24.10.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil29.03.2007

EuGH kippt deutsche Steuer-Vorschrift für Verluste im EU-AuslandVerluste von Firmen­be­tei­li­gungen in EU-Staaten müssen wie inländische (deutsche) Verluste behandelt werden

Die in Deutschland derzeit gültige Regelung über die Abzugsfähigkeit von Verlusten aus Abschreibungen auf den Betei­li­gungswert an Tochter­ge­sell­schaften beschränkt die Nieder­las­sungs­freiheit. Da die Beschränkung nicht gerechtfertigt ist, ist sie nicht mit dem Gemein­schaftsrecht vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Das deutsche Einkom­men­steu­er­gesetz sieht vor, dass eine in Deutschland niedergelassene Mutter­ge­sell­schaft von ihrem steuer­pflichtigen Gewinn die Verluste aus Abschreibungen auf Betei­li­gungswerte an in Deutschland nieder­ge­lassenen Tochter­ge­sell­schaften abziehen kann.

Verluste gleicher Art aus Beteiligungen an in einem anderen Mitgliedstaat nieder­ge­lassenen Tochter­ge­sell­schaften sind hingegen nur abzugsfähig, wenn die Tochter­ge­sell­schaften später positive Einkünfte der jeweils selben Art erzielen oder eine gewerbliche Tätigkeit ausüben.

ITS Reisen, ein deutsches Unternehmen der Touris­mus­branche, hat eine Tochter­ge­sell­schaft in den Niederlanden. In ihren Jahres­ab­sch­lüssen 1993 und 1994 nahm sie Abschreibungen auf den Betei­li­gungswert an ihrer nieder­län­dischen Tochter­ge­sell­schaft vor, die sie bei der Ermittlung ihres in Deutschland zu versteuernden Einkommens als Verluste berücksichtigen wollte.

Da das Finanzamt Köln-Mitte ihr die Berück­sich­tigung der Verluste aus diesen Abschreibungen verweigerte, erhob die Rewe Zentralfinanz eG, die Rechts­nach­folgerin von ITS Reisen, Klage beim Finanzgericht Köln. Dieses Gericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Frage zur Vereinbarkeit der im entschei­dungs­er­heb­lichen Zeitpunkt geltenden deutschen Vorschriften über die Abzugsfähigkeit von Verlusten deutscher Mutter­ge­sell­schaften aus Abschreibungen auf Betei­li­gungswerte an Tochter­ge­sell­schaften mit dem Gemein­schaftsrecht zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt.

In seinem Urteil von heute stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die deutsche Regelung eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit darstellt. Denn sie behandelt Mutter­ge­sell­schaften steuerlich unterschiedlich, je nachdem, ob ihre Verluste aus Abschreibungen auf Betei­li­gungswerte an einer gebiets­an­sässigen oder an einer gebietsfremden Tochter­ge­sell­schaft stammen. Sie hält sie daher davon ab, Tochter­ge­sell­schaften in anderen Mitgliedstaaten zu gründen.

Sodann untersucht der Gerichtshof, ob diese Beschränkung gerechtfertigt ist.

Er weist u. a. darauf hin, dass eine unter­schiedliche steuerliche Behandlung von gebiets­an­sässigen Mutter­ge­sell­schaften, je nachdem, ob sie Tochter­ge­sell­schaften im Ausland haben oder nicht, nicht allein damit gerechtfertigt werden kann, dass sie sich dafür entschieden haben, wirtschaftliche Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, in dem der Nieder­las­sungsstaat seine Besteu­e­rungs­zu­stän­digkeit nicht ausüben kann.

Zudem weist der Gerichtshof das Vorbringen der deutschen Regierung zur Gefahr einer doppelten Berück­sich­tigung der im Ausland erlittenen Verluste zurück. Da die fraglichen Verluste der Mutter­ge­sell­schaft entstanden sind, werden sie nur bei ihr berücksichtigt, so dass die getrennte Berück­sich­tigung dieser Verluste der Mutter­ge­sell­schaft und der von den ausländischen Tochter­ge­sell­schaften erlittenen Verluste keinesfalls als doppelte Berück­sich­tigung derselben Verluste qualifiziert werden kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die deutsche Regelung, die allgemein jede Situation erfasst, in der die Tochter­ge­sell­schaften außerhalb Deutschlands niedergelassen sind, und daher die Voraussetzung, dass sie speziell die Bekämpfung rein künstlicher Konstruktionen bezwecken muss, nicht erfüllt, nicht durch die Gefahr der Steuerumgehung gerechtfertigt sein kann.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass es in der deutschen Regelung zwischen der Möglichkeit für die Mutter­ge­sell­schaft, die Verluste aus Abschreibungen auf Betei­li­gungswerte an Tochter­ge­sell­schaften auszugleichen, und der Steuerbefreiung der von den ausländischen Tochter­ge­sell­schaften erhaltenen Dividenden in Deutschland aufgrund von Doppel­be­steu­e­rungs­ab­kommen keine Verbindung gibt. Mangels einer solchen Verbindung kann dem Vorbringen der deutschen Regierung zur Notwendigkeit, die steuerliche Kohärenz zu wahren, für eine Rechtfertigung der fraglichen Beschränkung nicht gefolgt werden.

Nach alledem kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die deutsche Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit nicht gerechtfertigt ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des EuGH

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