Dies ergibt sich aus einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 9. November 2017. Das Verfahren war dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens von dem portugiesischen Berufungsgericht Tribunal da Relação do Porto vorgelegt worden. Dieses hatte über die Klage eines ehemaligen angestellten Arbeitnehmers eines portugiesischen Casinos zu entscheiden, der zeitweise an mehr als sieben aufeinanderfolgenden Tagen in dem Casino hatte arbeiten müssen. Dafür verlangte er von der Eigentümerin des Casinos nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe der Vergütung der von ihm vermeintlich geleisteten Überstunden.
Die Arbeitszeitregelung in dem Casino stelle eine Verletzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 EG dar. Artikel 5 ("Wöchentliche Ruhezeit") der Richtlinie schreibt vor, dass "jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden" gewährt wird.
Auf den ersten Blick liest sich diese Regelung tatsächlich wie ein klares Bekenntnis zur verbindlichen Sechs-Tage-Arbeitswoche als maximale Arbeitszeitbelastung für Arbeitnehmer. Dies meinte auch der Kläger, der seinen geltend gemachten Entschädigungsanspruch damit begründete, dass sich aus der Arbeitszeitrichtlinie ergebe, dass Arbeitnehmern zwingend zumindest ein Ruhetag nach jeweils sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden müsse.
Anders sah dies aber der Arbeitgeber. Dieser vertrat die Auffassung, dass das Unionsrecht die aufeinanderfolgenden Arbeitstage nicht begrenze, solange den Beschäftigten nur die verbindliche Mindestruhezeit pro Zeitraum von sieben Tagen eingeräumt werde. Denn Art. 5 der europäischen Arbeitszeitrichtlinie spreche lediglich von einem Ruhetag pro Siebentageszeitraum - ohne festzulegen, wann dieser Ruhetag zu gewähren sei.
Diese Lesart der Richtlinie bestätigte der EuGH. Das Gericht führt in seinem Urteil explizit aus, dass Art. 5 der EU-Richtlinie 2003/88 keineswegs näher festlege, zu welchem Zeitpunkt die Mindestruhezeit von 24 Stunden "pro Siebentageszeitraum" zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren sei. Der Wortlaut des Art. 5 der Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten der Europäischen Union lediglich, zu gewährleisten, dass - nicht aber wann - die Mindestruhezeit jedem Arbeitnehmer während eines Siebentageszeitraums zur Verfügung stehe.
Eine solche Auslegung des Art. 5 der Richtlinie komme zudem nicht nur dem Arbeitgeber zugute, sondern könne auch im Interesse des betroffenen Arbeitnehmers liegen, da diesem dadurch ermöglicht werde, zum Ende eines Bezugszeitraums und zum Anfang des darauf folgenden Zeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu erhalten. Auch könne eine verbindliche Festlegung fester Ruhetage für Unternehmen, die an jedem Tag der Woche geöffnet haben - so wie das beklagte Casino - zur Folge haben, dass einigen Arbeitnehmern diese Ruhetage nicht an Wochenenden gewährt werden könne.
Der EuGH führt weiter aus, dass es sich bei dem zugrunde gelegten "Siebentageszeitraum" um einen "Bezugszeitraum" handele. Ein Bezugszeitraum sei ein fester Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren sei - und zwar unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden. Eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit sei nicht vorgeschrieben.
Zugleich wies das Gericht auf die weiteren Arbeitnehmerschutzbestimmungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie hin. Danach dürfen Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern nicht verlangen, im Durchschnitt mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Eine gleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit wird dabei nicht verlangt. Dies stütze ebenfalls die Auslegung des Art. 5 der Richtlinie, dass die Mindestruhezeit von 24 Stunden plus der täglichen Ruhezeit von elf Stunden jederzeit innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt werden könne, und nicht verpflichtend stets am Ende des Zeitraums gewährt werden müsse. Daraus folge, dass die Mindestruhezeit nicht aufgrund der europäischen Arbeitszeitrichtlinie spätestens am siebten Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen gewährt werden müsse.
Der EuGH stellte aber auch klar, dass die Richtlinie arbeitnehmerfreundlicheren nationalen Arbeitszeitregelungen in den EU-Mitgliedsstaaten nicht entgegenstehe. Zum anderen gelte in jedem Fall die in der Richtlinie festgeschriebene tägliche Ruhezeit von 11 Stunden und die wöchentliche durchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden.
Die EU Mitgliedsstaaten sind also durchaus berechtigt, für Arbeitnehmer gegenüber der EU-Verordnung günstigere Regelungen zu schaffen. Aus der EU Verordnung ergibt sich jedenfalls lediglich, dass der wöchentliche Ruhetag innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt wird, nicht aber, dass dies stets nach Ablauf von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen der Fall ist. Wenn nun also der erste Ruhetag am Ende der Arbeitswoche und der Ruhetag der darauffolgenden Arbeitswoche sogleich an deren Beginn genommen wird, so kann es zu einer zulässigen Arbeitszeit an bis zu 12 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen kommen. Wenn also der Ruhetag in der einen Woche der Montag und in der nächsten Woche der Sonntag ist, muss der betroffene Arbeitnehmer an 12 aufeinanderfolgenden Tagen arbeiten, ohne dass dies einen Verstoß gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie darstellen würde.
In Deutschland ist diese Problematik zum einen dadurch entschärft, dass zwei Ruhetage pro Woche die absolute Regel sind. Eine Sechs-Tage-Arbeitswoche ist nach wie vor absolut unüblich. Zudem ist der Sonntag in Deutschland gesetzlicher Ruhetag, so dass Arbeitgeber in den meisten Branchen die Ruhetage nicht nach freiem Ermessen verteilen können, sondern ihren Arbeitnehmern eben zumindest jeden Sonntag frei geben müssen. 12 aufeinanderfolgende Arbeitstage können so nicht zusammenkommen. Allerdings gibt es auch in Deutschland einige Branchen, in denen der gesetzliche Ruhetag nicht gilt. Dies ist etwa in der Gastronomie und Hotellerie der Fall sowie in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, im Sicherheitsgewerbe und bei der Feuerwehr. Wenn dort die Arbeitnehmer auch an Sonntagen arbeiten müssen, so haben sie Anspruch auf Gewährung des Ruhetages an einem anderen Wochentag - allerdings erst innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen ab dem betreffenden Beschäftigungstag, für den der Ausgleich des Ruhetags geschaffen werden soll. Theoretisch könnten in Deutschland ohne die EU-Arbeitszeitrichtlinie auf diese Weise sogar 19 aufeinanderfolgende Arbeitstage zustande kommen. In einem solchen Fall wirkt die europäische Richtlinie wiederum begrenzend, da nach ihr höchstens 12 aufeinanderfolgende Arbeitstage zulässig sind.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.11.2017
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (vt/we)