15.11.2024
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Dokument-Nr. 29154

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Urteil03.09.2020Gerichtshof der Europäischen UnionC-356/19
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.09.2020

Fluggast kann die Ausgleichs­leistung nach der Fluggastrechte­verordnung in der Landeswährung seines Wohnortes verlangen400 Euro Ausgleichs­leistung bei Verspätung oder Annullierung

Ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, kann die Zahlung der vom Unionsrecht vorgesehenen Ausgleichs­leistung in der Landeswährung seines Wohnortes verlangen. Es wäre mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleich­be­handlung der geschädigten Fluggäste unvereinbar, eine Zahlung in der Landeswährung zu verweigern. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden.

Frau X verfügte bei dem Luftver­kehrs­un­ter­nehmen Travel Service mit Sitz in Warschau (Polen) über eine bestätigte Reservierung für einen Flug von der in einem Drittstaat gelegenen Stadt A zu der in Polen gelegenen Stadt B. Am 23. Juli 2017 begab sie sich rechtzeitig zum Check-in für diesen Flug. Der Flug war über drei Stunden verspätet. Es wurde nicht festgestellt, dass Frau X im Abflugdrittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen erhalten hat.

400 Euro Ausgleichs­leistung

Frau X, die nach der Fluggastrechteverordnung Anspruch auf eine Ausgleichsleistung in Höhe von 400 Euro hatte, trat ihren Anspruch an Delfly, eine Gesellschaft mit Sitz in Warschau, ab. Delfly erhob beim Sad Rejonowydla m.st. Warszawy XV Wydzial Gospodarczy (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, XV. Abteilung, Wirtschafts­sachen, Polen) Klage mit dem Antrag, Travel Service zu verurteilen, ihr den Betrag von 1698,64 polnischen Zloty (PLN)zu zahlen, der gemäß dem von der Polnischen Nationalbank zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Ausgleichs­leistung festgesetzten Wechselkurs 400 Euro entsprach.

Travel Service beantragte, den Antrag auf Ausgleichs­leistung zurückzuweisen, u.a. mit der Begründung, dass dieser entgegen den Vorschriften des nationalen Rechts in der falschen Währung, nämlich in Zloty und nicht in Euro, beziffert worden sei.

Das polnische Gericht hat beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorzulegen. Es möchte wissen, ob ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechts­nach­folger nach der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung die Zahlung der in dieser Verordnung genannten Ausgleichs­leistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechts­nach­folger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

EuGH: Vorschriften zu den Fluggastrechten sind weit auszulegen

In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass das Hauptziel der Verordnung darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Deshalb sind die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, weit auszulegen. Den Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen für Schäden, die die großen Unannehm­lich­keiten bei der Beförderung von Fluggästen darstellen, von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass dem geschädigten Fluggast die geschuldete Ausgleichs­leistung in Euro -unter Ausschluss jeder anderen, nationalen Währung -gezahlt wird, liefe darauf hinaus, die Ausübung dieses Rechts zu beschränken, und würde daher das Erfordernis einer weiten Auslegung missachten.

Des Weiteren stellt der Gerichtshof fest, dass die Verordnung auf Fluggäste anwendbar ist, ohne zwischen ihnen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit oder des Wohnortes zu unterscheiden. Das einschlägige Kriterium ist nämlich der Ort, an dem sich der Flughafen befindet, von dem die Fluggäste abgeflogen sind. Die Fluggäste, die einen Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen haben, sind daher so anzusehen, dass sie sich alle in vergleichbaren Situationen befinden, da ihnen allen standardisiert und sofort der nach dieser Verordnung ersatzfähige Schaden wieder­gut­gemacht wird.

Das Stellen einer Bedingung, nach der der Betrag der in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichs­leistung, die vom geschädigten Fluggast oder seinem Rechts­nach­folger verlangt wird, nur in Euro unter Ausschluss der Währung, die in einem nicht zur Eurozone gehörenden Mitgliedstaat gilt, geleistet werden könnte, kann somit zu einer Ungleich­be­handlung der geschädigten Fluggäste oder ihrer Rechts­nach­folger führen, ohne dass eine objektive Rechtfertigung für diese Ungleich­be­handlung vorgebracht werden kann. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass es mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der in der Verordnung enthaltenen Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleich­be­handlung der geschädigten Fluggäste und ihrer Rechts­nach­folger unvereinbar wäre, es einem Fluggast, der auf der Grundlage der Verordnung einen Ausgleichs­an­spruch hat, zu verweigern, dass er die Zahlung der betreffenden Ausgleichs­leistung in der an seinem Wohnort geltenden nationalen Währung verlangen kann.

Schließlich setzt die Zahlung der geschuldeten Ausgleichs­leistung in der am Wohnort der betreffenden Fluggäste geltenden nationalen Währung zwangsläufig eine Umrechnung aus dem Euro in diese Währung voraus. Da die Verordnung insoweit keine Angabe enthält, ist für die Modalitäten der Umrechnung einschließlich der Festlegung des dabei anzuwendenden Umrech­nungs­kurses weiterhin das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität maßgeblich.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechts­nach­folger die Zahlung der in der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung genannten Ausgleichs­leistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechts­nach­folger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.

Quelle: EuGH, ra-online (pm/pt)

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