21.11.2024
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Dokument-Nr. 6859

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Urteil16.10.2008Gerichtshof der Europäischen UnionC-527/06
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.10.2008

EuGH: Negative Einkünfte wegen einer Wohnung im Heimatland können auch im Land der Beschäftigung steuerlich berücksichtigt werdenEin in Belgien wohnender Niederländer darf negative Einkünfte aus seiner Wohnung in den Niederlanden geltend machen

Negative Einkünfte wegen einer Wohnung im Heimatland können auch im Land der Beschäftigung steuerlich berücksichtigt werden. Dies ist dann der Fall, wenn diese negativen Einkünfte, d. h. der Saldo aus dem Mietwert der Wohnung und den gezahlten Raten zur Abzahlung des Hypothe­ken­da­r­lehens, im Wohnmit­gliedstaat nicht berücksichtigt werden können und der wesentliche Teil der zu versteuernden Einkünfte des Steuer­pflichtigen aus einer abhängigen Beschäftigung im Beschäf­ti­gungsstaat stammt. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Herr Renneberg, ein nieder­län­discher Staats­an­ge­höriger, verlegte seinen Wohnsitz aus den Niederlanden nach Belgien. Dort bewohnte er in den Jahren 1996 und 1997 eine Eigen­tums­wohnung, die er 1993 erworben und mittels Hypothe­ken­da­rlehen einer nieder­län­dischen Bank finanziert hatte.

In den Jahren 1996 und 1997 war Herr Renneberg bei der nieder­län­dischen Gemeinde Maastricht beschäftigt. In diesen zwei Jahren erzielte er sein gesamtes Arbeits­ein­kommen in den Niederlanden.

Niederländer beantrage Abzug der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner belgischen Wohnung

Bei seiner Veranlagung in den Niederlanden zur Einkommensteuer 1996 und 1997 beantragte Herr Renneberg ohne Erfolg den Abzug der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner belgischen Wohnung. Dieser Antrag betraf den Saldo aus dem Mietwert der Wohnung und den gezahlten Raten zur Abzahlung des Hypothe­ken­da­r­lehens.

Herr Renneberg, der in den Niederlanden arbeitet und in Belgien wohnt, hat nämlich anders als Personen, die in den Niederlanden arbeiten und wohnen, nach den nieder­län­dischen Rechts­vor­schriften keinen Anspruch auf Berück­sich­tigung der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner in Belgien belegenen Immobilie bei der Ermittlung der Besteu­e­rungs­grundlage für seine in den Niederlanden erzielten Einkünfte.

Nieder­län­disches Gericht ruft EuGH an: Ist die Freizügigkeit durch die steuer­rechtliche Regelung verletzt?

In diesem Kontext fragt der zuletzt mit der Sache befasste Hoge Raad der Nederlanden den Gerichtshof, ob die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einer Regelung entgegensteht, nach der einem gebietsfremden Steuer­pflichtigen im Beschäf­ti­gungs­mit­gliedstaat, in dem er den wesentlichen Teil seiner zu versteuernden Einkünfte bezieht, die Möglichkeit verwehrt wird, bei der Ermittlung der Besteu­e­rungs­grundlage negative Einkünfte betreffend eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Wohnung geltend zu machen, während ein im Beschäf­ti­gungs­mit­gliedstaat Ansässiger diese Möglichkeit hat.

Der Gerichtshof weist zunächst das Vorbringen zurück, es handele sich vorliegend um einen rein internen Sachverhalt. Jeder Gemein­schafts­an­ge­hörige, der in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnstaat abhängig beschäftigt ist, fällt vielmehr unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staats­an­ge­hö­rigkeit in den Anwen­dungs­bereich des Gemein­schafts­rechts.

Im Übrigen erinnert der Gerichtshof an die Rechtsprechung, wonach sämtliche Vertrags­be­stim­mungen über die Freizügigkeit den Gemein­schafts­an­ge­hörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemein­schafts­an­ge­hörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Diese Rechtsprechung ist auf Maßnahmen zu übertragen, die diejenigen Gemein­schafts­an­ge­hörigen benachteiligen könnten, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnstaat einer Berufstätigkeit nachgehen, womit insbesondere die Gemein­schafts­an­ge­hörigen erfasst werden, die in einem bestimmten Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen, nachdem sie ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt haben.

Im vorliegenden Fall ist für gebietsfremde Steuer­pflichtige eine ungünstigere Behandlung vorgesehen als für gebiets­an­sässige Steuer­pflichtige. Zwar bleiben nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung gemein­schaft­licher Verein­heit­li­chungs- oder Harmo­ni­sie­rungs­maß­nahmen die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung der Einkünfte und des Vermögens festzulegen, um die Doppel­be­steuerung zu beseitigen. Dabei können die Mitgliedstaaten im Rahmen bilateraler Abkommen zur Beseitigung der Doppel­be­steuerung die Anknüp­fungs­punkte für die Bestimmung ihrer jeweiligen Steuerhoheit festlegen.

Steuerhoheit der Mitglieds­s­taaten erlaubt keinen Verstoß gegen vom EG-Vertrag garantiere Verkehrs­frei­heiten

Diese Aufteilung der Steuerhoheit erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch nicht, Maßnahmen anzuwenden, die gegen die vom EG-Vertrag garantierten Verkehrs­frei­heiten verstoßen. Der Gerichtshof stellt fest, dass im vorliegenden Fall die Ablehnung des von Herrn Renneberg geltend gemachten Abzugs durch die nieder­län­dischen Steuerbehörden nicht auf der mit dem Abkommen zwischen Belgien und den Niederlanden zur Vermeidung der Doppel­be­steuerung getroffenen Entscheidung beruht, die Befugnis zur Besteuerung der Immobi­li­en­ein­künfte von Steuer­pflichtigen, die dem Geltungsbereich dieses Steuerabkommens unterliegen, dem Mitgliedstaat zuzuweisen, in dessen Hoheitsgebiet die betreffende Immobilie belegen ist, sondern in Wirklichkeit davon abhängt, ob diese Steuer­pflichtigen in den Niederlanden als Gebiets­an­sässige gelten oder nicht.

Soweit eine Person wie Herr Renneberg zwar in einem Mitgliedstaat wohnt, aber den wesentlichen Teil ihrer zu versteuernden Einkünfte aus einer abhängigen Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ohne in ihrem Wohnmit­gliedstaat nennenswerte Einkünfte zu haben, ist ihre Situation im Hinblick auf ihren Beschäf­ti­gungs­mit­gliedstaat für die Zwecke der Berück­sich­tigung ihrer Steuerkraft objektiv der Situation einer Person vergleichbar, die in diesem Beschäf­ti­gungs­mit­gliedstaat ansässig ist und ebenfalls dort eine abhängige Beschäftigung ausübt.

Das Gemeinschaftsrecht gebietet es daher grundsätzlich, dass in einer Situation wie der von Herrn Renneberg die negativen Einkünfte betreffend eine im Wohnmit­gliedstaat belegene Wohnung von den Steuerbehörden des Beschäf­ti­gungs­mit­glied­staats bei der Ermittlung der Besteu­e­rungs­grundlage für die im letztgenannten Staat zu versteuernden Einkünfte berücksichtigt werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 74/08 des EuGH vom 16.10.2008

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