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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.10.2008
EuGH: Negative Einkünfte wegen einer Wohnung im Heimatland können auch im Land der Beschäftigung steuerlich berücksichtigt werdenEin in Belgien wohnender Niederländer darf negative Einkünfte aus seiner Wohnung in den Niederlanden geltend machen
Negative Einkünfte wegen einer Wohnung im Heimatland können auch im Land der Beschäftigung steuerlich berücksichtigt werden. Dies ist dann der Fall, wenn diese negativen Einkünfte, d. h. der Saldo aus dem Mietwert der Wohnung und den gezahlten Raten zur Abzahlung des Hypothekendarlehens, im Wohnmitgliedstaat nicht berücksichtigt werden können und der wesentliche Teil der zu versteuernden Einkünfte des Steuerpflichtigen aus einer abhängigen Beschäftigung im Beschäftigungsstaat stammt. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.
Herr Renneberg, ein niederländischer Staatsangehöriger, verlegte seinen Wohnsitz aus den Niederlanden nach Belgien. Dort bewohnte er in den Jahren 1996 und 1997 eine Eigentumswohnung, die er 1993 erworben und mittels Hypothekendarlehen einer niederländischen Bank finanziert hatte.
In den Jahren 1996 und 1997 war Herr Renneberg bei der niederländischen Gemeinde Maastricht beschäftigt. In diesen zwei Jahren erzielte er sein gesamtes Arbeitseinkommen in den Niederlanden.
Niederländer beantrage Abzug der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner belgischen Wohnung
Bei seiner Veranlagung in den Niederlanden zur Einkommensteuer 1996 und 1997 beantragte Herr Renneberg ohne Erfolg den Abzug der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner belgischen Wohnung. Dieser Antrag betraf den Saldo aus dem Mietwert der Wohnung und den gezahlten Raten zur Abzahlung des Hypothekendarlehens.
Herr Renneberg, der in den Niederlanden arbeitet und in Belgien wohnt, hat nämlich anders als Personen, die in den Niederlanden arbeiten und wohnen, nach den niederländischen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf Berücksichtigung der negativen Einkünfte im Zusammenhang mit seiner in Belgien belegenen Immobilie bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage für seine in den Niederlanden erzielten Einkünfte.
Niederländisches Gericht ruft EuGH an: Ist die Freizügigkeit durch die steuerrechtliche Regelung verletzt?
In diesem Kontext fragt der zuletzt mit der Sache befasste Hoge Raad der Nederlanden den Gerichtshof, ob die Freizügigkeit der Arbeitnehmer einer Regelung entgegensteht, nach der einem gebietsfremden Steuerpflichtigen im Beschäftigungsmitgliedstaat, in dem er den wesentlichen Teil seiner zu versteuernden Einkünfte bezieht, die Möglichkeit verwehrt wird, bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage negative Einkünfte betreffend eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Wohnung geltend zu machen, während ein im Beschäftigungsmitgliedstaat Ansässiger diese Möglichkeit hat.
Der Gerichtshof weist zunächst das Vorbringen zurück, es handele sich vorliegend um einen rein internen Sachverhalt. Jeder Gemeinschaftsangehörige, der in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnstaat abhängig beschäftigt ist, fällt vielmehr unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts.
Im Übrigen erinnert der Gerichtshof an die Rechtsprechung, wonach sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Diese Rechtsprechung ist auf Maßnahmen zu übertragen, die diejenigen Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, die in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnstaat einer Berufstätigkeit nachgehen, womit insbesondere die Gemeinschaftsangehörigen erfasst werden, die in einem bestimmten Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen, nachdem sie ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt haben.
Im vorliegenden Fall ist für gebietsfremde Steuerpflichtige eine ungünstigere Behandlung vorgesehen als für gebietsansässige Steuerpflichtige. Zwar bleiben nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung gemeinschaftlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Kriterien für die Besteuerung der Einkünfte und des Vermögens festzulegen, um die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Dabei können die Mitgliedstaaten im Rahmen bilateraler Abkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Anknüpfungspunkte für die Bestimmung ihrer jeweiligen Steuerhoheit festlegen.
Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten erlaubt keinen Verstoß gegen vom EG-Vertrag garantiere Verkehrsfreiheiten
Diese Aufteilung der Steuerhoheit erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch nicht, Maßnahmen anzuwenden, die gegen die vom EG-Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten verstoßen. Der Gerichtshof stellt fest, dass im vorliegenden Fall die Ablehnung des von Herrn Renneberg geltend gemachten Abzugs durch die niederländischen Steuerbehörden nicht auf der mit dem Abkommen zwischen Belgien und den Niederlanden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung getroffenen Entscheidung beruht, die Befugnis zur Besteuerung der Immobilieneinkünfte von Steuerpflichtigen, die dem Geltungsbereich dieses Steuerabkommens unterliegen, dem Mitgliedstaat zuzuweisen, in dessen Hoheitsgebiet die betreffende Immobilie belegen ist, sondern in Wirklichkeit davon abhängt, ob diese Steuerpflichtigen in den Niederlanden als Gebietsansässige gelten oder nicht.
Soweit eine Person wie Herr Renneberg zwar in einem Mitgliedstaat wohnt, aber den wesentlichen Teil ihrer zu versteuernden Einkünfte aus einer abhängigen Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat bezieht, ohne in ihrem Wohnmitgliedstaat nennenswerte Einkünfte zu haben, ist ihre Situation im Hinblick auf ihren Beschäftigungsmitgliedstaat für die Zwecke der Berücksichtigung ihrer Steuerkraft objektiv der Situation einer Person vergleichbar, die in diesem Beschäftigungsmitgliedstaat ansässig ist und ebenfalls dort eine abhängige Beschäftigung ausübt.
Das Gemeinschaftsrecht gebietet es daher grundsätzlich, dass in einer Situation wie der von Herrn Renneberg die negativen Einkünfte betreffend eine im Wohnmitgliedstaat belegene Wohnung von den Steuerbehörden des Beschäftigungsmitgliedstaats bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage für die im letztgenannten Staat zu versteuernden Einkünfte berücksichtigt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.10.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 74/08 des EuGH vom 16.10.2008
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