21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil20.12.2017

Vor Scharia-Gericht erfolgte Scheidung muss in Deutschland nicht anerkannt werdenDurch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor Scharia-Gericht bewirkte Ehescheidung fällt nicht in Anwen­dungs­bereich der Rom-III-Verordnung

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Rom-III-Verordnung nicht das auf Privat­schei­dungen anwendbare Recht bestimmt. Eine vor dem Scharia-Gericht erfolgte Scheidung muss daher in Deutschland nicht anerkannt werden.

Herr Raja Mamisch und Frau Soha Sahyouni haben in Syrien geheiratet und leben zurzeit in Deutschland. Sie besitzen sowohl die syrische als auch die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit. Im Jahr 2013 erklärte Herr Mamisch die Scheidung von seiner Ehefrau, indem sein Bevoll­mäch­tigter vor dem geistlichen Scharia-Gericht in Latakia (Syrien) die Schei­dungs­formel aussprach. Das Gericht stellte die Scheidung fest. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Privatscheidung, da das geistliche Gericht nicht konstitutiv mitwirkt. Frau Sahyouni unterzeichnete sodann eine Erklärung, wonach sie alle ihr nach religiösen Vorschriften aus dem Ehevertrag und aufgrund der auf einseitigem Wunsch erfolgten Scheidung zustehenden Leistungen erhalten habe und ihren Ehemann somit von allen ihr zustehenden Verpflichtungen befreie.

Präsident des Oberlan­des­ge­richts München erkennt Scheidung an

Herr Mamisch beantragte in Deutschland die Anerkennung der Ehescheidung. Der Präsident des Oberlan­des­ge­richts München gab dem Antrag statt, wobei er davon ausging, dass diese Art von Anträgen von der Rom-III-Verordnung über das auf Ehescheidungen anwendbare Recht* erfasst werde, nach der auf die Scheidung das syrische Recht anwendbar sei. Frau Sahyouni rief hiergegen das Oberlan­des­gericht München an, das dem Gerichtshof mehrere Fragen nach der Auslegung der Rom-III-Verordnung vorlegte.

EuGH verweist auf frühere Entscheidung und nicht mögliche Anerkennung einer im Drittstaat ausgesprochenen Scheidung

In seinem Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst an seine frühere Entscheidung (vgl. EuGH, Beschluss vom 12.06.2016 - C-281/15 -), in der er bereits festgestellt hat, dass die Rom-III-Verordnung als solche auf die Anerkennung einer in einem Drittstaat ausgesprochenen Scheidung nicht anwendbar ist. Gleichwohl werden nach deutschem Recht die materiellen Voraussetzungen, denen eine in einem Drittstaat ausgesprochene Privatscheidung für die Anerkennung in Deutschland zu genügen hat, nach dem Recht des gemäß dieser Verordnung zu bestimmenden Staates geprüft.

EuGH verneint Anwendbarkeit der Rom-III-Verordnung im vorliegenden Verfahren

Nach den Angaben des Oberlan­des­ge­richts München würde, sollte die Rom-III-Verordnung auf Privat­schei­dungen nicht anwendbar sein, der vorliegende Rechtsstreit nach den deutschen Kolli­si­ons­normen zu entscheiden sein. Der Gerichtshof prüft daher dennoch, ob die Verordnung als solche auf Privat­schei­dungen wie die im vorliegenden Fall, die durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkt werden, anwendbar ist und somit das anwendbare Recht bestimmt. Er stellt jedoch fest, dass sich aus den mit der Rom-III-Verordnung verfolgten Zielen ergibt, dass diese Verordnung nur Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden. Eine durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung wie die im Ausgangs­ver­fahren fällt daher nicht in den sachlichen Anwen­dungs­bereich der Rom-III-Verordnung.

Zulässigkeit der Einbeziehung von Privat­schei­dungen müsste von Unions­ge­setzgeber ermöglicht werden

Seit dem Erlass der Rom-III-Verordnung haben zwar mehrere Mitgliedstaaten in ihren Rechtsordnungen die Möglichkeit eingeführt, Ehescheidungen ohne Tätigwerden einer staatlichen Behörde auszusprechen. Für die Einbeziehung von Privat­schei­dungen in den Anwen­dungs­bereich dieser Verordnung wären aber Änderungen erforderlich, für die allein der Unions­ge­setzgeber zuständig ist.

Erläuterungen

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl. 2010, L 343, S. 10).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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