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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil13.12.2012
Luxemburgische Regelung über Einstellungsbeihilfen für ältere Arbeitslose läuft Freizügigkeit der Arbeitnehmer zuwider"Arbeitslos-Meldung" bei Vermittlungsstelle eines Mitgliedsstaates darf nicht an Wohnsitzerfordernis in diesem Mitgliedsstaat gebunden sein
Die Gewährung einer Beihilfe an Arbeitgeber zur Einstellung eines Arbeitslosen, der mindestens das 45. Lebensjahr vollendet hat, darf nicht an die Bedingung geknüpft sein, dass der Arbeitslose bei der luxemburgischen Arbeitsvermittlungsstelle gemeldet ist, wenn diese Meldung in Luxemburg wohnhaften Personen vorbehalten ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Die Rechtsvorschriften der Europäischen Union über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sollen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern. Dabei steht das Unionsrecht nationalen Maßnahmen entgegen, die diese Staatsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen.
Hintergrund
Nach dem luxemburgischen Recht erstattet der Fonds pour l’emploi (Beschäftigungsfonds) privaten Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge für von ihnen eingestellte Arbeitslose, sofern diese mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens einem Monat in Luxemburg bei der Vermittlungsstelle der Arbeitsverwaltung (ADEM) als arbeitsuchend gemeldet sind. Alle Arbeitsuchenden sind verpflichtet, sich bei der ADEM anzumelden.
Vermittlungsstelle verweigert Zahlung der Einstellungsbeihilfe
Frau Schmidt-Krier ist eine luxemburgische Staatsangehörige, die in Deutschland nahe der luxemburgischen Grenze wohnt und ihren gesamten Berufsweg in Luxemburg zurückgelegt hat. Frau Schmidt-Krier wurde 2008 im Alter von 52 Jahren von dem luxemburgischen Unternehmen Caves Krier mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag eingestellt. Nach ihrer Entscheidung, Frau Schmidt-Krier einzustellen, beantragte Caves Krier im September 2008 bei der ADEM eine Einstellungsbeihilfe. Mit Bescheid vom 4. September 2008 lehnte die ADEM diesen Antrag mit der Begründung ab, dass Frau Schmidt-Krier nicht bei ihr als arbeitsuchend gemeldet sei, wie dies die luxemburgische Regelung verlange.
Gericht sieht in nationaler Regelung Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Unionsbürger
Die von Caves Krier beim Tribunal administratif erhobene Klage auf Nichtigerklärung dieses Bescheids wurde abgewiesen. Gegen dieses Urteil wurde Rechtsmittel eingelegt. Die mit dem Rechtsmittel befasste Cour administrative (Luxemburg) ist der Auffassung, dass die geltenden Voraussetzungen für die Gewährung der Einstellungsbeihilfe und insbesondere das Meldeerfordernis eine unionsrechtliche Frage aufwerfen. Die Cour administrative führte dazu aus, es sei unstreitig, dass sich nur in Luxemburg ansässige Personen bei der ADEM anmelden könnten, so dass die Beihilfe Arbeitgebern vorbehalten bleibe, die in Luxemburg wohnende Arbeitslose einstellten. Die Bestimmung könne daher eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Unionsbürger darstellen, weil der potenzielle Arbeitgeber eines Arbeitslosen, der mindestens das 45. Lebensjahr vollendet habe, dazu neigen werde, eine in Luxemburg ansässige Person einzustellen, da er nur bei deren Einstellung die in Rede stehende Beihilfe erhalten könne. Daher hat die Cour administrative beschlossen, diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen.
Vorschriften über Freizügigkeit der Arbeitnehmer gelten für jeden Staatsangehörigen unabhängig von Wohnort und Staatsangehörigkeit
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer für jeden Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit gelten, der von dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat.
Weiter stellt der Gerichtshof erstens fest, dass die Situation von Frau Schmidt-Krier als arbeitsuchende Grenzarbeitnehmerin unter die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer fällt*. Der Gerichtshof stellt klar, dass sich ein Arbeitgeber, wie im vorliegenden Fall Caves Krier, auch wenn die Freizügigkeitsrechte den Arbeitnehmern zustehen, ebenfalls auf die für die Arbeitnehmer geltenden Vorschriften berufen kann.
Luxemburgische Regelung bewirkt Ungleichbehandlung zwischen Staatsangehörigen einzelner Mitgliedsstaaten
Zweitens führt der Gerichtshof aus, dass das luxemburgische Recht für die Meldung bei der ADEM nicht ausdrücklich das Bestehen eines Wohnsitzes in Luxemburg verlangt. Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass die luxemburgischen Gerichte bei der Auslegung ihres nationalen Rechts davon ausgegangen sind, dass ein solches Wohnsitzerfordernis gilt. Unter Zugrundelegung der Prämisse, dass die Meldung bei der ADEM an das Erfordernis eines Wohnsitzes in Luxemburg geknüpft ist – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, stellt der Gerichtshof deshalb fest, dass die luxemburgische Regelung eine Ungleichbehandlung derjenigen arbeitsuchenden Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten, die in Luxemburg wohnen, gegenüber denjenigen bewirkt, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Die nationale Regelung benachteiligt daher bestimmte Arbeitnehmer allein aufgrund des Umstands, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft sind.
Benachteiligung Gebietsfremder beschränkt Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU
Daher kann eine solche Regelung einen in Luxemburg ansässigen Arbeitgeber davon abhalten, einen Arbeitsuchenden einzustellen, der seinen Wohnsitz nicht in diesem Mitgliedstaat hat, da der Arbeitgeber bei einer solchen Einstellung die Einstellungsbeihilfe nicht erhalten kann. Die Regelung kann folglich den Zugang eines Grenzarbeitnehmers zur Beschäftigung in Luxemburg erschweren. Eine solche nationale Regelung, die Gebietsfremde benachteiligt, beschränkt deshalb die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union.
Wohnsitzerfordernis für Wander- und Grenzarbeitnehmer grundsätzlich unangemessen
Nach dem Unionsrecht kann eine nationale Maßnahme, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränkt, gerechtfertigt sein, wenn mit ihr ein berechtigter, mit dem Vertrag vereinbarer Zweck verfolgt wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch von der luxemburgischen Regierung keine solche Rechtfertigung vorgebracht worden. Der Gerichtshof weist vorsorglich darauf hin, dass ein Wohnsitzerfordernis für Wander- und Grenzarbeitnehmer grundsätzlich unangemessen ist. Diese haben nämlich, indem sie Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats gefunden haben, grundsätzlich ein hinreichendes Band der Integration in die Gesellschaft dieses Staates geschaffen, das es ihnen erlaubt, in den Genuss des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu kommen. Dieses Band der Integration ergibt sich insbesondere daraus, dass die Wander- und Grenzarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat steuerliche Abgaben entrichten.
Beihilfeleistung darf nicht an Wohnsitzbedingung geknüpft sein
Der Gerichtshof beantwortet die ihm vorgelegte Frage deshalb dahin, dass das Recht der Europäischen Union einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Gewährung einer Beihilfe an Arbeitgeber zur Einstellung von Arbeitslosen, die mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben, an die Bedingung knüpft, dass der eingestellte Arbeitslose im selben Mitgliedstaat als arbeitsuchend gemeldet sein muss, wenn eine solche Meldung ihrerseits – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – an das Erfordernis eines Wohnsitzes in diesem Staat geknüpft ist.
Erläuterungen
* Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Arbeitnehmereigenschaft auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben und ist derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, ebenfalls als Arbeitnehmer einzustufen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.12.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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