittelbare Diskriminierung gegenüber einem Arbeitnehmer noch eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar.

Quelle: ra-online, EuGH

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