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- EuGH: Klage des Fernsehsenders TF1 gegen französische Beihilfen zur Unterstützung der Film- und audiovisuellen Produktion abgewiesenGerichtshof der Europäischen Union, Urteil13.09.2010, T-193/06
- EuGH: Zusicherung finanzieller Unterstützung der France Télécom durch die französischen Behörden können nicht als staatliche Beihilfe angesehen werdenGerichtshof der Europäischen Union, Urteil21.05.2010, T-425/04, T-444/04, T-450/04 und T-456/04
Gerichtshof der Europäischen Union Urteil28.07.2011
EuGH: Von Italien gewährte Beihilfen zur Anschaffung von terrestrischen Digitaldecodern müssen zurückerstattet werdenZuschüsse, die Anbieter digitalen Bezahlfernsehens begünstigen, nicht mit EU-Recht vereinbar
Bei den 2004 und 2005 für den Kauf von terrestrischen Digitaldecodern gewährten italienischen Beihilfen handelt es sich um Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Die Sender, die von den staatlichen Beihilfen indirekt profitiert haben, sind verpflichtet, die Beträge in Höhe des erlangten Vorteils zurückzuzahlen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Als in Italien im Jahr 2001 der Übergang zur digitalen Verbreitung von Fernsehsignalen eingeleitet wurde, war beabsichtigt, den Übergang zur Digitaltechnik bis Dezember 2006 abzuschließen und die analoge Ausstrahlung bis dahin endgültig einzustellen. Der für die Einstellung der Analogübertragungen vorgesehene Zeitpunkt wurde zweimal verschoben bis auf den 30. November 2012.
Staatliche Beihilfe für Kauf oder Miete eines Digital-Receivers vorgesehen
Italien sah in seinem Haushaltsgesetz 2004 eine staatliche Beihilfe in Höhe von 150 Euro für jeden Nutzer von Rundfunkdiensten vor, der für die frei empfangbaren Fernsehprogramme einen Digital-Receiver (DVB-T, DVB-C) kaufte oder mietete. Die Obergrenze der Beihilfe war auf 110 Mio. Euro festgelegt. Im Haushaltsgesetz 2005 wurde diese Maßnahme mit derselben Obergrenze von 110 Mio. Euro beibehalten, der Zuschuss für jeden einzelnen Digital-Receiver jedoch auf 70 Euro herabgesetzt.
Keine Beihilfe für Geräte zum ausschließlichen Empfang von Satellitensignalen
Um den Zuschuss zu erhalten, musste ein Gerät gekauft oder gemietet werden, das dazu geeignet ist, digital übertragene Fernsehsignale mit terrestrischer Antenne zu empfangen. Ein Verbraucher, der sich für ein Gerät entschied, dass ausschließlich für den Empfang von Satellitensignalen geeignet ist, konnte deshalb diesen Zuschuss nicht erhalten.
Kommission ordnet Rückforderung der Beihilfen an
Die Fernsehgesellschaften Centro Europa 7 Srl und Sky Italia reichten bei der Kommission wegen dieser Zuschüsse Beschwerden ein. Die Kommission stellte in ihrer im Jahr 2007 erlassenen Entscheidung fest, dass es sich bei diesen Zuschüssen um staatliche Beihilfen zugunsten derjenigen digitalen terrestrischen Sender, die Bezahlfernsehen anböten, und der Kabelbetreiber, die digitales Bezahlfernsehen anböten, handele. Auch wenn der Übergang von der analogen zur digitalen Fernsehbildübertragung ein Ziel von gemeinsamem Interesse sei, stehe die streitige Maßnahme nicht in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel und beinhalte Wettbewerbsverzerrungen. Da die Maßnahme nicht für digitale Satellitendecoder gelte, sei sie nicht „technologisch neutral“. Darum ordnete die Kommission die Rückforderung der Beihilfen an.
Gericht bestätigt wirtschaftlichen Vorteil für terrestrischen Sender durch Beihilfemaßnahmen
Mediaset klagte daraufhin beim Gericht der Europäischen Union auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission. Das Gericht wies die Klage im Juni 2010 ab und bestätigte, dass die Beihilfemaßnahme einen wirtschaftlichen Vorteil für die terrestrischen Sender wie Mediaset darstelle, da sie es diesen Fernsehsendern ermöglicht habe, ihre bereits bestehende Marktposition im Verhältnis zu neuen Wettbewerbern zu konsolidieren.
Mediaset hat daraufhin beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt, um dieses Urteil des Gerichts aufheben zu lassen.
Zuschuss kann mittelbaren Vorteil für Wirtschaftsteilnehmer darstellen
Der Gerichtshof erinnert in seinem Urteil daran, dass für die Feststellung, ob eine Maßnahme selektiv ist, geprüft werden muss, ob sie einem bestimmten Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer faktisch und rechtlich vergleichbaren Situation befinden, einen Vorteil verschafft. Er bestätigt den Befund des Gerichts, dass die streitigen Zuschüsse für die Verbraucher ein Anreiz für den Kauf eines digitalen terrestrischen Decoders waren und gleichzeitig die Kosten für die terrestrischen Rundfunksender reduzierten, die dadurch ihre Marktposition im Verhältnis zu neuen Wettbewerbern konsolidieren konnten. Außerdem hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass ein Zuschuss – auch wenn dessen unmittelbare Begünstigte die Endkunden sind – für Wirtschaftsteilnehmer wie diese Sender einen mittelbaren Vorteil darstellen kann. Ebenfalls zu Recht hat das Gericht das Vorbringen von Mediaset zurückgewiesen, die Kommission habe das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen dem Zuschuss und den in Rede stehenden Sendern nicht nachgewiesen.
Maßnahmen führen zu Wettbewerbsverzerrung und sind mit Gemeinsamen Markt unvereinbar
Der Gerichtshof bestätigt auch die Erwägungen des Gerichts, dass das auf technologischen Merkmalen beruhende Selektivitätskriterium, das die digitale terrestrische Technologie gegenüber der Satellitentechnologie bevorzugt, zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt hat, so dass die in Rede stehende Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.
Kommission ist nicht zur Festlegung des genauen Erstattungsbetrags verpflichtet
Anschließend geht der Gerichtshof auf das Vorbringen von Mediaset ein, dass es anhand der Entscheidung der Kommission nicht möglich sei, eine angemessene Methode für die Berechnung der vom nationalen Gericht festzulegenden Beträge zu finden, die Mediaset für den indirekt erzielten Vorteil erstatten solle. Nach Ansicht von Mediaset hat das Gericht insbesondere dadurch rechtsfehlerhaft gehandelt, dass es diesen Punkt nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit geprüft habe. Der Gerichtshof bestätigt jedoch, dass das Gericht zu Recht festgestellt hat, dass das Unionsrecht von der Kommission nicht verlangt, den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt vielmehr, dass die Entscheidung der Kommission es ihrem Adressaten ermöglicht, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten nach den vom nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten selbst zu bestimmen.
Festsetzung des Betrages der zu erstattenden Beihilfe wird Aufgabe des nationalen Gerichts
Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Pflicht der nationalen Behörden, den genauen Betrag der zurückzufordernden Beihilfen zu berechnen, zu der Verpflichtung der Kommission und der Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit bei der Durchführung der unionsrechtlichen Bestimmungen über staatliche Beihilfen gehört. Das Gericht hat demnach zutreffend entschieden, dass es Sache des eventuell angerufenen nationalen Gerichts sein wird, den Betrag der zu erstattenden Beihilfe anhand der Angaben, die die Kommission für die Berechnung des Beihilfebetrags gegeben hat, festzusetzen.
Demzufolge weist der Gerichtshof das von Mediaset eingelegte Rechtsmittel zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.07.2011
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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