15.11.2024
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Dokument-Nr. 9742

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Urteil03.06.2010Gerichtshof der Europäischen UnionC-203/08 und C-258/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2011, 113Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2011, Seite: 113
  • CR 2011, 117Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2011, Seite: 117
  • JuS 2010, 1032 (Rudolf Streinz)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2010, Seite: 1032, Entscheidungsbesprechung von Rudolf Streinz
  • JuS 2010, 1123 (Rudolf Streinz)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2010, Seite: 1123, Entscheidungsbesprechung von Rudolf Streinz
  • NVwZ 2010, 1081Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2010, Seite: 1081
  • NVwZ 2010, 1085Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2010, Seite: 1085
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.06.2010

EuGH: Verbot eines Betriebes von Glücksspielen im Internet durch EU-Mitgliedstaat zulässigFreier Dienst­leistungs­verkehr darf mit dem Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten beschränkt werden

Ein Mitgliedstaat darf den Betrieb von Glücksspielen im Internet verbieten. Dieses Verbot kann wegen der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen im Internet verbunden sind, als durch das Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt angesehen werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Die niederländische Regelung über Glücksspiele beruht auf einem System ausschließ­licher Erlaubnisse, nach dem es verboten ist, Glücksspiele zu veranstalten oder zu fördern – es sei denn, dass eine entsprechende behördliche Erlaubnis erteilt worden ist –, und die nationalen Behörden nur eine Zulassung für jedes erlaubte Glücksspiel erteilen. Außerdem besteht in den Niederlanden keine Möglichkeit, Glücksspiele interaktiv über das Internet anzubieten.

De Lotto, eine privat­rechtliche Stiftung ohne Gewinn­er­zie­lungs­absicht, ist Inhaberin der Zulassung für die Veranstaltung von Sportwetten, Lotto und Zahlenspielen. Sie verfolgt nach ihrer Satzung den Zweck, durch die Veranstaltung von Glücksspielen Mittel zu beschaffen und diese zwischen dem Gemeinwohl dienenden Einrichtungen, insbesondere im Bereich des Sports, der Körpererziehung, der allgemeinen Wohlfahrt, der öffentlichen Gesundheit und der Kultur, zu verteilen.

Der Hoge Raad der Nederlanden (nieder­län­disches Kassa­ti­o­ns­gericht) und der Raad van State (nieder­län­discher Staatsrat) möchten vom Gerichtshof wissen, ob die niederländische Glückss­piel­re­gelung mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist.

Sachverhalt der Rechtssache C-258/08, Ladbrokes

Die Ladbrokes-Unternehmen veranstalten Sportwetten und sind insbesondere für ihre Tätigkeiten im Bereich der Quotenwetten bekannt („bookmaking“). Über ihre Website bieten sie mehrere, hauptsächlich sportbezogene Glücksspiele an. Sie üben keine materiellen Tätigkeiten im nieder­län­dischen Hoheitsgebiet aus.

De Lotto beanstandet Anbieten von Glücksspielen im Internet ohne nötige Zulassung

De Lotto, die den Ladbrokes-Unternehmen vorwarf, in den Niederlanden ansässigen Personen über das Internet Glücksspiele anzubieten, für die sie nicht über eine Zulassung verfügten, wandte sich an das nationale Gericht.

Nationale Gerichte müssen prüfen, ob Beschränkungen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs mit dem Ziel des Verbrau­cher­schutzes verhältnismäßig ist

Dem Gerichtshof zufolge steht fest, dass eine Regelung wie die fragliche eine Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs darstellt. Eine solche Beschränkung kann jedoch gerechtfertigt sein, insbesondere durch Ziele des Verbrau­cher­schutzes, der Betrugs­vor­beugung, der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung. Dabei obliegt es den nationalen Gerichten, zu überprüfen, ob die mitglied­s­taat­lichen Rechts­vor­schriften tatsächlich diesen Zielen entsprechen und ob die darin vorgesehenen Beschränkungen nicht im Hinblick auf diese Ziele unver­hält­nismäßig sind.

In diesem Zusammenhang hat der Hoge Raad insoweit Zweifel an der Kohärenz und Systematik der nationalen Regelung, als diese De Lotto erlaubt, ihr Angebot auf dem Markt durch die Einführung neuer Glücksspiele und durch Werbung attraktiver zu machen.

Kontrollierte Expansion von Glücksspielen kann zur wirksamen Kanalisierung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen beitragen

Der Gerichtshof stellt fest, dass eine Politik der kontrollierten Expansion im Glückss­piel­sektor durchaus mit dem Ziel in Einklang stehen kann, Spieler, die als solchen verbotenen Tätigkeiten geheimer Spiele oder Wetten nachgehen, dazu zu veranlassen, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob die nationale Regelung als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion zur wirksamen Kanalisierung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen anzusehen ist.

Sollte sich herausstellen, dass die Niederlande eine Politik der starken Expansion der Glücksspiele verfolgt, indem sie den Verbrauchern übermäßige Anreize und Aufforderungen zur Teilnahme an Glücksspielen bieten, um vor allem Mittel zu beschaffen, wäre festzustellen, dass eine solche Politik die Glückss­piel­tä­tigkeit nicht auf kohärente und systematische Weise begrenzt. Im Rahmen dieser Prüfung ist insbesondere zu untersuchen, ob die rechtswidrigen Spiel­tä­tig­keiten in den Niederlanden ein Problem darstellen können und ob eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten geeignet wäre, diesem Problem abzuhelfen.

Bereits aufgenommene Tätigkeit in anderem Mitgliedsstaat darf nicht zur Verdopplung von Kontrollen und Garantien führen

Ferner machen die Ladbrokes-Unternehmen geltend, dass sie Inhaber einer von den Behörden des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland erteilten Erlaubnis seien, nach der sie Sportwetten und andere Glücksspiele über Internet und Telefon anbieten dürften, und dass sie in diesem Mitgliedstaat sehr strengen Vorschriften unterlägen, um Betrug und Spielsucht vorzubeugen. Die Kontrollen und Garantien dürften nicht verdoppelt werden.

Dienstleitung in anderem Mitgliedsstaat muss nicht als hinreichende Garantie für Schutz der nationalen Verbraucher angesehen werden

Dazu stellt der Gerichtshof fest, dass der Sektor der über das Internet angebotenen Glücksspiele in der Europäischen Union nicht harmonisiert ist. Ein Mitgliedstaat darf deshalb die Auffassung vertreten, dass der Umstand allein, dass ein Veranstalter wie die Ladbrokes-Unternehmen zu diesem Sektor gehörende Dienst­leis­tungen in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig über das Internet anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher angesehen werden kann.

Außerdem bergen die Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glückss­piel­märkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich, dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden.

Sachverhalt der Rechtssache C-203/08, Sporting Exchange (Betfair)

Sporting Exchange (Betfair) ist im Glückss­piel­sektor tätig und bietet ihre Dienst­leis­tungen nur über Internet und Telefon an. Vom Vereinigten Königreich aus stellt sie den Dienst­leis­tungs­emp­fängern auf der Grundlage britischer und maltesischer Zulassungen eine Plattform für Sport- und Pferdewetten zur Verfügung. Betfair hat keine Niederlassung oder Verkaufsstelle in den Niederlanden.

Unternehmen verlangt Anerkennung der britischen Zulassung

Sporting Exchange (Betfair) hat geltend gemacht, dass die nieder­län­dischen Behörden verpflichtet seien, zum einen ihre britische Zulassung anzuerkennen und zum anderen bei der Erteilung einer Zulassung für das Anbieten von Glücksspielen den Grundsatz der Transparenz zu wahren.

Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs zulässig

Erstens stellt der Gerichtshof mit derselben Begründung wie in der Rechtssache C-258/08 fest, dass die Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs in Anbetracht der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, als durch das Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt angesehen werden kann.

System der vorherigen behördlichen Genehmigung eines Anbieters muss auf objektiven, nicht diskri­mi­nie­renden Kriterien beruhen

Zweitens führt der Gerichtshof zur Regelung, nach der nur einem einzigen Veranstalter eine Zulassung erteilt wird, aus, dass die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des im Glückss­piel­bereich angestrebten Schutzniveaus über einen ausreichenden Ermes­sens­spielraum verfügen. Ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung muss jedoch, damit es trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt ist, auf objektiven, nicht diskri­mi­nie­renden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, damit der Ermes­sens­ausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden.

Beschränkungen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs mit dem Ziel der besseren Überwachung zulässig

Jedenfalls könnten die Beschränkungen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs, die sich speziell aus den Verfahren zur Erteilung und zur Verlängerung der Zulassung eines einzigen Veranstalters ergeben, als gerechtfertigt angesehen werden, wenn der betreffende Mitgliedstaat beschlösse, die Zulassung einem öffentlichen Veranstalter, der hinsichtlich seiner Leitung unmittelbarer staatlicher Aufsicht untersteht, oder einem privaten Veranstalter, dessen Tätigkeiten die Behörden genau überwachen können, zu erteilen oder sie zu verlängern.

In diesen Fällen würde die Verleihung oder die Verlängerung von Ausschließ­lich­keits­rechten für die Veranstaltung von Glücksspielen zugunsten eines solchen Veranstalters ohne jedes Ausschrei­bungs­ver­fahren im Hinblick auf die mit der nieder­län­dischen Regelung verfolgten Ziele nicht unver­hält­nismäßig erscheinen.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Inhaber von Zulassungen für die Veranstaltung von Glücksspielen in den Niederlanden diese Voraussetzungen erfüllen.

Quelle: ra-online, EuGH

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