15.11.2024
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Dokument-Nr. 9738

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Urteil03.06.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-484/08
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.06.2010

Missbrauchs­kon­trolle von Vertrags­klauseln: Mitgliedstaaten dürfen strengere Regeln erlassen als es EU-Richtlinie vorsiehtMitgliedstaaten haben Recht Verbraucher höheres Schutzniveau zu gewähren

Eine nationale Regelung darf eine richterliche Kontrolle der Missbräuch­lichkeit klar und verständlich abgefasster Vertrags­klauseln zulassen. Die Mitgliedstaaten dürfen auf dem gesamten durch die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln geregelten Gebiet strengere Regeln als die in der Richtlinie selbst vorgesehenen erlassen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbrau­cher­ver­trägen gilt grundsätzlich für alle Vertrags­klauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Allerdings sieht die Richtlinie zwei Ausnahmen vor, die die Beurteilung der Missbräuch­lichkeit einer Vertragsklausel betreffen. Danach betrifft diese Beurteilung weder den Hauptgegenstand des Vertrags noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienst­leis­tungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.

Nationale Gericht dürfen Missbräuch­lichkeit vorformulierter Vertrags­klauseln beurteilen

Die spanische Regelung, mit der diese Richtlinie in inner­staat­liches Recht umgesetzt wurde, hat diese Ausnahmen nicht übernommen. Sie erlaubt den nationalen Gerichten vielmehr die Beurteilung der Missbräuch­lichkeit einer den Hauptgegenstand eines Vertrags betreffenden Klausel auch in den Fällen, in denen diese Klausel durch den Gewer­be­trei­benden klar und verständlich vorformuliert wurde.

Sachverhalt

Die Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (Caja de Madrid), ein spanisches Kreditinstitut, schloss mit ihren Kunden Immobi­li­en­kre­dit­verträge, in denen ein variabler Nominalzinssatz vorgesehen war, der periodisch nach dem vereinbarten Referenz­zinssatz anzupassen war. Diese Verträge enthielten auch eine vorformulierte Klausel, wonach der vom Kreditnehmer geschuldete Zinssatz bereits ab der ersten Anpassung bei Schwankungen jedes Mal, wenn ein Bruchteil von ,25 % überschritten wurde, auf den nächsten Bruchteil aufgerundet wurde.

Am 28. Juli 2000 erhob eine spanische Vereinigung von Nutzern von Bankdienst­leis­tungen (Ausbanc) vor einem spanischen Gericht eine Klage, mit der sie u. a. von Caja de Madrid die Streichung der Aufrun­dungs­klausel aus diesen Verträgen sowie für die Zukunft die Unterlassung der Verwendung dieser Klausel verlangte.

Gericht legt EuGH Frage zur Zulässigkeit einer Mussbrauchs­kon­trolle bei Verträgen mit klar und verständlich abgefassten Klauseln vor

Das Tribunal Supremo, das in letzter Instanz zu entscheiden hat, möchte vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln es verbietet, dass ein Mitgliedstaat in seiner Rechtsordnung zum Schutz der Verbraucher eine Missbrauchs­kon­trolle von Vertrags­klauseln vorsieht, die den Hauptgegenstand des Vertrags bzw. die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienst­leis­tungen bzw. Gütern regeln, auch wenn diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.

Verbraucher gegenüber Gewer­be­trei­benden in schwächerer Verhand­lungs­po­sition

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass das durch die Richtlinie eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewer­be­trei­benden in einer schwächeren Verhand­lungs­po­sition befindet und einen geringeren Infor­ma­ti­o­nsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewer­be­trei­benden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können.

Sodann stellt er fest, dass die Richtlinie nur eine teilweise und minimale Harmonisierung der nationalen Rechts­vor­schriften in Bezug auf missbräuchliche Klauseln vornimmt, wobei sie es den Mitgliedstaaten freistellt, dem Verbraucher ein höheres Schutzniveau als das in ihr vorgesehene zu gewähren.

Erlassen strengerer Regeln als vorgesehenen zulässig

Die Mitgliedstaaten dürfen somit auf dem gesamten durch die Richtlinie geregelten Gebiet strengere Regeln als die in der Richtlinie selbst vorgesehenen erlassen oder beibehalten, sofern sie auf einen besseren Schutz der Verbraucher abzielen.

Umfassendere richterliche Kontrolle ermöglicht höheres Niveau des effektiven Schutzes für Verbraucher

Dadurch, dass die spanische Regelung die Möglichkeit einer umfassenden richterlichen Kontrolle aller in einem Vertrag zwischen einem Gewer­be­trei­benden und einem Verbraucher vorgesehenen Klauseln zulässt, kann sie aber ein höheres Niveau des effektiven Schutzes für den Verbraucher gewährleisten, als es in der Richtlinie festgelegt ist.

Richterliche Missbrauchs­kon­trolle auch bei klar und verständlich abgefassten Klauseln zulässig

Folglich gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die eine richterliche Missbrauchs­kon­trolle von Vertrags­klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags bzw. die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den die Gegenleistung darstellenden Dienst­leis­tungen bzw. Gütern regeln, zulässt, auch wenn diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.

Quelle: ra-online, EuGH

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