15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 6858

Drucken
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil16.10.2008

Dienst­leis­tungen, die von Sportvereinen erbracht werden, können von der Mehrwertsteuer befreit seinVoraussetzungen: kein Gewinnstreben, enger Zusammenhang zum Sport, tatsächlich Begünstigte sind die Sportler selbst

Von der Steuer befreit sind Dienst­leis­tungen, die von einer Einrichtung ohne Gewinnstreben erbracht werden, mit dem Sport in engem Zusammenhang stehen und für seine Ausübung unerlässlich sind. Außerdem müssen die tatsächlichen Begünstigten dieser Leistungen die Personen sein, die den Sport ausüben. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Nach der Sechsten Mehrwert­steu­er­richtlinie (77/388/EWG) sind bestimmte mit Sport in engem Zusammenhang stehende Dienst­leis­tungen, die den Personen, die den Sport ausüben, von einer Einrichtung ohne Gewinnstreben erbracht werden, von der Mehrwertsteuer befreit.

Der Canterbury Hockey Club und der Canterbury Ladies Hockey Club stellen mehrere Hockey­mann­schaften. Ihre Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag an die Vereine, die Vereinigungen ohne Rechts­per­sön­lichkeit sind.

Die Hockey Clubs sind ihrerseits Mitglieder von England Hockey, einer Einrichtung ohne Gewinnstreben, die die Förderung und Entwicklung des Hockeysports in England zum Ziel hat. Die Vereine zahlen Mitglieds­beiträge an England Hockey. Als Gegenleistung erbringt sie ihren Mitgliedern bestimmte Dienst­leis­tungen, und zwar ein System der Vereins­ak­kre­di­tierung, Kurse für Trainer, Schiedsrichter, Lehrer und Jugendliche, ein Netzwerk von Hockey­för­der­stellen, Möglichkeiten des Zugangs zu staatlichen Mitteln und Geldern der Lotterie, Beratung im Bereich des Marketings und der Gewinnung von Sponsoren, Vereins­ver­wal­tungs­dienste und Versi­che­rungs­schutz für Vereine sowie die Organisation von Mannschaft­s­tur­nieren.

Die Commissioners for H. M. Revenue and Customs, die britischen Steuerbehörden, teilten England Hockey mit, dass auf die Mitglieds­beiträge, die sie erhebe, Mehrwertsteuer abzuführen sei. Da die Hockey Clubs keine Sport ausübenden Personen seien, fielen diese Dienst­leis­tungen nicht unter den Befrei­ung­s­tat­bestand.

Die Vereine legten gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel ein. Der mit der Sache befasste High Court of Justice fragt den Gerichtshof, ob der Ausdruck "Personen" im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung auch juristische Personen und Vereinigungen ohne Rechts­per­sön­lichkeit erfasst oder sich nur auf natürliche Personen bezieht.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Steuerbefreiung nicht nur auf bestimmte Arten von Sport anwendbar ist, sondern sich auf den Sport im Allgemeinen bezieht, was auch Sportarten umfasst, die von Einzelnen notwen­di­gerweise in Zusam­men­sch­lüssen von Personen oder in Sportvereinen ausgeübt werden. Die Ausübung von Sport innerhalb einer solchen Struktur bringt es aus praktischen, organi­sa­to­rischen und administrativen Gründen im Allgemeinen mit sich, dass der Einzelne nicht selbst die Dienst­leis­tungen organisiert, die für die Sportausübung unerlässlich sind, sondern dass der Sportverein diese Leistungen organisiert und erbringt, wie z. B. die Zurver­fü­gung­s­tellung eines Sportplatzes oder eines Schiedsrichters. Würde daher die Steuerbefreiung dahin ausgelegt, dass sie verlangt, dass die Dienst­leis­tungen natürlichen Personen zu erbringen sind, die den Sport in einem Sportverein ausüben, liefe dies darauf hinaus, dass eine große Zahl von Dienst­leis­tungen automatisch und unweigerlich von dieser Steuerbefreiung ausgeschlossen wäre. Ein derartiges Ergebnis liefe dem Ziel zuwider, das mit der Steuerbefreiung verfolgt wird und das darin besteht, diese Steuerbefreiung tatsächlich den Dienst­leis­tungen zugutekommen zu lassen, die Sport ausübenden Einzelpersonen erbracht werden. Außerdem stünde eine solche Auslegung nicht in Einklang mit dem dem gemeinsamen Mehrwert­steu­er­system zugrunde liegenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Steuerbefreiung zur Gewährleistung ihrer wirksamen Anwendung dahin auszulegen ist, dass Dienst­leis­tungen, die u. a. im Rahmen von Sportarten erbracht werden, die in Perso­nen­zu­sam­men­sch­lüssen oder in Sportvereinen ausgeübt werden, grundsätzlich unter die Mehrwert­steu­er­be­freiung fallen können. Er hebt jedoch hervor, dass die Dienst­leis­tungen drei Bedingungen erfüllen müssen, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu gelangen:

o Sie müssen von einer Einrichtung ohne Gewinnstreben erbracht werden,

o sie müssen mit dem Sport in engem Zusammenhang stehen und für seine Ausübung unerlässlich sein, und

o die tatsächlichen Begünstigten dieser Leistungen müssen die Personen sein, die den Sport ausüben.

Dienst­leis­tungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, insbesondere solche für Sportvereine und deren Betrieb, wie z. B. Beratungen im Bereich des Marketings und der Gewinnung von Sponsoren, können nicht von der Steuer befreit werden.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass Dienst­leis­tungen, die im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden, von der Befreiung ausgeschlossen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die von England Hockey den Hockey Clubs erbrachten Dienst­leis­tungen diese Bedingungen erfüllen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 75/08 des EuGH vom 16.10.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6858

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI