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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil08.11.2012

Dritt­staats­an­ge­höriger kann Aufent­haltsrecht nicht auf das Unionsrecht stützenJapanischer Staats­an­ge­höriger kann sich bei der Aufent­haltsfrage nicht auf die Unions­bür­ger­schaft seiner Tochter und Ehefrau berufen

Ein Dritt­staats­an­ge­höriger, der sich rechtmäßig im Herkunfts­mit­gliedstaat seiner Tochter und seiner Ehefrau aufhält, während diese sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen haben, kann sich nicht auf deren Unions­bür­ger­schaft berufen, um sein Aufent­haltsrecht auf das Unionsrecht zu stützen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

In dem zugrunde liegenden Fall ist Herr Iida, ein japanischer Staats­an­ge­höriger, seit 1998 mit einer Deutschen verheiratet und lebt seit 2005 in Ulm (Deutschland), wo er einer festen Beschäftigung nachgeht. Ihre Tochter wurde 2004 in den Vereinigten Staaten geboren und besitzt die deutsche, die japanische und die US-amerikanische Staats­an­ge­hö­rigkeit. Seit 2008 leben die Ehegatten, ohne geschieden zu sein, de facto getrennt, da sich die Ehefrau mit ihrer Tochter in Wien (Österreich) niedergelassen hat. Sie üben das Sorgerecht für ihre Tochter gemeinsam aus. Herr Iida besucht seine Tochter an einem Wochenende pro Monat in Wien, und sie verbringt die Ferien meist bei ihrem Vater in Ulm. Herr Iida hat im Rahmen der Famili­en­zu­sam­men­führung und, seit dem Wegzug seiner Familie, aufgrund seiner entgeltlichen Tätigkeit ein Aufent­haltsrecht in Deutschland erhalten. Da die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis im Ermessen steht, hat Herr Iida eine Aufent­haltskarte als Familien­an­ge­höriger eines Unionsbürgers auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38 über die Unions­bür­ger­schaft beantragt, die ihm von den deutschen Behörden verweigert wurde.

Verwal­tungs­ge­richtshof bittet Gerichtshof um Klärung der Sachlage

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg fragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht es einem Dritt­staats­an­ge­hörigen, der das Sorgerecht über sein Kind – das ein Unionsbürger ist – ausübt, zur Aufrecht­er­haltung der regelmäßigen persönlichen Beziehungen erlaubt, im Herkunftsmitgliedstaat des Kindes (Deutschland) zu bleiben, wenn sich das Kind in einem anderen Mitgliedstaat (Österreich) niedergelassen hat.

Wirtschaftliche Verhältnisse sprechen für Zuerkennung einer Aufent­halts­be­rech­tigung

Der Gerichtshof führt zunächst aus, dass Herrn Iida auf Antrag und unabhängig von seiner familiären Situation grundsätzlich die Rechtsstellung eines langfristig Aufent­halts­be­rech­tigten im Sinne der Richtlinie 2003/109 über Drittstaatsangehörige zuerkannt werden könne. Herr Iida halte sich nämlich seit über fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland auf und verfüge offenbar über Einkünfte, die für seinen eigenen Lebensunterhalt ausreichen, und über eine Kranken­ver­si­cherung.

Aufent­haltsrecht als Familien­an­ge­höriger eines Unionsbürgers setzt Unter­halts­zahlung der Tochter an den Vater voraus

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass Herr Iida kein Aufent­haltsrecht als Familien­an­ge­höriger eines Unionsbürgers auf der Grundlage der Richtlinie 2004/38 beanspruchen könne. Denn ein solches Recht setze nach der Richtlinie voraus, dass dem Verwandten in gerader aufsteigender Linie von dem Kind Unterhalt gewährt werde. Herr Iida erfülle diese Voraussetzung jedoch nicht, da im Gegenteil er seiner Tochter Unterhalt gewähre.

Herr lida kann als Familien­an­ge­höriger der Ehefrau angesehen werden

Im Übrigen könne Herr Iida zwar als Familien­an­ge­höriger seiner Ehefrau, von der er getrennt lebe, aber nicht geschieden ist, angesehen werden, doch erfülle er nicht die in der Richtlinie vorgesehene Voraussetzung, sie in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staats­an­ge­hö­rigkeit sie besitze, begleitet zu haben oder ihr dorthin nachgezogen zu sein.

Der Gerichtshof fügt hinzu, dass Herr Iida ein Aufent­haltsrecht nicht unter Verweis auf die Unions­bür­ger­schaft seiner Tochter oder seiner Ehefrau unmittelbar auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützen könne. Denn in Anbetracht der Umstände dieser Rechtssache würde, wenn Herrn Iida ein von ihrem Unions­bür­g­er­status abgeleitetes Aufent­haltsrecht versagt würde, weder ihnen der tatsächliche Genuss des Kernbestands der mit ihrem Status verbundenen Rechte verwehrt noch die Ausübung ihres Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, behindert.

Aufent­haltsrecht in Deutschland kann auf anderer Rechtsgrundlage erteilt werden

Der Gerichtshof hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass sich Herr Iida stets im Einklang mit dem nationalen Recht in Deutschland aufgehalten habe, ohne dass das Fehlen eines unions­recht­lichen Aufent­halts­rechts seine Tochter oder seine Ehefrau davon abgehalten hätte, ihr Recht auf Freizügigkeit durch einen Umzug nach Österreich auszuüben. Außerdem könne Herrn Iida auch nach dem Umzug ein Aufent­haltsrecht in Deutschland auf einer anderen Rechtsgrundlage erteilt werden, ohne dass es einer Berufung auf die Unions­bür­ger­schaft seiner Tochter und seiner Ehefrau bedürfe.

Charta der Grundrechte der EU nicht anwendbar

Herr Iida könne sich schließlich auch nicht auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union berufen, die ein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und bestimmte Rechte des Kindes vorsehe. Da Herr Iida nämlich nicht die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfülle und kein Aufent­haltsrecht als langfristig Aufent­halts­be­rech­tigter im Sinne der Richtlinie 2003/109 beantragt habe, weise seine Situation keinen Anknüp­fungspunkt zum Unionsrecht auf, so dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht anwendbar sei.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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